| Pressemeldung | Nr. 079d

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, beim Pressegespräch am 27. September 2006 in Fulda

„Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit. Ein Expertentext zur Herausforderung des globalen Klimawandels"

Es gilt das gesprochene Wort!

Die Menschheit und mit ihr alles Leben auf der Erde ist in hohem Maße von der Gunst des Klimas abhängig. Die Bibel, insbesondere das Alte Testament, weiß um die Bedeutung von Wetter, Witterung und Klima: „So lange die Erde besteht, sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (Gen 8,22). Die Bauern sind „um den Ackerboden besorgt; denn es fiel kein Regen im Land“ (Jer 14,4). Den Ägyptern vernichteten „Hagel statt Regen“ und „flammendes Feuer“ (Ps 105,32) die Ernten.

Mit Blick auf die Wetterextreme ist auch uns heute lebenden Menschen, die wir viel weniger als das Volk Israel unmittelbare Erfahrungen mit dem Wetter machen, sofort einsichtig, welche drastischen Konsequenzen aus extremen Wetterereignissen folgen: Wir kennen die Folgen von Dürren insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Wir haben gesehen, was kurzfristige Starkniederschläge an Überschwemmungen und damit an Zerstörungen auch bei uns mit sich bringen können. Und wir haben erleben müssen, welche verheerenden Folgen Hurrikans wie an den Küsten der Vereinigten Staaten sowie Lateinamerikas haben können.

Extreme Wetterereignisse sind eine Folge der globalen Klimaveränderungen, auf welche uns die Wissenschaft aufmerksam macht. Nun gehört der Wandel des Klimas zur Geschichte der Erde wie das Auf- und Untergehen von Sonne und Mond. Wir leben gegenwärtig in einer Warmzeit, die vor rund 12.000 Jahren begann. Davor hat es während 700.000 Jahren Erdgeschichte einen regelmäßigen Wechsel von Eis- und Warmzeiten gegeben. Die Geschichte unseres Planeten kennt kleine und große Eiszeiten ebenso wie Wärmeperioden. Flora und Fauna, und mit ihnen zuletzt auch der Mensch, haben Strategien gefunden, sich diesen Veränderungen anzupassen.

Gegenüber diesen langfristigen Klimaveränderungen haben wir es heute mit einer veränderten Situation zu tun. Die Veränderungen vollziehen sich – erdgeschichtlich gesehen – rasend schnell. Experten weisen nach, dass in den letzten 130 Jahren, seit Beginn der Industrialisierung, die gemessene globale Erwärmung höher ausgefallen ist als in den letzten 2.000 Jahren. Zugleich stieg in diesem Zeitraum die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre signifikant.

Die vorherrschende wissenschaftliche Auffassung besagt, dass der globale Klimawandel mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem wesentlichen Teil menschengemacht ist, wohl unumkehrbar begonnen hat und in seinen Auswirkungen die Lebensgrundlagen vieler Menschen, Tiere und Pflanzen bedroht. Die globalen Klimaveränderungen erweisen sich in dreifacher Hinsicht als Fragen der Gerechtigkeit - global, intergenerationell und ökologisch.

Die Lasten des menschlich verursachten Klimawandels sind sehr ungleich verteilt. Sowohl weltweit als auch in den einzelnen Staaten sind vielfach die Ärmsten am stärksten von den Auswirkungen betroffen. Arme Länder haben weniger Möglichkeiten, sich vor dem Anstieg des Meeresspiegels zu schützen. Trinkwasser wird zu einem knappen und teuren Gut, das sich Reiche eher leisten können, ebenso wie den Schutz vor Sturm, Überschwemmungen und Dürren. Zugleich haben die ärmeren Staaten bislang weit weniger zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase beigetragen als die Industriestaaten, denen es leichter fällt, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen. Der Klimawandel ist daher ein Problem der globalen Gerechtigkeit.

Klimaschädliches Verhalten wirkt sich nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig aus. Nicht nur jetzt, sondern auch noch in mehreren Jahrzehnten wird spürbar werden, dass wir heute Treibhausgase in großer Menge an die Atmosphäre abgeben. Nachkommende Generationen werden die Leidtragenden unseres heutigen Verhaltens sein. Der Klimawandel ist deshalb auch ein Problem der Gerechtigkeit zwischen den Generationen.

Der Klimawandel verändert tiefgreifend die Lebensbedingungen der außermenschlichen Natur. Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten verschwinden, und damit wird auch die biologische Vielfalt der Erde geringer. So ist der Klimawandel auch ein Problem der Schöpfungsgerechtigkeit.

