| Pressemeldung | Nr. 079c

Statement des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen der Kommission VI der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Dr. Bernd Uhl (Freiburg), beim Pressegespräch am 27. September 2006 in Fulda

„Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit. Ein Expertentext zur Herausforderung des globalen Klimawandels“

Es gilt das geprochene Wort!

Wer Katastrophen predigt, läuft Gefahr, ethisch gebotenes Handeln zu lähmen. Aber die Warnsignale der Natur müssen ernst genommen werden. Diese Signale gibt es. Klimaänderungen und deren Auswirkungen sind bereits heute spürbar – auch in Deutschland, wie der Blick auf die vergangenen 100 Jahre zeigt: Nach Auskunft des Umweltbundesamtes stieg die Jahresmitteltemperatur um 0,8 Grad Celsius (°C), in den Alpen sogar mit 1,5 °C um fast das Doppelte. Extrem warme Jahreszeiten – vor allem extrem heiße Sommer – traten immer häufiger auf. Auch im Winter waren - vor allem in Süddeutschland – extrem warme Tage zu beobachten. Außergewöhnlich kalte Tage dagegen sind seltener geworden. Vor allem im Westen Deutschlands nahmen die Niederschläge deutlich zu. Extrem starke Niederschläge traten hier häufiger auf und brachten erheblich mehr Wassermengen als noch vor 100 Jahren. Im Osten Deutschlands hingegen wurden die Starkniederschläge – vor allem im Sommer – seltener (Quelle: Umweltbundesamt/Max-Planck-Institut für Meteorologie: Künftige Klimaänderungen in Deutschland, April 2006).

Die Situation bei uns in Deutschland ist uns häufig stärker im Bewusstsein als die weltweiten Geschehnisse. Der globale Klimawandel betrifft aber die ärmsten Länder und die ärmsten Menschen weltweit besonders stark. Deshalb müssen die Klimaveränderungen und ihre Folgen noch weit mehr als bisher bei der Entwicklungshilfe berücksichtigt werden. Dazu gehören sowohl Strategien, das Überleben und die Nahrungssicherung unter schwieriger werdenden Bedingungen langfristig zu sichern, als auch die Etablierung von Frühwarnsystemen und Katastrophenmanagement-Strukturen sowie der Aufbau einer global wirksamen Not- und Wiederaufbauhilfe nach Naturkatastrophen. Anpassung an die Folgen des Klimawandels kann weiterhin bedeuten, Dämme gegen Überschwemmungen zu errichten, landwirtschaftliche Bedingungen in Trockenzonen zu verbessern und eine vorsorgende Bauweise in sturm- und hitzeanfälligen Gebieten zu praktizieren.

Das bischöfliche Hilfswerk Misereor hat in einem Arbeitspapier darauf aufmerksam gemacht, dass die Verbesserung des Zugangs zu Energie und die Steigerung der Energieeffizienz wichtige Bedingungen sind für nachhaltige Entwicklungsprozesse für zwei Milliarden Arme weltweit. Klimaschutz und Entwicklungshilfe sind also eng miteinander verbunden. Hier ist gewiss internationale Solidarität gefordert, vor allem aber eine deutlichere Übernahme der Lasten nach dem Verursacherprinzip. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern des Klimawandels.

Ebenso notwendig ist es, dass die entwickelten Länder ihre Hausaufgaben machen. Auch die Kirche steht hier in der Verantwortung. Im Expertentext „Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit« führen wir eine größere Zahl beispielhafter Projekt an, bei denen kirchliche Einrichtungen und Christinnen und Christen zum Schutz des Klimas engagiert sind. Ich nenne die Initiativen der Katholischen Landjugendbewegung KLJB zum Klimaschutz (so das eindrucksvolle „global village«, das zum Weltjugendtag 2005 aufgebaut war, und die Aktion „10.000 plus - Energie für die Zukunft«). Beispielhaft ist auch die ökumenische Initiative „Autofasten«. Zahlreiche kirchliche Einrichtungen haben ihre Energieversorgung auf nachhaltige Energieträger umgestellt, u. a. das Kloster Marienthal, das Bildungshaus Burg Feuerstein oder die Benediktinerabtei Plankstetten. Auf etwa 250 kirchlichen Gebäuden konnten, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, photovoltaische und solarthermische Anlagen errichtet werden, und kirchliche Einrichtungen beteiligen sich an Umweltzertifizierungsverfahren (u. a. die Katholische Akademie Bayern und das Missionskloster Schlehdorf). Weitere beispielgebende Projekte wären zu nennen.

