| Pressemeldung

Unsere Sorge um die Toten und die Hinterbliebenen Bestattungskultur und Begleitung von Trauernden aus christlicher Sicht

Zusammenfassung der beiliegenden vollständigen Erklärung der deutschen Bischöfe (Die Zahlen in Klammern verweisen auf die Seiten im Text)

 

(Situationsbeschreibung und Ziel des Textes)

Die Toten zu begraben und die Trauernden zu trösten ist seit jeher Bestandteil der jüdisch-christlichen Tradition (9). Heute ist eine zunehmende Unfähigkeit festzustellen, mit Schmerz und Trauer umzugehen (10). Beisetzungen finden mehr und mehr in aller Stille statt. Beerdigungsrituale verlieren an Bedeutung, der Gedanke an den Tod wird aus dem Bewußtsein verdrängt. Freie Redner und Bestattungsunternehmer treten zunehmend an Stelle der kirchlichen Amtsträger. Manche Ausdrucksformen, mit denen früher der Übergang vom Leben zu Tod begleitet wurde, sind fraglich geworden. Was früher zum „letzten Liebesdienst" gehörte, läßt man heute von einem Bestattungsinstitut regeln (11). Die Kirche empfindet diese Situation als Herausforderung für ihr eige-nes Handeln.

Kerngedanke einer Kultur der Bestattung ist die Solidarität der Toten mit den Lebenden (12). Für die humane Ausprägung einer solchen Kultur hat der christliche Glaube Entscheidendes einzubringen (12). Die Bedeutung des Anliegens muß zu einer Neu-orientierung der kirchlichen Praxis führen. Diesem Ziel dient auch die vorliegende Arbeitshilfe, die sowohl die verschiedenen Aspekte einer christlichen Bestattungskultur darlegt als auch eine Reihe praktischer Anregungen und Hilfen gibt. Sie will darüber hinaus den 1992 begonnenen Dialog mit dem Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes fortzusetzen und die Zusammenarbeit mit allen im Bestattungswesen tätigen Berufsgruppen anregen (13).

1. Veränderter Umgang mit Sterben und Tod, Bestattung und Trauer

Sterben, Tod und Trauer werden in unserer Gesellschaft immer stärker tabuisiert, verdrängt und privatisiert. Das „memento mori", das Denken an den eigenen Tod, wird auch unter vielen Christen kaum gewagt (14). „Der Tod und die Toten gelten als Störfaktoren der modernen Lebenswelt" (14). Die Verdrängung des Todes und der Toten bedeutet aber eine Verarmung des Lebens, vielleicht sogar eine Verdrängung der Gottesfrage (14).

Ausdruck davon ist eine wachsende Sprachlosigkeit, ein Verfall von Formen und Riten im Umgang mit Sterben und Tod. Deutlich wird dies unter anderem in der jüngsten Entwicklung der Friedhofsgestaltung, die geprägt ist von einer wachsenden Geschichts- und Kulturlosigkeit (z.B. Grabsteine aus industrieller Serienproduktion ohne personenbezogene Ausgestaltung und säkulare Symbole von Pumuckl bis zum Sportboot auf den Grabstätten) (22). Extremer Ausdruck der Entartung und des Verfalls der Kultur sind Grabschändungen und Exzesse von okkulten und satanischen Riten (20).

Die veränderte Situation wird auch deutlich an der wachsenden Zahl von Sozialbestattungen, die sich in den letzten Jahren verdoppelt hat und die eine Anfrage an unseren Umgang mit den Menschen darstellt, die mittellos versterben (28).

Hinzu kommt die starke Zunahme sogenannter anonymer Bestattungen, die in Hamburg zum Beispiel von 1975 bis 1991 um das Zehnfache gestiegen ist und inzwischen ein Viertel aller Bestattungen ausmacht. Insgesamt werden in Deutschland 5,6 Prozent aller Verstorbenen anonym bestattet mit wachsender Tendenz (30). In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Urnen-Seebestattung zu nennen, deren Zahl inzwischen auf 1.000 pro Jahr gestiegen ist.

Die Öffentlichkeit sollte darüber aufgeklärt werden, was eine anonyme Bestattung in der Konsequenz bedeutet (s.u.). Darüber hinaus sollten die Friedhofsverwaltungen auf eine geradezu einladende Gestaltung der Gemeinschaftsanlagen für anonyme Bestattungen verzichten (31).

2. Tod und Umgang mit den Toten aus christlicher Sicht

Auch der tote menschliche Körper hat seine Würde. Er zeigt noch eine Weile etwas von der Persönlichkeit, zu der er gehörte. Christlicher Umgang mit den Toten sollte geprägt sein von Pietät, Einfachheit und Gläubigkeit (40/41). Wichtiger als die Sorge um die Bestattung ist das Gedenken für die Toten vor Gott. Erinnerung, Trauer und Begleitung, gemeinsames Gedenken und Gebet bestimmen die Sorge der christlichen Gemeinde um die Toten und Hinterbliebenen (43).

Grundsätzlich sind unterschiedliche Formen der Bestattung mit dem christlichen Glauben vereinbar. Zentraler Bestandteil des Glaubens ist die bleibende Solidarität zwischen Lebenden und Toten. Auf diesem Hintergrund ist die Zunahme der Anzahl anonymer Bestattungen, bei denen weder eine Bekanntgabe des Zeitpunkts der Bestattung noch der Begräbnisstätte erfolgt, noch eine religiöse Zeremonie, kritisch zu beurteilen (29). Kritisch beurteilt die Kirche auch die sogenannte „Seebestattung", wenn sie beide Formen auch nicht verbietet. Vermutlich sind pantheistisch-romantische Lebensauffassungen der Grund für diese Bestattungsform (46). Problematisch an den anonymen Bestattungen ist die Verhinderung der Trauerarbeit und des Totengedenkens an einem bestimmten Ort. Trauer wird sozusagen „ortlos". Vor allem jedoch wird der Umgang mit den Toten zur Beseitigung und „Entsorgung" der Leichen, das Leben der Vorfahren bleibt namenlos, Geschichtslosigkeit greift um sich. „Es ist mit eine Aufgabe der Kultur unseres Volkes, sichtbare Zeichen des Gedenkens zu schaffen" (47). Anonyme Bestattungen löschen das Gedächtnis der Toten vorzeitig aus, verweigern die Solidarität mit den Toten. Sie widersprechen dem christlichen Gedanken von der Würde des Menschen als Ebenbild Gottes (47).

Auch unabhängig von der Frage der Bestattung weist der Umgang mit den Toten nicht immer die menschlich und christlich gebotene Pietät auf. Wenn beispielsweise Neubauten von Kliniken und Altenheimen keine Räume mehr einplanen zur Aufbahrung und Verabschiedung, haben die Toten keinen Platz mehr unter den Lebenden (41).

3. Trauerbegleitung als menschliche und christliche Aufgabe

Die christliche Gemeinde ist zum geschwisterlichen Engagement gegenüber den Lei-denden und Trauernden und zum prophetischen Widerstand gegen Todesverdrängung und Todesverherrlichung aufgerufen (55).

Die weitgehende Verleugnung des Todes und die fehlende Erfahrung der unmittelbaren Begegnung mit Sterben und Tod macht es für Trauernde besonders schwer, mit dem Verlust des ihnen nahestehenden Menschen leben zu lernen (48). Dies kann dazu führen, daß nichtbewältigte Ängste und Schuldgefühle lange weiterwirken. Das unsichere Trauerverhalten (keine Trauerkleidung, keine Beileidsbezeugungen am Grab, sofortige Rückkehr in den Arbeitsprozeß) läßt auf eine „Unfähigkeit zu trauern" (49) schließen.

Das christliche Begräbnisritual möchte den Trauernden nicht nur Stütze und Trost geben, sondern auch Mahnung sein zum Bedenken des Lebens im Angesicht des Todes (49). Der Ermöglichung von Trauer müssen Pastoral und Liturgie zukünftig mehr Aufmerksamkeit widmen. Zwar ist die Liturgie die Mitte christlicher Trauer, notwendig ist jedoch eine Neubesinnung auf den Zusammenhang von Liturgie und Diakonie. Dies bedeutet, daß die Gemeinden und einzelne Christen zur Übernahme konkreter Dienste, wie Sterbebegleitung oder Trauerbesuche bereit sein und für sie vorbereitet werden sollten (50). Der Trauernde bedarf des Beistandes durch Menschen, die Trauerhilfe und Trauerbegleitung leisten (50). Jeder Christ ist hierzu aufgerufen.

4. Folgerungen und Anregungen für das pastorale Handeln

Jede Gemeinde sollte ihre Möglichkeiten bedenken, wie sie ihre Sorge für die Toten und Hinterbliebenen intensiver gestalten kann. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Berufszweigen wie auch die ökumenische Zusammenarbeit. Die Fragen der Sorge um die Toten und der Trauerbegleitung müßten in der Aus- und Fortbildung der Priester und kirchlichen Mitarbeiter intensiver behandelt werden (70).

Unter vielen Christen scheint die Auferstehungshoffnung als zentraler Inhalt christlichen Glaubens ihre Bedeutsamkeit eingebüßt zu haben (53). Eine intensivere Auseinandersetzung der mit Sterben und Tod zusammenhängenden Fragen ist daher notwendig. Dabei ist auch manche spiritualistische Vorstellung zu korrigieren, als bestehe der auferweckte Mensch lediglich aus einer Seele. Nicht der Himmel als Ort seliger Geister, sondern die neue Welt und die neue Schöpfung sind Ziel gläubiger Erwartung (54).

Die Begräbnisfeier ist auch ein Anlaß für die christliche Verkündigung. In ihr ist nach Möglichkeit die Situation des Verstorbenen, der Angehörigen und der Anwesenden zu berücksichtigen (54). Zu vermeiden ist alles, was einen weiteren Verfall der Bestat-tungs- und Trauerkultur zusätzlich verstärkt wie unpersönliche Routine, Mißachtung der Bedeutsamkeit der Riten, anonymer Umgang mit den Toten wie auch mit den Hinterbliebenen (70). In der Sorge für fernstehende Angehörige oder Verstorbene ist es wichtig, die Sprache von Liturgie und Verkündigung auf diese Situation abzustimmen (51). Der Text nennt weitere Anregungen für die Gestaltung von Begräbnisfeiern (54, 55).

Darüber hinaus ist zu überlegen, wie der Friedhof wieder verstärkt zu einer Stätte der Verkündigung werden kann. Angesichts der gegenwärtigen Pluralität von Deutungen des Todes (58) kann der Friedhof als Stätte des christlichen Verständnisses von Tod und Auferstehung Trost und Hoffnung geben (60).

Die pastorale Trauerbegleitung kommt in den Gemeinden aus den verschiedensten Gründen häufig zu kurz. Aufgabe der ganzen Gemeinde ist es, den hauptamtlichen Seelsorger zu unterstützen und zu entlasten. (62).

„Ob es gelingen wird, in unserer Gesellschaft die genannten Anliegen zu wahren bzw. neu zu beleben, hängt entscheidend ab von der Bewußtwerdung der Situation, von einer ehrlichen Überprüfung und entschiedenen Neuorientierung der kirchlichen Praxis, vom Austausch und einer verständnisvollen Kooperation zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und Institutionen." (70)

Zu einigen Einzelfragen:
Die Frage, ob in begründeten Einzelfällen aus der Kirche Ausgetretene kirchlich bestattet werden können, ist differenziert und je konkret zu beantworten (66ff.). Zum einen ist die Entscheidung des Verstorbenen zum Kirchenaustritt zu respektieren, mit der er sich von der kirchlichen Gemeinschaft losgesagt hat. Außerdem sind seine Motive zum Kirchenaustritt und eventuelle Anzeichen der Reue zu berücksichtigen. Auch spielt die Frage eine Rolle, inwieweit die Bestattung oder auch Verweigerung der Bestattung ein Ärgernis für die Gemeinde darstellt. Drei abgestufte Formen der kirchlichen Mitwirkung, je nach Nähe des Verstorbenen zur Kirche, sind denkbar. Wenn kein kirchliches Begräbnis möglich ist, kann gegebenenfalls dennoch ein Seelsorger am Begräbnis teilnehmen und ein Gebet sprechen.

In der Praxis der Seelsorge kommt es vor, daß für verstorbene Nicht-Katholiken die Mitwirkung der Kirche bei der Bestattung erbeten wird. Das Kirchenrecht erlaubt unter bestimmten Bedingungen ein kirchliches Begräbnis. Dem Wunsch der Hinterbliebenen sollte auch aus Gründen der christlichen Nächstenliebe entsprochen werden (69).

In Suizidfällen bedürfen die Angehörigen der besonderen Zuwendung der Mitmenschen der christlichen Gemeinde. Die im alten kirchlichen Gesetzbuch von 1917 vorgeschriebene Verweigerung des Begräbnisses für Selbstmörder besteht nicht mehr (63).

Auf den Wunsch von Eltern totgeborener Kinder sollte eine Bestattung in Würde möglich sein, damit sie nicht einfach nur „beseitigt" werden. In diesem Sinn wäre eine Änderung des Personenstandsgesetzes wünschenswert (33).


Hinweis:

Der Text liegt als Broschüre vor: „Unsere Sorge um die Toten und die Hinterbliebenen. Bestattungskultur und Trauerbegleitung aus christlicher Sicht" = Die deutschen Bischöfe Nr. 53, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1994. Sie können die Broschüre in der Rubrik Publikationen herunterladen.

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