Welche Verhaltensweise ist in dieser Situation ethisch geboten? Selbst wenn eine erhebliche Unsicherheit über die Verlässlichkeit der Zukunftsszenarien bestünde, wäre es ein Gebot der Vorsicht, die wissenschaftlich fundierten Warnungen ernst zu nehmen und eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Vordergründiger Alarmismus ist hier ebenso wenig angezeigt wie eine Haltung resignativer Passivität. Deshalb sind – völlig unabhängig davon, welchen Anteil menschliches Verhalten am globalen Klimawandel hat – Minderungen des Ausstoßes von Treibhausgasen und Anpassungen an die Folgen notwendig. Dies ist ein Gebot der Vorsorge und der Verantwortung insbesondere für die Schwächsten weltweit und die kommenden Generationen.

Dem vorliegenden Text liegt die Auffassung zugrunde, dass menschliches Tun und Unterlassen für die Klimaveränderungen mitverantwortlich ist und der globale Klimawandel eine Gefahr für die Menschheit und ihre Mitwelt darstellt. Erhebliche Anstrengungen sind erforderlich, klimaschädigendes Verhalten zu vermeiden und wirksame Strategien zur Anpassung an die Folgen der Klimaveränderungen umzusetzen. Dabei müssen die bisherigen Hauptverursacher auch die Hauptlast der Kosten tragen, die durch Anpassung und Minderung entstehen. Insbesondere die Industrieländer müssen daher größere Anstrengungen unternehmen, damit den Entwicklungsländern Raum für ihre Entwicklung bleibt. Auf die Notwendigkeit, im eigenen Land umzusteuern, haben bereits 1996 das Bischöfliche Hilfswerk Misereor und der Bund für Umwelt und Naturschutz in der richtungsweisenden Studie „Zukunftsfähiges Deutschland« hingewiesen. Diese Leitlinie ist weiterhin gültig.

An der Bewältigung der großen Menschheitsherausforderung des globalen Klimawandels müssen sich alle beteiligen. Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist groß, aber nicht so groß, dass durch unser Tun und Unterlassen nichts auszurichten wäre. Im Gegenteil: Die nationale und internationale Politik ist ebenso in der Pflicht wie die internationalen Organisationen, Entwicklungseinrichtungen und die Wirtschaft. Schließlich ist jeder Einzelne angefragt, seinen persönlichen Lebensstil klimaverträglich zu gestalten.

Internationale Abkommen, die fair und verbindlich geschlossen werden und nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner orientiert sind, können wichtige Bausteine einer globalen Klimapolitik sein. Das Protokoll von Kyoto muss wohl als ein wichtiger, aber unzureichender Schritt angesehen werden. Insbesondere müssen die Staaten wie die USA, Australien und China sowie die Schwellenländer in dieses internationale Klimaregime einbezogen werden. Daher begrüße ich die Ankündigung der Bundeskanzlerin, den Klimaschutz zu einem zentralen Thema der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft im kommenden Jahr zu machen, wie sie in diesen Tagen in einer Rede zum Jahreskongress der Nationalen Nachhaltigkeitsrates formuliert hat. Der nationalen Ebene empfehlen die von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragten Experten Energieeffizienz, Energiesparen und die erneuerbaren Energien stärker als bisher zu fördern. Im Zuge einer grundlegenden Steuer- und Finanzreform müsste die Höhe der Treibhausgasemission ein Besteuerungskriterium werden. Schließlich müssen wir alle einen klimabewussteren Lebensstil entwickeln: der tägliche Konsum, der Verbrauch an Strom und Wärmeenergie sowie die Mobilitätsgestaltung sind Bereiche, in denen jeder Einzelne nach seinen Möglichkeiten einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

„Die Verkündigung“, so hat Papst Paul VI. gesagt, „muss vor allem durch ein Zeugnis erfolgen.“ Innerhalb und außerhalb der Kirche gibt es viele gute Beispiele für dieses Bemühen. Mit der Veröffentlichung des Expertentextes möchten wir Bischöfe dafür danken und zugleich zu weiterem nachhaltigen Engagement im Sinne eines klimafreundlichen Verhaltens ermuntern.

Abschließend danke ich der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen und der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, die diesen Text gemeinsam verantworten. Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, die diesen ausgezeichneten Text erstellt hat, gilt mein herzlicher Dank. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Weihbischof Dr. Bernd Uhl, wird nun insbesondere Perspektiven kirchlichen Handelns aufzeigen, bevor Prof. Dr. Paul Velsinger, der seit vielen Jahren Mitglied der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen ist, eine knappe Übersicht über den Expertenbericht gibt.

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