Angesichts der Dringlichkeit der Probleme wird man aber feststellen müssen, dass auch in der Kirche noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, zu einem klimaverträglicheren Verhalten zu gelangen. Der Expertentext führt deshalb eine ganze Reihe von Optionen an, die auf den verschiedenen Ebenen und in den unterschiedlichen Bereichen kirchlichen Lebens umgesetzt werden können. Es handelt sich hierbei nicht um einen Katalog von Selbstverpflichtungen. Gleichwohl kommen wir nicht daran vorbei, substantielle Schritte zu klimaverträglicheren Verhaltensweisen zu unternehmen. Der Expertentext bietet hier vielerlei Anregungen.

Die Arbeitsgruppe für ökologische Fragen hat sich bei der Erarbeitung dieses Textes zum globalen Klimawandel mehrfach Rat bei führenden deutschen Klimaforschern eingeholt. Für die große Hilfsbereitschaft, die wir erfahren haben, sind wir sehr dankbar. Mit Blick auf diesen Sachverstand können wir sagen, dass unser Text dem Stand der Forschung entspricht. Die These vom Klimawandel ist mehr als eine glaubhafte Spekulation einzelner Wissenschaftler. Sie kann vielmehr bereits heute mit sehr großer Sicherheit als bestätigt gelten.

Angstbesetzte Übertreibungen möchten wir ebenso vermeiden wie das Verdrängen der unangenehmen Wahrheiten. Unser Schöpfungsglaube wird sich zunächst vor allem darin bewähren, die empirischen Erkenntnisse ernst zu nehmen und sich möglichst ausgewogen und umfassend mit der Situation auseinanderzusetzen. Mit Blick auf die Fakten und die wissenschaftlichen Szenarien kommen wir aber nicht umhin zu sagen, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für die Menschheit ist.

Von dieser Grundlage ausgehend kann die Kirche ihre spezifische Kompetenz in den gesellschaftlichen Diskurs über den globalen Klimawandel einbringen. Dazu gehören vorrangig folgende Aspekte:

Die Kirche versteht sich als Anwältin der ethischen Grundoptionen christlicher Schöpfungsverantwortung, die den Planeten Erde als zukunftsfähiges „Lebenshaus“ für alle Geschöpfe bewahren will; sie vertritt ein Menschenbild, das auf der gleichen Würde aller Menschen als Kinder Gottes, unabhängig von Eigenschaften oder Fähigkeiten, basiert und für alle, auch die zukünftigen Generationen, menschenwürdige Lebensbedingungen einfordert; sie fördert die Haltung globaler Solidarität, wobei sie sich als Weltkirche selbst zum entschiedenen Engagement besonders für die Armen und Ausgeschlossenen verpflichtet weiß;sie zielt auf die Bereitschaft zum Umdenken und zu einem Handeln, das die Schöpfung erhält und sowohl menschen- als auch umweltgerecht gestaltet. Dazu aufgefordert sind nicht nur Regierende und Führungskräfte, sondern alle Menschen;sie steht für ein langfristiges Denken, das aus der Hoffnung auf die von Gott gewährte Zukunft – „das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ – die Kraft schöpft, den langen und schwierigen Weg zu intergenerationeller Gerechtigkeit beharrlich zu gehen;sie lebt aus einer Spiritualität, die sie befähigt, gemeinsam mit allen Menschen guten Willens neue Wege gelebter Schöpfungsverantwortung zu wagen und sich gegen alle Widerstände für den notwendigen Wandel mit friedlichen Mitteln einzusetzen.

Der globale Klimawandel erweist sich als umfassendste Herausforderung für die Schöpfungsverantwortung, für Gerechtigkeit und Solidarität mit den Armen. Deshalb ist er eines der „Zeichen der Zeit“, von denen das Zweite Vatikanische Konzil sagt, es gehöre zu den Pflichten der Kirche, nach ihnen „zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“.

(Die deutschen Bischöfe. Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen/Kommission Weltkirche Nr. 29, herausgegeben vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn September 2006)

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