| Pressemeldung

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Prof. Dr. Karl Lehmann, auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Friedenswortes "Gerechter Friede" am 11. Oktober 2000 in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,
knapp zwanzig Jahre ist es her, als sich die deutschen Bischöfe 1983 mit dem Wort "Gerechtigkeit schafft Frieden" an die Öffentlichkeit gewandt haben. Damals wurde in Deutschland heftig über die Friedensproblematik diskutiert. Unmittelbarer Gegenstand der Diskussionen waren die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen, die sogenannte "Nachrüstung", ebenso wie die Frage der Legitimität atomarer Rüstung überhaupt. Wir waren damals als Bischöfe angefragt, vor allem auch zu diesen speziellen Fragen eine ethische Bewertung zu geben. Die in unserem Dokument "Gerechtigkeit schafft Frieden" 1983 geäußerten ethischen Einschätzungen bleiben für diese Thematik auch weiterhin gültig. Ich habe damals - bis wenige Wochen vor meiner Wahl und Ernennung zum Bischof von Mainz - als Theologe mitgewirkt.
Allerdings hat sich seit den frühen 80er Jahren die friedens- und sicherheitspolitische Lage in Europa und in der gesamten Welt - und man übertreibt nicht, wenn man sagt - dramatisch geändert. Dieser Tage haben wir in Deutschland den zehnten Jahrestag der Wiedervereinigung feierlich begangen. Hier in Berlin ist diese für uns Deutsche so bedeutsame Überwindung der Spaltung ja geradezu mit Händen zu greifen. Eine Voraussetzung dafür war der Zusammenbruch des Kommunismus im Jahr 1989. In der Folge konnte der bipolare Ost-West-Konflikt weitgehend überwunden werden. Die Blöcke, die sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges mit atomarer Hochrüstung in Schach hielten und ein "Gleichgewicht des Schreckens" produzierten, existieren nicht mehr in der Form, wie wir sie im "Kalten Krieg" kannten.
Die Überwindung der Blockbildung, die vor allem für Europa sicherheitspolitisch von sehr großer Bedeutung gewesen ist, hat darüber hinaus die politische Lage in der gesamten Welt verändert. Deshalb denken wir auch nach über die "neue Rolle" der Bundeswehr.
Leider - wie wir heute wissen - haben sich die Hoffnungen auf eine längere Friedensepoche nicht erfüllt. Die Rückkehr des blutigen Krieges nach Europa in das ehemalige Jugoslawien machte uns schmerzlich deutlich, dass Kriege mit all ihren Schrecken auch in den sogenannten "zivilisierten" Gegenden der Welt, zu denen man ohne Zweifel Europa sofort zählen würde, nicht überwunden sind. Ich denke aber auch an die vielen kleineren und größeren Auseinandersetzungen in Afrika und Asien.
Und noch etwas mussten wir in den letzten beiden Jahrzehnten feststellen: die Art der Konflikte hat sich gewandelt. Bei vielen der seit 1989 gewalttätig ausgetragenen Konflikte handelt es sich nicht mehr um den "klassischen" Typus zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen, sondern um innerstaatliche Konflikte. Hierbei stehen sich nicht reguläre Armeen gegenüber, es sind nicht selten vielmehr militärische, para-militärische und bandenartige Gruppen, die den Kampf um Einfluss und wirtschaftliche Ressourcen führen. Nicht selten werden zudem solche Konflikte ethnisch - wie im Falle z.B. Ruandas - oder religiös - wie in Algerien - verzweckt. Der Kampf um Macht, Einfluss und wirtschaftliche Stärke hat vielfältige Ursachen und ebenso vielfältige Formen.
Weil es sich immer weniger um herkömmliche Konflikte handelt, reicht auch das herkömmliche Instrumentarium zur Konfliktprävention und Friedenssicherung nicht mehr hin. Neue Lösungen müssen angedacht werden. Deshalb mußten auch die friedensethischen Perspektiven in diesen neuen Aspekten überdacht werden.
In unserem neuen Friedenswort, das den programmatischen Titel "Gerechter Friede" trägt, haben wir versucht, uns aus der Sicht der Kirche diesen neuen friedensethischen Herausforderungen zu stellen. Sie können schon am Titel erkennen, dass die Aufgabe heute umfassender gesehen wird als es in der herkömmlichen Friedenslehre der Kirche, die gerne mit dem Begriff "Lehre vom Gerechten Krieg" versehen wurde, der Fall war, wenngleich die ethischen Grundlinien erhalten bleiben. Denn selbstverständlich muss sich auch unser eigenes sozial-ethisches Instrumentarium den neuen Gegebenheiten stellen und diese mitreflektieren.
In unserem Dokument vertreten wir nachdrücklich die Auffassung, dass sich die Friedensfrage nicht erst dann stellt, wenn Auseinandersetzungen bereits mit Waffengewalt geführt werden. In der nationalen wie internationalen Politik muss es vielmehr darum gehen, die Ursachen von Gewalt frühzeitig und mit Nachdruck zu bekämpfen und Verhältnisse zerstörerischer Gewalt erst gar nicht entstehen zu lassen. Wir möchten damit ausdrücklich auch einen Gegenakzent zu den üblichen öffentlichen Diskussionen über Frieden und Sicherheit setzen. In den Medien kommt die Debatte ja gewöhnlich nur in Gang, wenn Konflikte gewalttätig eskalieren und sich die Frage eines "Eingreifens" stellt. Wir möchten hingegen einen Beitrag zur Humanisierung der Lebenswirklichkeiten leisten, der gewaltlosen Lösungen Priorität einräumt. "Gerechter Friede" heißt unser Wort daher und nicht "Gerechter Krieg".
Das Bischofswort wurde unter der Federführung des Vorsitzenden der Kommission für weltkirchliche Aufgaben, des Bischofs von Limburg, Franz Kamphaus, erarbeitet. Bischof Kamphaus wird Ihnen jetzt einen kurzen Überblick über den Inhalt des Schreibens geben. Er wird auch zeigen, wie unsere Überlegungen wichtige Ansichten zum Gewaltproblem in unserer Gesellschaft enthalten, die bisher wohl eher unterschätzt werden.

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