| Pressemeldung | Nr. 084a

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann

beim Pressegespräch zur Lage in Darfur (Sudan) am 6. September 2005 in Bonn

Es gilt das gesprochene Wort!

Vor wenigen Tagen, am 31.08.2005, kam es im Sudan zu einem historischen Ereignis: Die ehemaligen Protagonisten des Bürgerkrieges, der den Sudan über 20 Jahre geißelte, trafen zu ihrer ersten gemeinsamen Parlamentssitzung zusammen. Dies ist ein Zeichen der Hoffnung: Der im Januar 2005 von der Regierung in Khartum und der „Sudan People's Liberation Movement“ (SPLM) unterzeichnete Friedensvertrag scheint Wirklichkeit zu werden. Mit diesem Vertrag wurde ein grausamer Bürgerkrieg beendet, der mehr als eine Million Menschen getötet und mindestens vier Millionen Sudanesen zu Flüchtlingen gemacht hat. Der Friedensvertrag scheint darüber hinaus auch zu politischen Rahmenbedingungen für ein dauerhaft gewaltfreies Miteinander der Menschen im Sudan führen zu können. Selbst der plötzliche Tod des langjährigen Führers des Südens und nunmehrigen Vizepräsidenten Dr. John Garang, der im vergangenen Monat mit einem Flugzeug abgestürzt ist, hat diesen Prozess nicht mehr aufhalten können. All das ist uns Anlass zur Hoffnung für den Sudan.

Die katholischen Bischöfe der Region haben mit mutigen Initiativen dazu beigetragen, Frieden und Versöhnung zu erreichen. Bei vielen Gelegenheiten haben sie sich immer wieder gegen die kriegsfördernde und religionsdiskriminierende Politik der Regierung in Khartum gestellt. Sie haben die christlichen Werte der Vergebung und Versöhnung und zugleich die Solidarität mit den Opfern gepredigt. Der nun wachsende Frieden zwischen Nord und Süd ist auch das Ergebnis langjähriger Arbeit der christlichen Kirchen und Gemeinschaften vor Ort.Von Frieden sind die Menschen in der westsudanesischen Region Darfur jedoch noch weit entfernt. Der humanitären Krise dort muss heute unsere Aufmerksamkeit gelten. Bereits im letzten Jahr habe ich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden der EKD, Herrn Bischof Prof. Dr.  Huber, auf die Darfur-Krise aufmerksam gemacht. Nach wie vor kommt es dort zu massiven Menschenrechtsverletzungen: zu Mordbrennerei, zu Massenvergewaltigungen und ethnischen Säuberungen. Auch Flüchtlingslager werden von den arabischen Reitermilizen der Janjaweed nicht verschont. Insgesamt wird die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen, die teils im Sudan, teils auf dem Staatsgebiet des angrenzenden Tschad leben, auf ca. 2 Millionen beziffert.
Laut Vereinten Nationen sind im Zuge der gewaltsamen Vertreibungen bisher bereits ca. 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Der Konflikt in Darfur hat im Gegensatz zum gerade beendeten Bürgerkrieg keine religiöse Komponente; Opfer und Täter sind Muslime. Vielmehr geht es um ökonomische Interessen und einen ethnischen Konflikt zwischen der arabischen Regierung und der schwarzen Bevölkerung in der Region. Die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung sind für Außenstehende oft nur schwer zu verstehen. Sicher scheint jedoch zu sein, dass der schwelende Konflikt zwischen nomadisch lebenden Arabern und sesshaften schwarzen Bauern von der Regierung in Khartum genutzt wurde, um in Darfur durch ethnische Säuberungen eine Arabisierung zu erreichen. Die paramilitärischen Einheiten der Janjaweed wurden von regulären Truppen unterstützt, um eine ethnisch homogene Region zu schaffen. Auf diese Weise sollen zugleich Autonomiebestrebungen bekämpft und eine stärkere Bindung der wahrscheinlich sehr ölreichen Provinz an den Norden verwirklicht werden. Der Regierung in Khartum geht es darum, den auseinander driftenden Staat Sudan mit allen Mitteln zusammenzuhalten und damit die eigene Macht zu sichern.Aufgrund der Vertreibungen, der systematischen Tötung der einheimischen Bevölkerung und der gezielten Unterversorgung der Region durch die Regierung sprechen viele – so auch der ehemalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell – von einem Genozid, der sich bewusst gegen die schwarze Bevölkerung richtet. Dennoch findet der Darfur-Konflikt in der internationalen Politik noch immer nicht jenes Interesse, das für die Linderung der Not so vieler Menschen unabdingbar wäre. China und Russland verfolgen energiepolitische Ziele und unterstützen deshalb die Zentralregierung. Auch die USA haben lange gezögert, sich deutlich für die Menschen in Darfur einzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Lichtblick, dass der UN-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag seit dem 31. März 2005 mit der völkerrechtlichen Strafverfolgung der Menschenrechtsverletzungen in Darfur beauftragt hat. Diese Entscheidung ist auch dem kontinuierlichen Einsatz deutscher Politiker zu verdanken. Wir nehmen mit großer Zustimmung wahr, dass sich die deutsche Politik – Regierung und Opposition – konstruktiv und im gegenseitigen Einvernehmen um eine konkrete und zügige Lösung der dramatischen Situation bemüht. Ich erneuere heute meinen im Juni 2004 gemeinsam mit Bischof Wolfgang Huber verfassten Appell an die Bundesregierung und an die Regierungen aller anderen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertretenen Staaten. Es ist dringend notwendig, dass sich alle „mit der gebotenen Dringlichkeit für die Beendigung des Konflikts sowie für die Schaffung eines freien Zugangs der Hilfsorganisationen in die Krisenregion einsetzen. Darüber hinaus sollte der Sicherheitsrat alle notwendigen Maßnahmen beschließen und unverzüglich einleiten, die zur sofortigen Wiederherstellung der Sicherheit in Darfur nötig sind und eine geschützte Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Dörfer ermöglichen.“ Die katastrophale humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern und in Darfur gebietet ein unverzügliches Handeln. Hier ist gerade auch der politische Wille der Afrikanischen Union gefordert, sich als friedensstiftende und humanitäre Kraft in Afrika zu beweisen.

Die Kirche in Deutschland hat die Situation der Not leidenden Menschen im Sudan stets mit großer Sorge begleitet. Über viele Jahre wurden pastorale und soziale Projekte unterstützt. Unsere Hilfswerke MISEREOR, CARITAS INTERNATIONAL und MISSIO leisten hier weiterhin einen wesentlichen Beitrag weltkirchlicher Solidarität. Daneben kommt aber auch den persönlichen Begegnungen und Besuchen zwischen Kirchenvertretern aus beiden Ländern große Bedeutung zu. Daher freut es mich besonders, dass ich heute gemeinsam mit meinen Mitbruder Msgr. Coudray, dem Apostolischen Präfekten der Prälatur Mongo, zu Ihnen sprechen kann. Die Region Mongo bildet die Grenzregion zum Sudan im Nachbarland Tschad. Msgr. Coudray wird gleich über die Lage der Flüchtlinge in seinem Sprengel berichten können.

Solche Situationsschilderungen von Augenzeugen sind gerade auch deshalb wichtig, weil es kaum Bilder aus der Konfliktregion gibt. Die Regierung in Khartum hat den Zugang von ausländischen Reportern und Hilfsorganisationen in die Region lange Zeit ganz verhindert. Sie behindert ihn immer noch. Wir hoffen, dass unser heutiges Pressegespräch dazu beitragen kann, den entrechteten und leidenden Menschen des Darfur Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen.

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