| Pressemeldung

Pressekonferenz am 29.10.1999 in Augsburg anlässlich der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre

Statement von Bischof Paul-Werner Scheele, Vorsitzender der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz

Anmerkungen aus deutschen Perspektiven

In seinem Galaterkommentar aus dem Jahr 1531 sagt Martin Luther wörtlich: „... das suchen wir, dass wir und sie gerettet werden, dass die Herrlichkeit Gottes feststehe und die Glaubensgerechtigkeit erhalten bleibe.“ Es geht ihm offenkundig bei der Frage der Rechtfertigung durch den Glauben um nichts weniger als die Verherrlichung Gottes und die Rettung und das Heil aller Menschen. Er fährt fort: „Wenn das wäre, würde ich den Papst den Allerheiligsten nennen; ich würde nicht nur seine Füße küssen, sondern ihn auf Händen tragen, wenn wir nur das erreichen könnten, dass Gott allein durch die Gnade rechtfertigt.“(1 ) Wenn man sich das vergegenwärtigt, dann muss es einen bewegen, wenn in der Gemeinsamen Erklärung katholischerseits wie lutherischerseits in aller Form gesagt wird: „Es ist unser gemeinsamer Glaube, dass die Rechtfertigung das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher bedeutet Rechtfertigung, dass Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam bekennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken.“ (GE 15)

Was das für Kirche und Welt bedeutet, ist soeben von kompetenter Seite dargelegt worden. Am Ort der Unterzeichnung liegt es nahe, innerhalb des globalen Horizontes all das auch aus deutschen Perspektiven zu betrachten. Bewusst wird der Plural gebraucht, gibt es doch nicht nur eine einzige deutsche Perspektive.
Das Datum der Unterzeichnung erinnert daran, dass die Reformation mit der Verbreitung der fünfundneunzig Ablassthesen Luthers in Deutschland ihren Anfang nahm. Etliche Phasen der weiteren Entwicklung sind für immer mit der Stadt Augsburg verbunden. Deutschland hat die schmerzlichen Folgen der Spaltung massiv zu spüren bekommen. Das ist besonders durch den Dreißigjährigen Krieg geschehen. In Deutschland hat es etliche Aktivitäten gegeben, die zum Werden der Gemeinsamen Erklärung beigetragen haben. Seit 1946 hat sich der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen, der von den Bischöfen Stählin und Jaeger gegründet wurde, intensiv mit den Kontroversfragen befasst. Nach dem ersten Papstbesuch in Deutschland wurde ihm 1981 die theologische Untersuchung der wechselseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts anvertraut. 1985 konnten die Ergebnisse dieses Bemühens offiziell vorgestellt werden. Sie betrafen die Rechtfertigungslehre, die Sakramente und das kirchliche Amt. Die Gemeinsame Erklärung erwähnt als wichtiges Beispiel der Dialogrezeption "die verbindliche Stellungnahme, die die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands zusammen mit den anderen Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem höchstmöglichen Grad kirchlicher Anerkennung zu der Studie über die Lehrverurteilungen verabschiedet hat (1994)“ (GE 3). Mit der Gemeinsamen Erklärung liegt nunmehr auch ein verbindliches katholisches Votum zu dem Rechtfertigungsabschnitt dieses Projektes vor. In Deutschland wurden wichtige Dokumente des offiziellen katholisch/lutherischen Dialogs auf Weltebene verabschiedet. Hier in Augsburg wurde am 23.02.1980 der Text „Wege zur Gemeinschaft“ vollendet. In ihm wird u. a. die Aufgabe formuliert, der sich die Gemeinsame Erklärung nunmehr stellt. Wörtlich hieß es seinerzeit: „Der Dialog zwischen unseren Kirchen hat in den letzten Jahren zu formulierten Ergebnissen geführt, in denen gemeinsame Aussagen zu Fragen des Glaubens möglich wurden, wo früher kirchentrennende Gegensätze die kirchliche Einheit verhinderten. Als dringlicher Schritt zur Einheit steht der Prozess der Rezeption dieser Dialogergebnisse als Aufgabe vor unseren Kirchen“ (Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission, Wege zur Gemeinschaft. Alle unter einem Christus, Paderborn und Frankfurt 1980 n. 75, S. 37). Anlässlich des 450-jährigen Jubiläums des Confessio Augustana wurde in Augsburg das Dokument „Alle unter einem Christus“ publiziert (A.a.O., S. 53–63). Eine seiner gewichtigsten Aussagen ist wörtlich in den zentralen Text der Gemeinsamen Erklärung übernommen worden. Sie lautet: „Allein aus Gnade (und) im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken“ (A.a.O., n. 14, S. 59 = GE 15).Im Lutherjahr 1983 wurde am 6. Mai im Kloster Kirchberg der Text "Martin Luther – Zeuge Jesu Christi" (Gemeinsame Kommission ..., Einheit vor uns, Paderborn und Frankfurt 1985, 86–95) verabschiedet. Auch hier wurden die Grundzüge der Rechtfertigungslehre herausgestellt, die in der Gemeinsamen Erklärung aufgegriffen worden sind (n. 9–12, S. 88 f.).Die siebenjährige dritte Dialogphase wurde am 11. Oktober 1993 in Würzburg mit dem Dokument "Kirche und Rechtfertigung" abgeschlossen. Schließlich wurden die letzten Redaktionsarbeiten 1995 und 1996 in Würzburg durchgeführt.

Seit Jahren gibt es in Deutschland eine intensive Diskussion über die Gemeinsame Erklärung. Das kann man als Zeichen für die Bedeutung der Ausgangsfrage wie für die Tragweite des Projektes werten. Es entspricht überdies der Eigenart der Erklärung, die Frucht einer langjährigen Diskussion ist. Es wird wichtig sein, über die in der Debatte angemeldeten Fragen im Gespräch zu bleiben. Mehrfach wurden im Zusammenhang mit der Diskussion Katastrophenmeldungen verbreitet; selbst der Tod des Vorhabens wurde verkündet. Es ist zu hoffen, dass sich auch hier zeigen wird, dass Totgesagte länger leben.

Angesichts gelegentlicher extrem negativer Kritik ist auf zweierlei hinzuweisen:Weltweit hat eine solche Seltenheitswert.Entscheidend für die Situation in Deutschland sind evangelischerseits die verbindlichen Erklärungen der Synoden. Sie sind seit langem erfolgt; mit Ausnahme der zahlenmäßig kleinsten Landeskirche (Schaumburg-Lippe mit 66.500 Mitgliedern) kam es zu positiven Voten. Näherhin kann man diese der Methode der Gemeinsamen Erklärung gemäß als „differenzierten Konsens“ kennzeichnen. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat alle Phasen der Gemeinsamen Erklärung bejaht und auch dem vorliegenden Ergebnis einhellig zugestimmt. In dem 1983 verabschiedeten Text über Martin Luther heißt es im Hinblick auf die Rechtfertigungslehre: „Geschichtliche Forschungen haben erwiesen, dass sich schon in den Religionsgesprächen der Reformationszeit eine Verständigung in diesem Hauptanliegen Luthers abzeichnete. Jedoch fand diese Verständigung auf beiden Seiten keine wirkliche Aufnahme und wurde wieder durch Polemik verdeckt und unwirksam gemacht“ (Einheit vor uns, n.10, S.89). Es muss alles getan werden, dass sich dies nicht wiederholt. Jetzt kommt es darauf an, sich auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens möglichst gemeinsam den Aufgaben zu stellen, die noch vor uns liegen.

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1   WA 40.I, 181.

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