| Pressemeldung | Nr. PRD 053a

Pressegespräch zur Vorstellung der Arbeitshilfe "Christen und Muslime in Deutschland" am 23. September 2003 in Fulda

Pressestatement von Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Es gilt das gesprochene Wort!
Bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vor zwei Jahren wurde ein Studientag über das Verhältnis von Christentum und Islam durchgeführt. Er war lange geplant, fand dann jedoch unter sehr besonderen Umständen statt: Wenige Tage zuvor nämlich hatten islamistische Terroristen die Anschläge auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington verübt. Unbestreitbar konnte die Verantwortung für diese schrecklichen Verbrechen nicht pauschal der muslimischen Religion zugewiesen werden. Sie lenkten jedoch den Lichtkegel der Aufmerksamkeit so scharf wie nie zuvor auf die Unruhe und die Gärungsprozesse, die sich schon seit längerem in der islamischen Welt ausgebreitet hatten, und auf die Gefahren, die von extremistischen muslimischen Tendenzen ausgehen.

Die weiteren Ereignisse haben gezeigt: Der islamistische Terrorismus und andere Formen eines militant-fundamentalistischen Islam sind nicht nur auf weltpolitischer Ebene brandgefährlich. Sie bedrohen auch innerhalb vieler Länder den Frieden und das gedeihliche gesellschaftliche Miteinander, wo Christen und Muslime zusammenleben. Dies gilt nicht nur für ferne Länder Asiens oder Afrikas, sondern grundsätzlich auch für Deutschland. Auch in unserem Land ist ja vielen Menschen die Vielschichtigkeit des Islam kaum bekannt. Auch bei uns wird Islam und Islamismus oft gleichgesetzt, sodass auch manche Christen den muslimischen Gläubigen insgesamt mit Berührungsängsten und Abwehr begegnen. Hier liegt vielleicht eine der gefährlichsten Folgen der islamistisch stimulierten Gewalttaten: dass sie Misstrauen und Entfremdung in das Verhältnis der Menschen einstiften.

Vor diesem Hintergrund zeigt sich einmal mehr, wie wichtig die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil betriebenen Bemühungen sind, ein konstruktives Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Islam aufzubauen. In Deutschland haben die Bischöfe versucht, diese Ansätze in den vergangenen Jahren weiter auszuweiten und zu vertiefen. Diese Arbeit lässt sich unter vier Stichworten zusammenfassen:

Erstens: Information. Fehlende Kenntnisse über den Islam fördern in unserer Gesellschaft - nicht selten auch unter den christlichen Gläubigen - entweder Vorurteile oder aber ein naives, unkritisches Verhalten, das schließlich zu Enttäuschung führen muss. Die Kirche unterstützt deshalb verschiedene Projekte, die angehenden Lehrern, kirchlichen Mitarbeitern oder anderen Multiplikatoren ein tieferes Verständnis des Islam erschließen. Zu einer besseren Information der Öffentlichkeit will auch die neue Arbeitshilfe "Christen und Muslime in Deutschland" beitragen: Sie informiert über die Glaubensgrundlagen des Islam, über die verschiedenen Richtungen und Strömungen innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft und über die religiöse Praxis und die Lebenswelten der Muslime in Deutschland.

Zweitens: Orientierung. Die deutschen Diözesen sind bemüht, den katholischen Gläubigen, aber auch der gesellschaftlichen Öffentlichkeit Orientierungen für das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen, aber auch - weiter gefasst - für das Zusammenleben aller Menschen in Staat und Gesellschaft anzubieten. Das betrifft sowohl die Möglichkeiten und Grenzen der konkreten Begegnung zwischen Christen und Muslimen vor Ort als auch den Umgang mit manchen Problemen und Streitfällen, die die Öffentlichkeit immer wieder beschäftigen. Bischof Kamphaus wird dazu gleich mehr sagen.

Drittens: Dialog. Die Deutsche Bischofskonferenz hat den Dialog mit dem Islam auf internationaler Ebene und auch in Deutschland verstärkt. Wir sind dabei stets bemüht, das ganze Spektrum der muslimischen Richtungen und Vereinigungen in das Gespräch einzubeziehen und die Privilegierung einzelner zu vermeiden. Der Dialog, wie wir ihn verstehen und weiterhin führen wollen, trägt dazu bei, auf beiden Seiten Missverständnisse zu überwinden. Wir sind froh, dass wir diese wichtige Erfahrung immer wieder machen können. Dabei weichen wir von Seiten der Bischofskonferenz den schwierigen Fragen - wie dem Verhältnis des Islam zu den Menschenrechten und zum wertgebundenen, aber weltanschaulich neutralen Staat - grundsätzlich nicht aus. Dialog macht letztlich nur Sinn, wenn beide Seiten lernen, Unterschiede zu benennen und auszuhalten. Man muss bereit sein, auch die Probleme und die brisanten Themen offen auf den Tisch zu legen.

Viertens: internationale Kooperation. Dialog und auch Konflikte mit dem Islam sind ein weltweites Thema. Die Kirche in Deutschland weiß sich in ihrer eigenen Arbeit hier deshalb eingebunden in die Weltkirche. Die großen symbolischen Handlungen von Papst Johannes Paul II. - etwa das Gebetstreffen der Religionen in Assisi, dessen Nachfolgetreffen vor einigen Wochen in Aachen neuerlich hohe Aufmerksamkeit gefunden hat - sind auch für uns in Deutschland Inspiration und Orientierung. Darüber hinaus ist die Kirche in unserem Land auch in das Netz der katholischen Ortskirchen einbezogen, die ihre je eigenen und sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit dem Islam machen. Wir stehen mit unseren nahöstlichen, asiatischen und afrikanischen Schwesterkirchen im Kontakt. Konkrete Projekte werden in Pakistan und - durch die Deutsche Kommission Justitia et Pax - mit indonesischen Partnern durchgeführt. Zu einem besonderen Ereignis wird sicherlich ein für den Herbst 2004 geplantes Bischofstreffen werden, das gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und der gesamtafrikanischen Bischofskonferenz (SECAM) veranstaltet wird und das den Fragen von Konflikt und Partnerschaft zwischen Christentum und Islam in verschiedenen kulturellen Kontexten nachgehen soll.

Die Arbeitshilfe, um die es heute geht, ist somit ein Element eines umfassend angelegten Bemühens um ein angemessenes Verständnis des Islam und ein besseres Verhältnis zwischen Christen und Muslimen. Dieses Bemühen wird letztlich nur erfolgreich sein, wenn es sich jenseits von Vorurteilen einerseits und Blauäugigkeit andererseits vollzieht.

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