| Pressemeldung | Nr. 042b

„Welthandel im Dienst der Armen" – Eine Studie der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Deutschen Bischofskonferenz

Statement des Vorsitzender der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik, Professor Dr. Gerhard Kruip (Hannover), beim Pressegespräch zur Vorstellung der Studie

Es gilt das gesprochene Wort!

Bevor Herr Wallacher Ihnen gleich die letzte Studie der Sachverständigengruppe vorstellt, möchte ich kurz etwas zum ethischen Standpunkt sagen, von dem her sich die Sachverständigengruppe mit weltwirtschaftlichen Fragen befassen. Die vorliegende Stellungnahme ist ja die letzte einer ganzen Serie von Texten, die sich beispielsweise auch mit der weltweiten Migrationsproblematik, mit ethischen Problemen globaler Finanzmärkte, mit Struturanpassungsmaßnahmen, mit ökologischen Fragen, mit Fragen der Geldpolitik und in einem gemeinsamen Text mit den kirchlichen Hilfswerken auch allgemein mit der Globalisierung beschäftigten. Alle diese Studien der Sachverständigengruppe sind kostenlos im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz zu beziehen und im Internet unter www.dbk.de abrufbar.

Unserer Auffassung nach haben weltwirtschaftliche Entwicklungen eine enorme ethische Relevanz. Denn sie entscheiden mit über Lebensschicksale von Einzelnen und Gruppen sowie über die Entwicklungschancen ganzer Länder und Regionen. Dabei sind weltwirtschaftliche Entwicklungen und Strukturen eben keine Naturereignisse, sondern werden von Menschen hervorgebracht, können von Menschen gesteuert werden. Deshalb müssen Menschen auch Verantwortung für diese Entwicklungen übernehmen. Weltwirtschaftliche Beziehungen sind eben nie nur Austauschverhältnisse von Waren und Dienstleistungen, nie nur finanzielle Transaktionen, sondern zugleich immer Beziehungen von Menschen, deren Lebenschancen von diesen Austauschverhältnissen entscheidend beeinflusst werden.

Der Aufbau unserer Stellungnahmen folgt in der Regel einem Dreischritt: Zunächst werden die zur Debatte stehenden Probleme möglichst genau und sachgerecht analysiert und beschrieben. Die Wahrnehmung der Situation, in der man sich befindet, ist als erster Schritt zur Gewinnung eines ethischen Urteils sicher unverzichtbar. Danach wird versucht, die Situation ethisch zu bewerten, positive und negative Entwicklungen aufzuzeigen. Dies macht es auch möglich, einen Handlungsbedarf anzugeben, um den erhobenen ethischen Forderungen zu entsprechen. Deshalb schließen sich am Ende meist Handlungsempfehlungen an, die sowohl einzelne Handelnde wie aber auch die Ebene der Gestaltung von Strukturen und Institutionen betreffen. Dabei hilft sicher die interdisziplinäre Zusammensetzung der Sachverständigengruppe, in der ökonomischer, sozialwissenschaftlicher und sozialethischer Sachverstand zusammengebracht werden.

Dabei ist unser ethischer Ausgangspunkt sicherlich geprägt von der christlichen Ethiktradition und im besonderen von der katholischen Soziallehre. Es gehört aber zur Tradition katholischer Soziallehre selbst, dass die moralischen Normen und Prinzipien sowie auch konkrete Einzelurteile nicht einfach aus Glaubenseinsichten, Traditionen oder aus den Aussagen kirchlicher Autoritäten abgeleitet werden. Vielmehr erheben sie den Anspruch - und stellen sich zugleich dem Anspruch, auf Vernunft zu gründen. Diesen Anspruch hat übrigens auch Papst Benedikt XVI in seiner Enzyklika Deus caritas est eindrücklich bekräftigt. Ich zitiere (Nr. 28): „Die Soziallehre der Kirche argumentiert von der Vernunft und vom Naturrecht her, das heißt von dem aus, was allen Menschen wesensgemäß ist.“ Oder im selben Abschnitt, aber an anderer Stelle: „Was ist Gerechtigkeit? Dies ist eine Frage der praktischen Vernunft; aber damit die Vernunft recht funktionieren kann, muß sie immer wieder gereinigt werden, denn ihre ethische Erblindung durch das Obsiegen des Interesses und der Macht, die die Vernunft blenden, ist eine nie ganz zu bannende Gefahr.“ Bitte beachten Sie, dass hier „Reinigung der Vernunft“ nicht bedeutet, dass ihr Unvernünftiges, Vernunftfremdes, zugemutet wird, sondern die Reinigung von Machtinteressen und wirtschaftlichen Interessen dient dazu, die Vernunft zu sich selbst zu bringen.

