| Pressemeldung | Nr. PRD 013a

Zeit für Familie!

Fachtagung zur Vorbereitung des Siebten Familienberichts am 11. Februar 2004 in Berlin
Pressestatement von Kardinal Georg Sterzinsky, Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz

Anfang des Jahres 2003 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Sachverständigenkommission einberufen. Diese wird bis Mitte 2005 den Siebten Familienbericht im Auftrag der Deutschen Bundesregierung erstellen. Der Bericht soll die Situation der Familien in der Bundesrepublik Deutschland umfassend darstellen.
Ausdrücklicher Wunsch des Ministeriums war es, die Inhalte des Berichtes nicht erst nach Fertigstellung in der Fachöffentlichkeit zu diskutieren, sondern diese Fachöffentlichkeit bereits während der Phase der Erarbeitung mit einzubeziehen. Dies haben wir als katholische Kirche zum Anlass genommen, um unsererseits nach der Situation der Familie in Deutschland zu fragen und unsere Anliegen an die Berichtskommission zu formulieren. Insbesondere haben wir dabei den Aspekt einer Zeitbalance zwischen Familie, Berufswelt und Gesellschaft in den Blick genommen.
Die Deutsche Bischofskonferenz greift bei ihren Überlegungen auf die Erfahrungen und Ressourcen der katholischen Verbände zurück: des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und seiner Mitgliedsverbände, insbesondere des Familienbunds der Katholiken und dessen Mitgliedsverbände. Hier finden wir fachliche Kompetenz, politische Vernetzung und zugleich Praxisnähe. In diesem Kreis sowie mit Politikerinnen und Politikern aller Parteien und Familienwissenschaftlern haben wir heute unsere Positionen diskutiert und formuliert.
Als kompetente Gesprächspartner konnten wir Prof. Dr. Hans Bertram und Prof. Dr. Arno Anzenbacher gewinnen. Prof. Bertram lehrt Soziologie an der Humboldt-Universität Berlin und ist Vorsitzender der Expertenkommission zur Erstellung des Siebten Familienberichts. Prof. Anzenbacher lehrt Christliche Sozialethik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Die Balance zwischen Familie, Berufswelt und Gesellschaft ist in erster Linie eine Leistung, die von Familien erbracht wird. Dies gilt in gleicher Weise für das tägliche Leben wie für den langfristigen biographischen Zusammenhang. Familie muss Balance halten zwischen Innenleben und Außenbezügen, zwischen Anforderungen und Ressourcen. Nicht zuletzt aber muss sie auch Zeiträume ausbalancieren: Zeiträume, die für verschiedene Lebensbereiche der Familiengemeinschaft und der einzelnen Familienmitglieder zur Verfügung stehen sollen.
Eine vorausschauende staatliche Familienpolitik wird Familie in der Erbringung dieser Leistung subsidiär unterstützen. Wer balanciert, braucht Spielraum. Damit Familie ihre Balance in einem komplexen gesellschaftlichen Umfeld in sinnvoller Weise halten kann, sind Handlungsspielräume, Zeiträume, Wahl- und Veränderungsmöglichkeiten nötig. Zugleich sind grundlegende gesellschaftliche Konsense erforderlich: Wertkonsense beispielsweise, aber auch Zeitkonsense. Sie ermöglichen es, die ausgesprochen verschiedenen Außenbezüge von Familie zu koordinieren. Andere gesellschaftliche Systeme müssen Familie als unverzichtbares und grundlegendes Teilsystem ernst nehmen. Die Voraussetzungen für die Erbringung dieser Leistung "Balance" dürfen nicht in die private Verantwortung abgeschoben werden. Balance ist zwar auch Aufgabe der Familie, aber nicht einfach nur "ihr Problem".
Vom Siebten Familienbericht erwarten wir, dass er die Hindernisse benennt, mit denen Familien in Deutschland zu kämpfen haben:
Der Mangel an Zeitressourcen, unter dem viele Familien leiden, die vielfältigen Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf,die strukturellen Rücksichtslosigkeiten, mit denen Familien in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zu kämpfen haben.
Wir wünschen uns, dass der Siebte Familienbericht konkrete Forderungen an die Politik stellt. Insbesondere sind hier zu nennen:
Die Ermöglichung eigener Wahl- und Entscheidungsfreiheit für Familien: Welcher Elternteil kümmert sich zu welchen Zeiten um die Familienarbeit? Wie lange will und kann ein Elternteil auf Erwerbsarbeit verzichten? Wann und in welchem Umfang soll ein beruflicher Wiedereinstieg erfolgen? Wie viel an außerfamiliärer Betreuung soll in Anspruch genommen werden - und zu welchen Zeiten? Insbesondere finanzielle, organisatorische und berufliche Zwänge sind hier zu beachten.Die qualitative und quantitative Verbesserung des Angebots außerfamiliärer Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder. Besonders liegt uns daran, klare Kriterien zu formulieren: Was ist qualitätsvolle Betreuung und welche Standards sind erforderlich, um Kinder in ihrer Entfaltung als Person gut zu begleiten? Wie muss Betreuung aussehen, die Familie nicht ersetzen, sie aber nachhaltig unterstützen will?Die Weiterentwicklung familiengerechter Arbeitszeitorganisation in Unternehmen und Verwaltungen.Die Umsetzung einer familiengerechten Lastenverteilung in den Sozialversicherungssystemen. Hier ist an das "Pflegeversicherungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts zu erinnern, dessen Forderungen zugunsten von Familien nach wie vor nicht erfüllt sind.Die Stärkung der Familienbildung nicht zuletzt auch im Sinn einer Förderung der Eltern- und Erziehungskompetenz. Es geht akut darum, Einrichtungen der Familienbildung nicht finanziell zu Grunde zu kürzen. Sie brauchen eine Perspektive für ihre unverzichtbare und präventive Arbeit.
Wir hoffen, dass die Sachverständigenkommission unsere Perspektiven in ihre Arbeit am Siebten Familienbericht aufnimmt und dass es auf diesem Wege gelingt, die Sache der Familien in unserem Land nachhaltig voranzubringen.

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz