| Pressemeldung

Zeit zur Aussaat. Missionarisch Kirche sein

Statement des Vorsitzenden der Pastoralkommission, Bischof Dr. Joachim Wanke (Erfurt), bei der Pressekonferenz am 20. Dezember 2000 in Berlin

Situation

Wir leben in einer Zeit der Unübersichtlichkeiten und Ungleichzeitigkeiten. An Situationsanalysen ist kein Mangel. Schwerer schon fällt zu sagen, was zu tun ist. Vielleicht ist dies für einen Bischof aus den neuen Ländern einfacher, denn in einer Hinsicht sind die Dinge hier übersichtlicher: In den neuen Ländern sind Christen eine klare Minderheit und unter den Christen ist noch einmal die katholische Kirche deutlich in der Minderheit. Es fällt also vielleicht leichter, den Stier gewissermaßen bei den Hörner zu packen und zu sagen:
"Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt etwas. Es ist nicht das Geld. Es sind auch nicht die Gläubigen. Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können. Das ist ihr derzeit schwerster Mangel. In unseren Gemeinden, bis in deren Kernbereiche hinein, besteht die Ansicht, dass Mission etwas für Afrika oder Asien sei, nicht aber für Hamburg, München, Leipzig oder Berlin".

Die Auswahl der Städte hat eine gewisse Beliebigkeit und wäre leicht zu ergänzen. Man muss auch die Frage nicht erschöpfend beantworten, ob und inwieweit die Realität in den neuen Ländern heute die Realität in den alten Ländern von morgen sein wird. Sicher gibt es keine Übertragbarkeit im Verhältnis eins zu eins, aber es gibt Vergleichbarkeiten. Und da mag die Situation in den großen Städten der alten Ländern sich der unsrigen schon vielfach annähern.
Lohnende Aufgabe und Vision.
Die Kirche musste wohl zu allen Zeiten handeln, ohne sich im letzten der Zuverlässigkeit ihrer Zeitanalysen sicher zu sein. Sie kennen sicher den berühmten Satz von Karl Marx, wonach die Philosophen bislang die Welt verschieden interpretiert hätten, es jetzt aber darauf ankomme sie zu verändern. Vielleicht ziemt es sich besonders für einen Bischof aus den neuen Bundesländern, zum Handeln und zur Veränderung zu drängen.

Zum Handeln drängt es mich auch, etwas aus unserer Mutlosigkeit und Resignation herauszukommen. Wir waren und wir sind in den letzten Jahren sehr mit uns selbst beschäftigt, jedoch:
"Aus Verdrossenheit und Selbstzweifeln kommt man am schnellsten heraus, wenn man sich einer lohnenden Aufgabe zuwendet, noch besser: Wenn man sich einem Mitmenschen zuwendet. Auf unsere Kirche, besonders in den neuen Bundesländern, aber eben nicht nur dort, wartet eine solche lohnende Aufgabe. Es warten Menschen auf unser Lebenszeugnis. Sie warten darauf zu erfahren, was Jesus Christus für uns im Alltag unseres Lebens bedeutet" (S. 37).
Dass wir uns als Kirche dieser Aufgabe zuwenden, ist meine Hoffnung, ja meine "Vision":
"Ich habe die Vision einer Kirche in Deutschland, die sich darauf einstellt, wieder neue Christen willkommen zu heißen" (S. 36).

Das Evangelium den Menschen weitersagen
Worte wie "Mission" und "Evangelisierung" haben für viele einen unguten Beiklang. Man muss sie mit einer gewissen Behutsamkeit verwenden. Vielleicht reicht es ja zu verdeutlichen, worum es geht: "'Mission' heißt für mich schlicht: Das Weitersagen, was für mich selbst geistlicher Lebensreichtum geworden ist. 'Evangelisieren' meint: Das auf die Quelle zurückführen, die diesen Reichtum immer neu speist: Auf das Evangelium, letztlich auf Jesus Christus selbst und meine Lebensgemeinschaft mit ihm" (S. 37). Es geht also um die Sache.