Auch in unseren Stellungnahmen begnügen wir uns nicht mit der Wiederholung traditioneller Positionen zu bestimmten Fragen, sondern versuchen, vernünftig zu argumentieren. Dabei spielen besonders zwei Argumentationsfiguren eine Rolle, die nicht identisch sind, sich aber gut ergänzen.

Die eine geht so vor, dass zu zeigen versucht wird, dass bestimmte Forderungen, z. B. die nach mehr Gerechtigkeit und Fairness im Welthandel, durchaus im wohlverstandenen langfristigen Eigeninteresse aller liegen könnte. Wenn es möglich ist, dies zu zeigen, kommt man ohne allzu großen moralischen Aufwand zu einer Lösung, die, weil sie eben im Interesse aller liegt, auch von allen akzeptiert werden kann. Und in der Tat wären wir in Fragen weltweiter Gerechtigkeit sehr viel weiter, wenn die reicheren Länder wenigstens ihren eigenen langfristigen Eigeninteressen folgen würden. Denn es liegt in ihrem Interesse, dass die enormen weltweiten Ungerechtigkeiten überwunden werden und in allen Ländern umweltverträgliche Wege zu einem besseren Leben gefunden werden.

Die zweite Argumentationsfigur ist etwas anspruchsvoller. Sie verlangt, einen moralischen Standpunkt einzunehmen und unabhängig von Eigeninteressen die Interessen aller Menschen in fairer Weise in das ethische Urteil einzubeziehen. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass tatsächlich strikt alle Menschen, ja sogar zukünftige Generationen für das ethische Urteil relevant sind. Niemand darf ausgeschlossen werden. Niemandes Rechte dürfen für weniger wichtig gehalten werden als die Rechte anderer. Was wir für uns in Anspruch nehmen – z. B. die Chance auf Arbeitsplätze mit hohen Einkommen und hoher sozialer Sicherheit – muss prinzipiell auch allen anderen zugestanden werden – ohne Unterschied. Was wir für uns für inakzeptabel halten, dürfen wir auch anderen nicht zumuten.
Eine wichtige Konsequenz aus der zweiten Argumentationsfigur ist die so genannte „Option für die Armen“, die ursprünglich auf die lateinamerikanische Theologie der Befreiung zurückgeht. Die faire Berücksichtigung aller bedeutet nämlich in einer Welt wie der unseren, die von extremen Asymmetrien des Reichtums und der Macht gekennzeichnet ist, dass die Interessen der Benachteiligten, der Ausgeschlossenen, der Armen besonders in den Blick genommen werden müssen. Deshalb haben wir versucht, die Entwicklungen im Welthandel daraufhin zu überprüfen, ob sie zumindest mittel- und langfristig den Armen helfen, oder ob sie ihnen schaden. Entwicklungen im Welthandel, die zu einer weiteren Verschlechterung der Situation der Armen führen, können sicherlich nicht als fair bezeichnet werden.

Welche konkreteren sozialethischen Vorstellungen sich im Blick auf den Welthandel daraus ergeben, wird Ihnen nun Herr Dr. Dr. Johannes Wallacher vorstellen, der in unserer Sachverständigengruppe federführend für diese Studie verantwortlich gewesen ist.

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