| Pressemeldung

Umnutzung von Kirchen Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen

Statement des Vorsitzenden der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Joachim Kardinal Meisner, am 17.11.2003 in Köln

1. Entstehung der Handreichung
Im Rahmen eines Studientages zum Thema Liturgie haben sich die deutschen Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung 2002 auch mit Fragen der Nutzung und Erhaltung von Kirchengebäuden befasst. Dass diesem Thema in jüngerer Zeit eine besondere Aktualität und Brisanz zugewachsen ist, hat mehrere Ursachen. Ich nenne stichwortartig die demografische Entwicklung in unserem Land und die Auswirkungen einer zunehmenden Säkularisierung auf alle Lebensbereiche, sowie - auf kirchlicher Seite - den rückläufigen Gottesdienstbesuch, den Priestermangel und die Bildung von Seelsorgeeinheiten. Die zurückgehenden Kirchensteuermittel spielen in diesem Zusammenhang eine nicht unbedeutende Rolle, bedenkt man die enormen finanziellen Lasten, die mit einer angemessenen Bewahrung des Bestandes an Kirchengebäuden verbunden sind (Mittelalter - Säkularisation, Entvölkerung der Innenstädte).

Nachdem das Thema bereits in den Beratungen der Arbeitsgruppe "Kirchliche Architektur und sakrale Kunst" (AKASK) eine Rolle gespielt hatte, wurde von der Liturgiekommission der deutschen Bischofskonferenz im Oktober 2002 eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt, der Experten aus dem Kreis der Diözesanbaumeister, Liturgiewissenschaftler und Kunstgeschichtler angehörten.(1) Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, einen Kriterienkatalog für das Vorgehen bei der Umnutzung von Kirchenräumen zu erstellen. Zielgruppe für diese "Orientierungshilfe" sollten zunächst die Bischöfe sein, dann aber auch alle diözesanen, regionalen oder gemeindlichen Verantwortlichen, die mit Fragen der Umnutzung von Kirchenräumen befasst werden. Für den Fall der Profanierung einer Kirche wurde ein eigener Ritus erarbeitet, der der Handreichung beigefügt ist.

Nach Beratung der Ergebnisse durch die Liturgiekommission und den Ständigen Rat wurde die vorliegende Handreichung am 24.09.2003 von der Herbst-Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz beschlossen.

2. Inhalt der Handreichung
Die Einführung verweist auf den besonderen Charakter einer Kirche, der vor allem dadurch zum Ausdruck kommt, dass jede Kirche in einer eigenen liturgischen Feier geweiht wird. Eine Kirche ist nicht nur ein Gebäude wie jedes andere, sondern als "Haus Gottes und der Menschen" ein "steinernes Glaubenszeugnis", ein sichtbares Zeichen christlicher Identität, ein Stück Heimat für die Gläubigen. Ein Heiligtum!

Das erste Kapitel ist eine Problemskizze, die auf Veränderungen im kirchlichen und gesellschaftlichen Bereich eingeht und auch auf die derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen hinweist.

Das zweite Kapitel beschreibt Kirchenräume und Kirchengebäude nach ihrer inneren Orientierung als Orte des Heiligen, vielfältiger Gottesdienste, individueller Frömmigkeit und religiöser Tradition und nach ihrer äußeren Orientierung als Orte kirchlicher Präsenz, der Identität von Einzelnen und Gruppen einer ganzen Stadt, einer anderen Wirklichkeitserfahrung sowie als Orte von Kunst und Geschichte.

Das dritte Kapitel benennt das öffentliche Interesse an Kirchengebäuden von Seiten des Staates, der Länder und der Kommunen unter dem Aspekt der Denkmalpflege und der Bewahrung des kulturellen Erbes. Dabei wird empfohlen, die Partnerschaft zwischen Kirche und Denkmalpflege zu fördern und gemeinsame Foren einzurichten, um den Dialog auszubauen.

