| Pressemeldung

Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Rückführung von Flüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina

Die deutschen Bischöfe verfolgen aufmerksam und mit Sorge die Diskussion um die Rückkehr der Kriegsflüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina.

Ausdrücklich und mit Anerkennung stellen wir fest, daß die Bundesrepublik Deutschland angesichts der Tragödie von Krieg, Vertreibung, Verfolgung und Flucht in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien die meisten Flüchtlinge aufgenommen und damit ein überzeugendes Zeichen der Solidarität gegeben hat. Allen, die an der Bewältigung dieser großen Aufgabe mitgewirkt haben und weiter mitarbeiten, schulden wir Dank. Sie haben einen unverzichtbaren Friedensdienst getan und leisten ihn noch heute.

Angesichts der aktuellen Diskussion weisen wir zur Klärung auf folgende Aspekte hin:
1.    Wir sind immer davon ausgegangen, daß Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge für die Dauer der Bedrohung in unserem Land Schutz finden; daß sie aber in ihre Heimat zurückkehren, sobald und soweit dies in Sicherheit für Leib und Leben geschehen kann und menschlich zumutbar ist, d.h. auch eine realistische Lebensperspektive eröffnet. Dieser Grundsatz ist ausdrücklich in Erinnerung zu halten, weil davon auch die Akzeptanz von Flüchtlingen in unserem Land auf Zukunft hin abhängt.

2.    Die Situation in den verschiedenen Orten und Regionen von Bosnien-Herzegowina ist höchst unterschiedlich und stellt sich auch für die einzelnen Flüchtlinge und Flüchtlingsgruppen verschieden dar. Darum halten wir einen differenzierten Umgang in der öffentlichen Diskussion, in der Beurteilung der Situation und in der Praxis der Rückführung für unbedingt notwendig. Wir bedauern, daß diese Differenzierung oft fehlt und daß häufig Vorurteile das Verhalten bestimmen.

3.    Wir begrüßen, daß die Innenministerkonferenz eine differenzierte Beurteilung der Flüchtlinge aus der Serbischen Republik in Aussicht stellt. Es kommt jetzt entscheidend darauf an, daß diese differenzierte Sicht auch auf der Länderebene umgesetzt wird.
    Es ist unangemessen, Flüchtlinge, die nicht zurückkehren können, mit Abschiebeandrohung zu belegen. Das erzeugt eine oft unerträgliche Verunsicherung und führt in der Regel zum Verlust des Arbeitsplatzes.

4.    In Übereinstimmung mit dem Päpstlichen Rat „Cor Unum“ und dem Päpstlichen Rat für die Migranten halten wir an der Vorrangigkeit des Prinzips der freiwilligen Rückkehr in Sicherheit und Würde fest. Voraussetzung ist, daß die Flüchtlinge wissen, wohin sie zurückkehren können und daß die Wohnungs- und Eigentumsverhältnisse geklärt werden.

5.    Anders als die militärischen Vereinbarungen des Dayton-Abkommens, die weithin verwirklicht sind, steht die Umsetzung der Bestimmungen für den zivilen Bereich mehr als ein Jahr nach der Vertragsunterzeichnung immer noch aus. Dringend erscheint in diesem Zusammenhang vor allem die Lösung des Problems der Binnenflüchtlinge.
    Wir wissen uns in Übereinstimmung mit dem Heiligen Stuhl, der von Anfang an die Zielsetzung eines multi-ethnischen Bosnien-Herzegowina befürwortet und gefördert hat.
    Für eine behutsame Rückführung der Flüchtlinge in die Heimat sind die Einhaltung der Menschenrechte und die Zumutbarkeit der dortigen Lebenssituation entscheidende Kriterien. Für rückkehrende Flüchtlinge muß Gefahr für Leib und Leben ausgeschlossen sein. Eine Destabilisierung des Friedensprozesses und eine weitere ethnische Trennung müssen vermieden werden. Bei der Entscheidung über eine Rückführung sind der Herkunftsort, die Religion, die ethnische Zugehörigkeit sowie der Beruf der Betroffenen als maßgebliche Kriterien zu berücksichtigen.

6.    Die Rückführung der Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina ist ein vielschichtiger und langer Prozeß. Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land um Verständnis und Geduld. Daß die Rückkehr der Flüchtlinge gelingt, ist selbst ein Friedensdienst.
    Um der Ehrlichkeit willen müssen wir auch darauf hinweisen, daß es Gruppen und Flüchtlinge gibt, die auf absehbare Zeit oder auf Dauer nicht nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren können. Diese humanitären Härtefälle müssen angemessen behandelt werden.
    Die Rückführung von Flüchtlingen in größerem Umfang ist nur verantwortlich, und eine Dynamik der Rückkehr kann nur einsetzen, wenn es ein Minimum an Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit für eine einigermaßen realistische Lebensplanung gibt. Hierfür zu sorgen, ist Sache der Politik. Darum ist es dringend notwendig, daß in der Bundesrepublik Deutschland Außenpolitik und Innenpolitik eindeutig aufeinander abgestimmt sind und abgestimmt handeln. In Bosnien-Herzegowina müssen Rückkehr, Sicherheit und Wiederaufbau miteinander in Einklang gebracht werden.

7.    Es ist erforderlich, daß mit dem Schutz, den die SFOR-Kontingente gewährleisten, der Wiederaufbau von Wohnungen und Wirtschaft verbunden wird. Durch eine Ko-ordinierungsstelle vor Ort, die auch mit Entscheidungskompetenz ausgestattet ist, sollte dieser Prozeß gesteuert werden. Eine Förderung der Kantone und Kommunen sollte davon abhängig gemacht werden, ob diese sich kooperativ zeigen bei der Auf-nahme und Integration rückkehrender Flüchtlinge. Dabei muß die Förderung der ganzen Kommune gelten, nicht nur den zurückkehrenden Flüchtlingen.
    Nur in einer solchen koordinierten Politik wird den Verantwortlichen in Bosnien-Herzegowina deutlich werden, daß auch sie für den Wiederaufbau und die Aufnahme der rückkehrenden Flüchtlinge mitverantwortlich sind.
    Wir weisen in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen hin, die der Deutsche Caritasverband mit seiner Not- und Katastrophenhilfe beim Wiederaufbau, vor allem mit dem Schwerpunktprogramm „Dach über dem Kopf“ gemacht hat. Dieses Programm wird gemeinsam mit den lokalen Caritasverbänden vor Ort durchgeführt, vornehmlich in den Regionen Zenica, Tuzla, Vares und Mostar. Als entscheidend hat sich erwie¬sen, daß die Eigentumsverhältnisse klar sind und die Entscheidungen vor Ort gefällt werden.

8.    Positive Beispiele zeigen, daß die Rückkehr der Kriegsflüchtlinge nach Bosnien-Her-zegowina gelingen kann, wenn die differenzierten Bedingungen beachtet werden und eine zuverlässige Koordinierung gesichert ist.
    Die Rückkehr und Rückführung von Flüchtlingen bleibt, wie der Frieden selbst, eine große und dauerhafte Herausforderung.

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz