| Pressemeldung | Nr. 062a

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, beim Pressegespräch zur Initiative "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen" der Deutschen Bischofskonferenz am 13. September 2007 in Berlin

Vor einigen Jahren hat die Deutsche Bischofskonferenz die Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen wieder ins Leben gerufen. Die Bischöfe wollen damit die Aufmerksamkeit von Kirchengemeinden und Öffentlichkeit stärker auf die Situation jener Christen lenken, deren Menschenrechte – besonders das Recht der Religionsfreiheit – eingeschränkt und missachtet werden. Zu diesem Zweck wird jährlich eine Broschüre veröffentlicht, die vor allem über unsere Gemeinden öffentlich zugänglich gemacht werden soll, aber auch die gesamte Öffentlichkeit ansprechen möchte. In jedem Jahr steht eine andere Region im Vordergrund. Das Heft, das wir heute veröffentlichen, befasst sich mit der Situation in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens.

I.
Lassen Sie mich in aller Kürze einige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema »Christenverfolgung« machen. Mit diesem Wort verbinden sich bei vielen ja eher Erinnerungen an die Geschichte: an die Steinigung des Stephanus, über die die Apostelgeschichte berichtet (Apg 6,1–8,2); an die Verfolgung unter römischen Kaisern, bevor das Christentum zur offiziell anerkannten Religion des Imperiums wurde; dann aber auch an das 20. Jahrhundert, in dem eine große Zahl von Christen unter Nationalsozialisten und Kommunisten Unrecht und nicht selten sogar den Tod erdulden musste. Wer sich Berichte aus der letzten Zeit vor Augen hält, kommt jedoch nicht um die Feststellung herum, dass es auch in unseren Tagen an vielen Orten gefährlich ist und mit einem hohen Preis verbunden sein kann, sich zum Christentum und seinen Werten zu bekennen und als Christ zu leben. Diese Aktualität von Christenverfolgung wird oft übersehen, manchmal auch verdrängt.
Nach wie vor gibt es eine Reihe spätkommunistischer Staaten, in denen der christliche Glaube (wie auch andere Religionen) als Form eines falschen oder überholten Bewusstseins angesehen wird und als Hindernis für eine wirkliche Befreiung gilt. Gläubige werden dort gesellschaftlich diskriminiert, oft in ihren bürgerlichen Rechten beschnitten, manchmal sogar offen verfolgt. Die Kirche, die sich dem totalitären Staats- und Gesellschaftsverständnis widersetzt, wird in ihrer Freiheit so weit wie möglich eingeschränkt. Ich denke an die nach wie vor bedrückende Situation in der Volksrepublik China, in Nord-Korea oder auch in Vietnam, worüber wir schon gesprochen haben.

Bei einer Bestandsaufnahme dürfen auch jene Länder nicht übersehen werden, in denen das religiöse Bekenntnis zwar grundsätzlich geachtet wird, Christen jedoch, die sich mutig für die Menschenrechte einsetzen und mit der „Option für die Armen“ Ernst machen, an Leib und Leben bedroht werden. Manchmal geht diese Gewalt von Regierungen aus, öfter aber von privaten Gruppen, die den Verlust ihrer Privilegien fürchten. Diese Art von Christen- und Kirchenverfolgung ist vor allem aus Lateinamerika bekannt, wo die Kirche sich in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils konsequent aus den Verstrickungen mit der Macht zu lösen gesucht hat und dafür unter Bischöfen und Priestern, genauso aber auch unter engagierten Laien einen hohen Blutzoll entrichtet hat.

Angewachsen ist in den letzten Jahren vor allem die Bedrohung von Kirchen und Christen in manchen islamisch geprägten Ländern. Hier macht sich ein erstarkender religiöser Fundamentalismus bemerkbar, der aus dem Wahrheitsanspruch der eigenen Religion einen alleinigen und absoluten Geltungsanspruch in Gesellschaft und Staat ableitet. Islamische Fundamentalismen haben in einigen Ländern auf staatlicher Ebene großen Einfluss gewonnen, sodass Christen oftmals durch gesetzliche Diskriminierung zu Bürgern niederen Ranges herabgestuft und an der Ausübung ihres Rechtes auf Religionsfreiheit gehindert werden. Ich verweise auf Länder wie den (Nord-)Sudan oder den Iran, wo gemäß den Strafgesetzbüchern Muslimen, die zum Christentum konvertieren, sogar die Todesstrafe droht. Nicht-muslimischen Bürgern wird die Ausübung ihrer Religion sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Ähnlich Besorgnis erregend ist die Situation der Christen in einigen nördlichen Bundesstaaten Nigerias, wo vor einigen Jahren die Scharia als staatliches Recht eingeführt wurde. In Saudi-Arabien existiert überhaupt keine Religionsfreiheit. Die sunnitische Ausprägung des Islams ist Staatsreligion, andere Religionen dürfen öffentlich nicht praktiziert werden.

