| Pressemeldung

Vereinbarung von Himmelspforten

Vom 12. bis 15. Juli 1998 sind im Kloster Himmelspforten (Würzburg) Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Kräfte aus Kolumbien unter der Moderation der Bischofskonferenz von Kolumbien und der Deutschen Bischofskonferenz zusammengekommen. Zum Abschluß haben sie den folgenden Text verabschiedet:

Vereinbarung von Himmelspforten

Die hier vertretene Zivilgesellschaft, die E.L.N. und das Nationale Friedenskomitee (Comité Nacional de Paz) mit der Deutschen und Kolumbianischen Bischofskonferenz als Moderatoren,
vereinbaren,

1. den Friedensprozeß mit der E.L.N. zu beginnen.
Bezüglich der Beteiligung der Zivilgesellschaft

2. die kontinuierliche Tätigkeit der Zivilgesellschaft zur Vollendung des Friedensprozesses anzuerkennen und zu fördern.

3. Vorschläge und Forschungsvorhaben zum Thema "Frieden", die strukturelle oder partielle Veränderungen im Leben der Nation erreichen wollen, verstärkt zu fördern.

4. Treffen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen anzuregen, um das im Friedensprozeß Erreichte zu konsolidieren.

5. den Geist, der diesem Dokument innewohnt, in die Arbeit der Regierung einzubringen und Aktionen zugunsten des Friedens in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft fortzusetzen.

6. Treffen der Regierung mit den Zentralkommandos der E.L.N. und des Volksheeres der Befreiung (Ejército Popular de Liberación = E.P.L.) zu vermitteln und gleichzeitig eine Versammlung der Unterzeichnenden mit den Zentralkommandos der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia = F.A.R.C.), der Verbindungsstelle der Guerillaorganisationen Simón Bolívar (Coordinadora Guerrillera Simón Bolívar) und anderen am Krieg Beteiligten herbeizuführen. In diesem Sinne wird das Treffen des neu gewählten Präsidenten, Andrés Pastrana Arango, mit dem Zentralkommando der F.A.R.C. als wertvoll für einen künftigen Frieden angesehen.

7. sich in den Dienst der großen nationalen Bewegung zu stellen, die, geleitet von dem Mandat für den Frieden (Mandato de la Paz) und dem Streben, den Krieg zu beenden, überall im Land entstanden ist, und ihre Ausweitung und Konsolidierung durch Einrichtungen wie die Ständige Versammlung der Zivilgesellschaft für den Frieden (Asamblea Permanente de la Sociedad Civil por la Paz) zu unterstützen.

8. dafür Sorge zu tragen, daß die Zivilgesellschaft zusammen mit der Regierung Möglichkeiten sucht und schafft, um die Einhaltung der durch die Verfassung geschützten politischen Garantien und Bürgerrechte im ganzen Land einzufordern.
Bezüglich der Humanisierung des Krieges:

9. kriegerische Aktionen und Massaker an der Zivilbevölkerung zu verurteilen, die von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen finanziert werden und aufgrund aktiven Handelns oder Unterlassung von seiten einiger staatlicher Stellen zunehmen.

10. Die E.L.N. verpflichtet sich, das Festhalten und die Freiheitsberaubung von Personen zu finanziellen Zwecken in dem Maße zu reduzieren, wie sich ihnen auf andere Art und Weise ausreichend Mittel erschließen, vorausgesetzt, daß es bis zur Vollendung des Friedensprozesses mit dieser Organisation zu keiner strategischen Schwächung kommt. Auch soll mit dem heutigen Tag das Festhalten von Kindern und Personen über 65 aufhören, und in keinem Fall sollen schwangere Frauen ihrer Freiheit beraubt werden.

11. zu fordern, daß das Problem der Straflosigkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie gewaltsames Verschwindenlassen, Massaker, Völkermord und Folter, tatsächlich überwunden wird, was dem Geist diesbezüglicher internationaler Vereinbarungen voll und ganz entspricht.

12. auf der Basis der Vorgaben der UNO darauf zu achten, daß die Gültigkeit der "Regionalen Justiz" (Justicia Regional) nicht über das derzeitige legale Mandat hinaus verlängert wird. Ebenso wurde erneut auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, daß die Justiz wieder effektiv und zügig arbeitet sowie ihre Unparteilichkeit wahrt und Verfahrensgarantien eingehalten werden.

13. bezüglich des schwerwiegenden Problems der gewaltsam Vertriebenen: ihre Organisation zu unterstützen, die ihre berechtigten Interessen und Bedürfnisse, insbesondere die sichere Rückkehr und gegebenenfalls Übereignung von Land, verteidigt. Außerdem sollen ihre integrale Entwicklung und die Entwicklung ihrer Regionen gefördert werden.