Das vierte Kapitel nennt Grundsätze für eine Abwägung für den Fall, dass Fragen der Nutzungserweiterung, der Umnutzung oder der Profanierung von Kirchen zu bedenken sind.

Dabei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen:

Kirchlich-liturgische: Wegen ihrer besonderen Bedeutung insbesondere im dörflichen Bereich sollen Kirchen als zentrale Bauten erhalten bleiben. Der Erhalt durch Umnutzung ist dem Abbruch vorzuziehen, der immer nur "ultima ratio" sein kann. Vorrangig ist die Suche nach einer weiteren liturgischen Nutzung durch die eigene Kirche oder andere christliche Kirchen und kirchliche Gemeinschaften.Baulich-nutzungstechnische: Da Kirchengebäude in der Regel über eine solide Bausubstanz verfügen, sollen Maßnahmen für neue Nutzungen möglichst reversibel gestaltet werden, damit eine spätere Rückführung zum ursprünglichen Bestimmung möglich bleibt. Darüber hinaus sollen Umnutzungsmaßnahmen nicht überstürzt durchgeführt werden: Die Konservierung einer Kirche schafft eine angemessene Bedenkzeit, um alle bestehenden Möglichkeiten auszuloten. Bei Abriss und Neubau soll eine Kontinuität dadurch geschaffen werden, dass der Neubau auf den Resten des Vorgängerbaues errichtet wird.Das fünfte Kapitel nennt vier grundsätzliche Optionen:
Das Kirchengebäude bleibt im kirchlichen Eigentum, seine liturgische Nutzung bleibt erhalten, wird aber verändert. Hier ist an Nutzungspartnerschaften (Konzerte, Ausstellungen), Nutzungsübereignungen (orthodoxe Gemeinden), besondere (City-, Personalgemeinde) oder eingeschränkte (Werktagskapelle) liturgische Nutzungen zu denken.Das Kirchengebäude bleibt in kirchlichem Eigentum, seine liturgische Nutzung wird aber beendet. Hier ist darauf zu achten, dass die neue Nutzung dem Charakter des Gebäudes nicht widerspricht.Das Kirchengebäude wird verkauft. Hier ist zu bedenken, dass eine kultische Nutzung durch nichtchristliche Religionsgemeinschaften (Islam, Sekten) wegen der Symbolwirkung einer solchen Maßnahme nicht möglich ist.Das Kirchengebäude wird abgerissen. Diese Möglichkeit stellt die "ultima ratio" dar, die aber im Einzelfall geboten sein kann. Das Grundstück kann für kirchliche oder öffentliche Zwecke genutzt werden und sollte durch einen entsprechenden Hinweis an die frühere Kirche erinnern.Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit praktischen Überlegungen wie die Einbeziehung der zuständigen diözesanen Gremien, Datenerhebung und Objektbeschreibung, Verfahrensschritte und Finanzierungsaspekte.
Im siebten Kapitel wird auf rechtliche Belange verwiesen, die beim Abschluss der verschieden Vertragsmöglichkeiten beachtet werden müssen.
In der vorliegenden Handreichung werden Kriterien zur Beurteilung der jeweiligen Situation angeboten und Empfehlungen für ausgewogene und verantwortungsbewusste Entscheidungen gegeben. Wir sind uns jedoch bewusst, dass die Entscheidungen immer konkret sind und von den jeweils Zuständigen getroffen werden müssen.
(1)   Der Arbeitsgruppe gehörten an: Weihbischof Wolfgang Weider (Berlin), Prälat Heinz Heckwolf (Mainz), Prof. Dr. Franz Kohlschein (Bamberg), Dipl.-Ing. Wolfgang Lukassek (Erfurt; Vorsitzender), Prof. DDr. Thomas Sternberg (Münster), Artur Waibel (Trier; Sekretär), Dr. Walter Zahner (Regensburg).

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