II.
Die Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz – es ist die Nr. 210 mit dem Titel Naher Osten –, die wir heute der Öffentlichkeit vorstellen, setzt sich mit der Lage der Christen im Vorderen Orient auseinander. Exemplarisch wird die Situation in Ägypten, im Irak und im Heiligen Land in den Blick genommen.

Schon ein kurzer Blick auf die sehr unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, mit denen die Christen in diesen Ländern konfrontiert sind, macht jedoch deutlich, dass sich eine generalisierende Charakterisierung und eine pauschale Beurteilung der Situation im Nahen Osten verbieten.

Im Irak leiden die Christen unter dem Chaos, das sich in der Folge der Invasion von 2003 ausgebreitet und zunehmend bürgerkriegsartige Züge angenommen hat, insbesondere unter der Gewalt islamistischer Terroristen. Zudem schreitet in der Gesellschaft eine Islamisierung voran, die Freiheit und Anerkennung der Christen immer weiter aushöhlt. Zusehends wird deutlich, dass die ohnehin sehr kleine christliche Minderheit – es handelt sich zurzeit noch um gut 2 Prozent der Gesamtbevölkerung – dieser Situation nicht lange wird standhalten können. Immer mehr Christen verlassen das Land. Bereits jetzt stellen die Christen 20 Prozent der irakischen Flüchtlinge, die im benachbarten Syrien Schutz suchen.
Die meisten Christen im Irak sind Chaldäer, d. h. sie gehören dem mit Rom verbundenen Teil der ost-syrischen Kirche des Ostens an. Ich freue mich deshalb, dass wir den Delegaten der Chaldäer in Deutschland, Pfarrer Peter Patto, für unser heutiges Pressegespräch gewinnen konnten. Er selbst ist Iraker und mit der Lage der Christen dort bestens vertraut. Pfarrer Patto wird uns nähere Informationen geben.

Ganz anders als im Irak stellt sich die Lage in Ägypten dar, wo die vor allem aus Kopten bestehende christliche Minderheit ca. 10 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Hier bestimmen subtile Ausgrenzung und Benachteiligung das Bild. Aufgrund einer islamisch geprägten Gesetzgebung und einer Christen gegenüber unfreundlichen politischen Praxis werden Christen aus vielen Bereichen des öffentlichen Lebens herausgedrängt. Kommunalbehörden stellen Kirchengemeinden Dienstleistungen in Rechnung, die Moscheegemeinden nicht bezahlen müssen. Im Parlament wie in vielen öffentlichen Einrichtungen sind Christen kaum repräsentiert. Vielleicht noch gewichtiger ist das gesellschaftliche Klima, das von den Christen als gesellschaftliche Ausgrenzung empfunden wird und sie veranlasst, im Alltag möglichst unauffällig aufzutreten. Mit dieser still ertragenen Benachteiligung durch die Mehrheitsgesellschaft verbindet sich ein Rückzug in den schützenden Binnenraum der christlichen Gemeinden und der kirchlichen Einrichtungen.

Für eine solche Minderheitenkirche ist es von großer Bedeutung, dass die Kirchen in Europa immer wieder das Signal aussenden: „Ihr seid nicht vergessen! Wir wissen um Eure Lage. Wir bringen eure Sorgen auch bei uns zu Hause zu Gehör.“ Unter diesen Vorzeichen stand auch die vor einigen Monaten durchgeführte Reise einer ökumenischen Delegation der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Ägypten und in den Libanon (23. bis 29. Juni 2007). In den zahlreichen Begegnungen und Gesprächen vor Ort konnten sich die Delegationsmitglieder ein Bild vom Leben der Christen machen und sie des Beistands der Christen in Deutschland versichern. Zugleich zeigte die ökumenische Ausrichtung der Reise, dass es uns nicht um die Interessen und Rechte einzelner Konfessionen geht. Das Eintreten für bedrängte Glaubensgeschwister ist eine Aufgabe aller Christen.

Ein viel beachtetes Zeichen der Solidarität war auch die Pilgerreise des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz ins Heilige Land (26. Februar bis 4. März 2007). Alle deutschen Diözesen waren bei dieser Reise vertreten, fast alle durch den Ortsbischof. Es war das erste Mal, dass wir eine solche gemeinsame Aktivität im Ausland unternommen haben. In erster Linie waren wir als Pilger zu den historischen Orten des biblischen und zumal des christlichen Glaubens unterwegs. Ebenso wichtig wie der Besuch heiliger Stätten waren für uns aber die Begegnungen und das Gespräch mit den Vertretern der Kirchen und mit den christlichen Gemeinden vor Ort. Wir wollten damit unserer Verbundenheit mit den Christen im Heiligen Land Ausdruck geben - einer Minderheit von nur knapp zwei Prozent der Bevölkerung, die in besonderer Weise zum Opfer der anhaltenden politischen Krise geworden ist. Erneut bestätigt sich hier die Erfahrung, dass Minoritäten ihre gesellschaftliche Randlage in Zeiten gewalttätiger Konflikte noch stärker erleben als sonst. In Israel sind die Christen wegen ihres Glaubens und als Araber in einer doppelten Minderheitenposition. In den palästinensischen Gebieten werden sie immer stärker durch einen wachsenden Islamismus herausgefordert. Nach wie vor bedrückend ist die hohe Zahl derer, die das Land verlassen, weil sie für sich und ihre Kinder keine Perspektiven mehr sehen.

Dennoch: Man kann im Heiligen Land auch heute noch einem sehr regen kirchlichen Leben begegnen. Gerade die Katholische Kirche zeichnet sich nicht nur durch ihr gottesdienstliches Leben, sondern ebenso durch ihre soziale Arbeit und ihre Schulen aus. Manches kirchliche Projekt wird sogar unmittelbar im Schatten der Grenzanlagen durchgeführt. Durch ihre Arbeit leistet die Kirche einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in Israel und in Palästina und trägt auch zur Entspannung der Verhältnisse bei.

Die Kirche in Deutschland wird die Christen im Heiligen Land auch weiterhin unterstützen. Neben der materiellen Hilfe fühlen wir uns auch zum beständigen Eintreten für einen gerechten Frieden in der Region verpflichtet, nach dem sich die meisten Israelis und Palästinenser, Juden, Muslime und Christen sehnen. Wir wollen dazu beitragen, dass die Gläubigen aller Religionsgemeinschaften friedlich zusammenleben und Christen in der Ursprungsregion unseres Glaubens eine Zukunft haben. Das Heilige Land darf kein Freilicht-Museum des Christentums werden.

Diese wenigen Schlaglichter zeigen, wie unterschiedlich sich die Lage der Christen im Nahen Osten darstellt. Generell aber gilt, dass sie unter Druck stehen und deshalb viele ihre Heimatländer verlassen wollen. Die ältesten christlichen Gemeinden stehen mancherorts vor dem Aus. Ohne die Solidarität und die Unterstützung der Schwesterkirchen im Ausland können die Christen in dieser Region mittelfristig nicht überleben. Solidarität bedeutet für uns im Westen deshalb zum einen, die Glaubensgeschwister beim Gebet nicht zu vergessen und sie der Sorge Gottes anzuempfehlen. Solidarität meint aber auch, sie finanziell oder materiell zu unterstützen, wie dies durch die Arbeit der Hilfswerke und alljährlich durch die Kollekte in den Gottesdiensten am Palmsonntag geschieht. Nicht zuletzt heißt Solidarität, die Situation der Christen im Nahen Osten auch hierzulande immer wieder zur Sprache zu bringen. Die heute vorgestellte Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz will dazu einen Beitrag leisten (vgl. auch U. Steinbach [Hg.], Autochthone Christen im Nahen Osten. Zwischen Verfolgungsdruck und Auswanderung, Deutsches Orient Institut, Mitteilungen Band 75/2006, Hamburg 2006).

III.
Ich möchte abschließend noch einmal das Ziel benennen, das wir mit unserer Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen verfolgen: Wir wollen Öffentlichkeit herstellen, wir wollen Bewusstsein und Wahrnehmung verändern, und wir wollen schließlich einen Impuls für das Glaubensleben in unseren Gemeinden geben.

Die Zuwendung zu allen Bedrängten und Gedemütigten, gleich welcher Religion, ist den Christen bleibende Verpflichtung. Aber als Kirche in einem Land, in dem Christen überall in gesicherter Freiheit leben, sind wir auch verpflichtet, den eigenen Glaubensbrüdern und -schwestern, die um des Glaubens willen bedrängt werden, zur Seite zu stehen. Wenn wir zu dieser Solidarität nicht fähig wären, würden wir den eigenen Glauben verraten, und auch unsere allgemeine, universale Solidarität wäre schal.

Es gibt noch einen weiteren Grund, uns an die bedrängten Mitchristen zu erinnern: Sie können den Gläubigen in unserem Land helfen, sich von der Dramatik des Christlichen neu inspirieren zu lassen. Denn die um des Glaubens willen Verfolgten und Diskriminierten zeigen uns in besonderer Weise, was es heißt, als Christ zu leben und demjenigen nachzufolgen, der Ablehnung bis zum Tod erfahren hat. So gelangen wir in die Mitte des christlichen Glaubens, wie er in den Seligpreisungen bezeugt ist: „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,10).

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