Einladung zum Fest
In diesem Zusammenhang ist mir noch etwas sehr wichtig: Der Impuls zu einem neuen missionarischen Aufbruch darf nicht bloß als eine weitere belastende Aufgabe angesehen werden. Die Gleichnisse der Bibel weisen in eine andere Richtung. Da ist vom Schatz im Acker die Rede, von einer kostbaren Perle und immer wieder vom festlichen Gastmahl, zu dem eingeladen wird. Ich möchte, wenn wir neu von "Mission" oder "Evangelisierung" sprechen, dies mit einem ganz positiven Vorzeichen versehen, wie es einer "Vision" entspricht. Natürlich macht die gute Vorbereitung eines Festes und eines festlichen Gastmahls auch Mühe. Aber man unterzieht sich ihr gern, weil es eine "lohnende" Mühe und Aufgabe ist. Drei Dinge sind zur Vorbereitung dieses Festes wichtig:

1. Wir können entdecken, dass der Glaubensweg freisetzen und das Leben reich machen kann (vgl. S. 38).
Ich selbst habe meinen Glauben gegenüber der geistigen Enge der Ideologie in der DDR immer als Bereicherung erfahren, nie als kirchliche "Bindung". Ist das nur eine spezifisch "ostdeutsche" Erfahrung? Ich glaube nicht! Es gibt ähnliche Erfahrungen auch im "Westen". Sie gilt es zu entdecken, und sie sind wichtig für die Menschen. Sie warten auf unser ganz persönliches Zeugnis, auch und gerade wenn unser Leben nicht immer glatt und ohne Probleme bleibt.

2. "Häufiger, selbstverständlicher und mit 'demütigem Selbstbewusstsein' von Gott zu anderen sprechen" (S.39).
Wir müssen neu aussprechen lernen, anderen gegenüber, was Gott in unserem Leben getan hat. Und im Jahre eins nach der Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung" zur Rechtfertigung geht es da ganz besonders um solche Erfahrungen, in denen das ganze Evangelium gewissermaßen auf den Punkt gebracht wird: "Bruder, Schwester komm ... du bist nicht allein. Du bist angenommen. Du bist gewollt! Du bist geliebt!" (S. 39). Wer so andere mit den Augen Jesu anschaut, findet auch das rechte Wort, dies weiterzusagen.

3. Die Vision des Festes, das schon mitten unter uns da ist (vgl. S. 40).
"Wer mit der Kirche zum ersten Mal in Berührung kommt, sollte damit rechnen dürfen, willkommen zu sein. Das 'Bodenpersonal Gottes' darf nicht kleinlich sein, wenn Gott selbst großzügig ist" (S. 40) - Mit uns! Ich habe im Brief, vielleicht etwas provokant, vom kirchlichen und gemeindlichen Umgang mit den "kirchlich nicht ganz Stubenreinen" gesprochen. Worum es mir geht: Noch vor und jenseits aller noch so wichtigen Fragen nach der Zulassung zu den Sakramenten o. ä., müssen Menschen spüren können: "Wir sind in der Gemeinde willkommen" (S. 40). Es gibt vieles, was man hier tun kann - ich denke an unsere Erfurter Weihnachtsfeiern, an Feiern mit jungen Menschen, an den Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Wir, die Kirche, sind ja nicht nur da für die "Hundertprozentigen", denn bekanntlich sind wir es ja selbst nicht (vgl. S. 41). Natürlich gehört zum Glauben auch die Lebensumkehr. Aber ihr gehen die Annahme und das Angenommensein voraus.

Vergewisserung
Manche Themen brauchen Zeit zum Reifen. Dass das Thema "missionarische Präsenz des Evangeliums" derzeit neu ins Bewusstsein tritt, dazu haben gleichzeitige Prozesse im ökumenischen Umfeld beigetragen. Die EKD-Synode 1999 in Leipzig wurde bereits erwähnt. Ich möchte, als Vorsitzender der ACK, besonders auf die Konsultation der ACK hinweisen, die derzeit zum Thema "Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene" stattfindet. Solche und andere Erfahrungen haben mitgeholfen, neu in den Blick zu nehmen, dass "Mission" und "Evangelisieren" Themen auch für uns sind.

Wie geht es weiter?
Zu einem Brief gehört, dass er beantwortet werden kann. Ich habe deshalb ausdrücklich um ein schriftliches Echo gebeten. Wir wollen schon sehr bald unserem Text einen "Werkstatt-Teil" folgen lassen, in dem an konkreten Beispielen und Modellen deutlich wird, wie das gehen könnte: heute anderen Menschen das Evangelium weiterzusagen.

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