14. mit führenden Vertretern der Zivilgesellschaft und in Koordination mit der Disziplinaranwaltschaft und der Ombudsstelle des Volkes (Defensoría del Pueblo) eine Aufstellung aller Güter vorzunehmen, die durch das humanitäre Völkerrecht geschützt sind, damit sie vor Angriffen bewaffneter Akteure bewahrt bleiben, wie z.B.Wasserleitungen und Staudämme Schulen, Gesundheitszentren für Mensch und Tier Krankenhäuser
Versorgungszentren für die Zivilbevölkerung Ambulanzen, Feuerwehr und Krankenwagen zivile Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge, die nicht für militärische Zwecke genutzt werdensanitäre Projekte für Mensch und Tier oder soziale Projekte Ausbildungs-, Sport-, Kultur- und Erholungszentren sowie religiöse Stätten Stromleitungen zur Versorgung der Zivilbevölkerung Anlagen, die eine Gefahr darstellen können, wie Stauseen oder nukleare Anlagen 15. Die E.L.N. bekräftigt erneut ihre einseitige Beachtung der Empfehlungen, die von amnesty international für die aufständische Bewegung in ihrem Bericht von 1994 über Kolumbien ausgesprochen wurden. Diese Empfehlungen, deren Einhaltung bestätigt wird, sind:
Humane Behandlung von Gefangenen, Verletzten und denen, die sich ergeben wollen; ob Zivilisten oder Mitglieder der Armee, sie dürfen nicht umgebracht werden. Die vorsätzliche und willkürliche Tötung von Nichtteilnehmern am Krieg ist unter allen Umständen verboten. Gefangene dürfen nicht als Geiseln mißbraucht werden. Die gefangenen Personen werden identifiziert und ihre unversehrte und gesunde Freilassung garantiert. Es sollen keine Minen gelegt werden in der Absicht, Zivilisten zu töten oder zu verstümmeln. Vermeintliche Mißbräuche durch Guerillakämpfer sollen untersucht werden, um sie zur Verantwortung zu ziehen. Guerillakämpfer, die verdächtigt werden, Mißbräuche begangen oder befohlen zu haben, verlieren jegliche Befehlsgewalt und werden aller Ämter enthoben, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, erneut solche Mißbräuche zu begehen.

16. mit allen bewaffneten Akteuren und den Betroffenen auf die Achtung der Autonomie, des Glaubens, der Kultur und des Neutralitätsrechtes der Indígenas sowie anderer Ethnien und ihrer Territorien hinzuwirken.

17. die Verpflichtung der Zivilgesellschaft und der E.L.N. zu bekräftigen, die Rechte des Kindes zu respektieren und ihre völlige Respektierung durchzusetzen. Die E.L.N. wird keine Jugendlichen unter 16 Jahren als Mitglieder ihres Heeres rekrutieren. In Zukunft soll das Mindestalter bei 18 Jahren liegen.

18. die Ratifizierung der Konvention von Ottawa über das Verbot des Einsatzes von Anti-Personenminen durch das Parlament voranzutreiben. Ebenfalls wurde vereinbart, keine Anti-Personenminen dort zu legen, wo sie für die Zivilbevölkerung und vor allem für Kinder eine Gefahr darstellen. Auch fordern wir die Einhaltung des Verbotes, Güter und Gebiete des öffentlichen Lebens zu bombardieren.

19. Die Versammlung wies darauf hin, Gefangene und Verhaftete der aufständischen Bewegung human zu behandeln und ihre Würde und ihren Sonderstatus als politische Gefangene zu respektieren. Man spricht sich dafür aus, sozialen Protest nicht mit einer Strafe zu belegen.
Bezüglich der natürlichen Ressourcen:

20. Die Unterzeichner dieser Vereinbarung fördern die Schaffung eines breiten Forums im Rahmen der Nationalen Versammlung (Convención Nacional), um das Problem der Rechtshoheit über die natürlichen Ressourcen, unter anderem Erdöl, zu diskutieren mit dem Ziel, dem Parlament und der Regierung Vorschläge zu unterbreiten, welche Veränderungen in der Politik und in der Rechtsordnung in diesem Zusammenhang dem Land von Vorteil wären. Die Regierung wird ersucht, eine entmilitarisierte Zone zu schaffen, wo dieses Forum stattfinden soll.
Während dieses Forums wird die E.L.N. solche Sabotageakte auf ölpipelines nicht verüben, für die sie die Alleinverantwortung übernimmt.
Bezüglich der Nationalen Versammlung (Convención Nacional):
Angesichts der positiven Ergebnisse dieses Treffens vereinbaren wir auch die Einberufung einer Nationalen Versammlung, um Frieden, soziale Gerechtigkeit, den Ausbau der Demokratie und die Konsolidierung der nationalen Souveränität unter folgenden Rahmenbedingungen zu erreichen:
Unter der Nationalen Versammlung verstehen wir einen Prozeß, der Raum für Dialoge auf verschiedenen Ebenen gibt und allen beteiligten Vertretern des Staates, der Gesellschaft und der Guerilla die Möglichkeit bietet, Vorschläge zu unterbreiten.
Die Versammlung soll versuchen, die Grundlagen für ein politisches Abkommen über soziale Reformen und Veränderungen im Hinblick auf die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft zu erarbeiten. Dieser Prozeß soll über Mechanismen erfolgen, die in administrativer und legislativer Hinsicht unerläßlich sind, einschließlich der Einsetzung einer Verfassungsgebenden Versammlung.
Die Nationale Versammlung soll die Mitwirkung von Vertretern des Staates ermöglichen, und die Regierung muß ihre Durchführung garantieren, wobei der Nationale Friedensrat (Consejo Nacional de Paz) in seiner Funktion als beratendes Organ der Regierung als Vermittler dienen soll.
Die F.A.R.C. und die gesamte Verbindungsstelle der Guerillaorganisationen (Coordinadora Guerrillera Simón Bolívar) sollen eingeladen werden, sich an der Nationalen Versammlung zu beteiligen und sich deren Zielen anzuschließen.
Bezüglich der Teilnehmer ist darauf zu achten, daß eine größere Repräsentanz gegeben ist; Ausgangspunkt ist die Teilnehmergruppe des Treffens von Mainz, die sich als Vorbereitungskommission der Nationalen Versammlung (Comisión Preparatoria de la Convención Nacional) konstituieren soll. Zu diesem Zweck wird ein Exekutivkomitee (Comité Operativo) gebildet.
Der Prozeß dieser Nationalen Versammlung soll dazu anregen, auf regionaler Ebene und in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft an der Vorbereitung dieser Versammlung mitzuwirken.
Die Vorbereitungskommission soll die Nationale Versammlung noch vor dem 12. Oktober 1998 organisieren.
Die Nationale Versammlung wird selbst über die Art der Beschlußfassung und die übrigen Aspekte ihrer Arbeit entscheiden.
Auf der Tagesordnung der Nationalen Versammlung sollen folgende Themen stehen: Festlegung der Grundlagen für die notwendigen Änderungen sozialer, wirtschaftlicher und politischer Strukturen, die in einer konzertierten Aktion unter Berücksichtigung folgender Punkte erfolgen sollen: volle Achtung der Menschenrechte, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, politische Demokratisierung, Souveränität, Integration und internationale Beziehungen sowie die Rolle der staatlichen Gewalt in einem Land in Frieden.

Die Nationale Versammlung soll auf kolumbianischem Territorium stattfinden, in einem Gebiet, für das ein Waffenstillstand von beiden Seiten vereinbart wird und in dem allen Teilnehmern die notwendigen Garantien gewährt sind. Gleichzeitig mit der Verwirklichung der Nationalen Versammlung wird dazu aufgerufen, deutliche Zeichen des Friedens zu setzen, wie den Waffenstillstand oder die Einstellung gegenseitiger Angriffe auf nationalem Territorium.

21. Die Unterzeichner dieser Vereinbarung setzen sich auch künftig für ihre Verbreitung, Unterstützung, Evaluierung und Befolgung sowie die Einbindung weiterer repräsentativer Bereiche der kolumbianischen Gesellschaft in diese Arbeit ein. Unser tief empfundener Dank gilt den Bischofskonferenzen von Deutschland und Kolumbien für die Gastfreundschaft und Herzlichkeit, mit der sie uns aufgenommen und den Erfolg dieser Mission ermöglicht haben.

Die vorliegende Vereinbarung wurde am 15. Juli 1998 in Würzburg, Deutschland, von folgenden Personen unterzeichnet:
Abello, Aida Alvarez Gardeazábal, Gustavo Angarita Figueredo, Hernando Beltrán, Pablo Bernal, Ana Teresa Bernal Cuellar, Jaime Berrio, Nelson Cabal, Jaime Alberto Caicedo, Jaime Carrillo, CesarCastro, Mons. Luis A.Castro, José Fernando Garzón, Luis Eduardo Gaviria, Carlos Gómez, Ana Mercedes Gómez, Mario González Posso, Camillo Hernández, Milton Hernández, Hernando Izquierdo, P. Gabriel Martínez, P. Jorge Marulanda, Eugenio Molano, Alfredo Moncayo, Victor Moreno, Samuel Picón, Antonio Pretelt de la Vega, Sabas Ramirez Ocampo, Augusto Restrepo, Javier Dario Ríos, José Noé Rueda, Maria IsabelRuíz, Carlos Alberto Santos, Francisco Santos, Juan Manuel Umaña Luna, Eduardo Valenciá, León Vargas, Alejo Vasquez, Juan Villegas, Luis Carlos Visbal, Jorge

Als Moderatoren:
Bischof Emil L. Stehle und P. Dr. Hans Langendörfer SJ

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