| Pressemeldung | Nr. 115

Studie „Wen kümmert die Sorgearbeit? Gerechte Arbeitsplätze in Privathaushalten“

Viele Familien in westlichen Ländern sehen sich immer weniger in der Lage, die Pflege- und Reinigungsarbeiten, die in den Haushalten anfallen, ohne Unterstützung von außen zu erledigen. Eine Antwort auf diese „Sorgelücke“ ist die schnell wachsende Zahl von Beschäftigten in Privathaushalten. Meist wird diese Haushaltsarbeit von Frauen übernommen, oft handelt es sich um Migrantinnen. Sie arbeiten häufig „schwarz“ oder in der faktischen Schutzlosigkeit von „Menschen ohne Papiere“.

Eine unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Emunds (Frankfurt am Main) erarbeitete Studie der interdisziplinären Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ hat im Auftrag der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz die Ursachen und Folgen untersucht, die mit diesen Arbeitsverhältnissen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie für die Herkunfts- und Zielländer der transnationalen Haushaltsarbeiter(innen) verbunden sind. Sie hat außerdem Handlungsempfehlungen für eine gerechte und humane Organisation dieser Tätigkeiten erarbeitet.

Die Expertise mit dem Titel „Wen kümmert die Sorgearbeit? Gerechte Arbeitsplätze in Privathaushalten“ wurde heute in der Katholischen Akademie in Berlin vorgestellt und bei einer Fachtagung mit Vertretern von Kirche und Caritas, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik diskutiert.

Die Studie hält politische Weichenstellungen zur Schließung der entstandenen „Sorgelücke“ für dringend erforderlich. Dabei sei der Ausbau haushaltsbezogener Dienstleitungen zwar als ein Teil der Lösung zu betrachten, jedoch nicht ausreichend. Genauso wichtig sei es, dass die erwachsenen Haushaltsmitglieder selbst in die Lage versetzt werden, Sorgearbeit zu leisten, wobei jedoch keineswegs überholte Rollenbilder wiederbelebt werden sollten. Stattdessen fordern die Experten grundlegende Änderungen im Bereich der Erwerbsarbeit. Notwendig sei vor allem ein Zeitregime, das beiden Partnern die Ausübung ihres Berufes und die Beteiligung an der Sorgearbeit ermögliche. Dies sei nicht einfach ein individuelles Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern müsse als gesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), unterstützte die Forderung der Experten, den „Sorgearbeiten“ einen angemessenen Stellenwert einzuräumen und sie in ihrer elementaren Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft anzuerkennen: „Nur eine Gesellschaft, die den sorgenden Tätigkeiten einen zentralen Stellenwert zumisst, die sich also auch selbst als eine ‚sorgende‘ und nicht nur als eine ‚arbeitende‘ versteht, kann eine Zukunft haben. Sonst lebt sie auf Kosten ihres menschlichen Potentials und zehrt ihre Existenzgrundlagen auf.“ Eine höhere Bewertung der sorgenden Tätigkeiten werde sich auch positiv auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Haushaltsarbeiterinnen auswirken.

Angesichts von Arbeitsbedingungen der Sorgearbeiterinnen, die weit unterhalb hiesiger arbeitsrechtlicher Standards liegen, stellte Erzbischof Schick die Frage: „Wie können wir die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen und elementare Arbeiten für uns verrichten, an dem teilhaben lassen, was wir unter ‚guter Arbeit‘ verstehen?“ Die Deutsche Bischofskonferenz wolle die Vorschläge der Studie beraten und prüfen, wie die Kirche die Prozesse hin zu guter und gerechter „Sorgearbeit“ insgesamt weiter begleiten und unterstützen könne.

Ein Focus der Studie liegt auf den internationalen Bezügen des Themas. „Mit der Migration exportieren die Staaten gewissermaßen Sorgearbeit in reichere Ländern, so dass zum Teil nun bei ihnen größere Versorgungsdefizite entstehen“, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Emunds. Oft trage außerdem die aufnehmende Gesellschaft nicht zum Aufbau oder Erhalt des Arbeitsvermögens der Haushaltsarbeiterinnen bei. Stattdessen müssten die Kosten dafür, wie schon für die Ausbildung der häufig überqualifizierten Haushaltsarbeiterinnen, von den Herkunftsgesellschaften getragen werden.

Mit Blick auf die Rolle der Kirchen weist die Studie auf die Notwendigkeit hin, die transnationalen Arbeiterinnen rechtlich und sozial zu beraten. Auch die Gewissensbildung der Arbeitgeber und Informationsangebote zu deren rechtlichen Pflichten seien Aufgaben der Kirchen. Diese sollten jedoch ihre Aktivitäten der persönlichen Beratung und individuellen Unterstützung mit politischem Engagement verbinden. Dazu böten die Prozesse der Umsetzung der Konvention der Internationalen Arbeitsagentur über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte (2011), die 2013 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde, eine gute Gelegenheit. Vor allem sollten die Kirchen die nationalen Berichte, die in diesem Zusammenhang abzugeben seien, kritisch begleiten.


Hinweis:

Die Statements von Erzbischof Dr. Ludwig Schick und von Prof. Dr. Bernhard Emunds sowie die Studie finden Sie untenstehend als pdf-Dateien zum Herunterladen.

Die Studie kann in der Rubrik Publikationen als Broschüre bestellt oder auch als Datei heruntergeladen werden.

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