| Pressemeldung | Nr. 078

Pressegespräch zur Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung am 26. September 2006 in Fulda

Statement von Bischof Dr. Gerhard Feige (Magdeburg)

Es gilt das gesprochene Wort!


Bischof Dr. Gerhard FeigeEuropa steht vor großen Herausforderungen: das Zusammenwachsen des Kontinents erweist sich als langwieriger Prozess, der auch Phasen des Stillstands und Rückschläge erfährt; die nationalen Volkswirtschaften und die Staaten selbst stehen unter erheblichem Anpassungsdruck durch die fortschreitende Globalisierung; die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und die Schwierigkeiten der Integration von Ausländern in vielen europäischen Staaten verweisen auf die schwierigen Aufgaben, die sich mit der internationalen Migration verbinden; dem Ideal eines fruchtbaren Dialogs der Religionen stehen Eindrücke eines konflikthaften Zusammenstoßens der Kulturen gegenüber.

Auch in religiöser Hinsicht erleben die Gesellschaften Europas Veränderungen: Tendenzen fortschreitender Säkularisierung lassen sich ebenso feststellen wie ein wachsendes Interesse an spiritueller Sinnsuche – mit diesen Entwicklungen verbinden sich wirkliche Gefährdungen für das religiöse und kirchliche Lebens, es bieten sich zugleich aber auch neue Gestaltungschancen für die zukünftige Entwicklung der Kirchen.

Die Herausforderungen des europäischen Kontinents sind auch Herausforderungen für die christlichen Kirchen. Welchen Beitrag aber können die Kirchen – die katholische, die orthodoxe und die Kirchen reformatorischer Tradition – zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten? Die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3), zu welcher der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) die christlichen Kirchen in Europa eingeladen haben, will Antworten hierauf versuchen.

Die Themen der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung berühren aktuelle Herausforderungen des europäischen Kontinents und verweisen auf zentrale Aufgaben der Christen in unserer Zeit. Sie schließen an die von CCEE und KEK verabschiedete »Charta Oecumenica« an, die von den christlichen Kirchen in Deutschland 2003 im Rahmen des Ökumenischen Kirchentags feierlich unterzeichnet wurden. Zu den Themen gehören:

  • die unmittelbar das kirchliche Leben und die Ökumene betreffenden Fragen: das Ringen um die sichtbare Einheit der Kirchen, die Erneuerung der Spiritualität und die Vertiefung des christlichen Zeugnisses;
  • die sich verändernde Gestalt unseres Kontinents: der europäische Einigungsprozess, die Begegnung mit anderen Religionen, vielfältige Migrationsbewegungen und die voranschreitende Globalisierung;
  • die „traditionellen« Themen der Ökumenischen Versammlungen: die Bewahrung der Schöpfung und die Förderung von Gerechtigkeit und Frieden.Besondere Aufmerksamkeit soll die geistig-kulturelle Situation in Europa erfahren. Es geht um das missionarische Zeugnis in einem säkularer werdenden Europa, das zugleich durch religiöse Pluralisierung und eine wachsende Suche nach Sinn und spiritueller Erfahrung bestimmt wird. Die Versammlung will dabei auch den Beitrag des Glaubens und der Gläubigen für eine Erneuerung der Grundausrichtungen der kulturell-geistlichen Dimension Europas erörtern. Wenn dies gelingt, kann die EÖV3 einen nachhaltig wirksamen Beitrag für die Entwicklung Europas hervorbringen.

Die EÖV3 steht in der Tradition der europäischen Ökumenischen Versammlungen, die 1989 in Basel und 1997 in Graz stattgefunden haben. Anders als diese wird diese Versammlung jedoch kein einmaliges Ereignis an einem Ort sein, sondern sie ist als Prozess angelegt. Die Veranstalter haben hierfür das Bild eines „Pilgerwegs“ gewählt, auf dem sich die Delegierten und mit ihnen die christlichen Kirchen in Europa befinden. Etwa die Hälfte des Weges ist bereits zurückgelegt worden. Die abschließende Versammlung, zu der im September 2007 etwa 2500 Delegierte der christlichen Kirchen in Europa im rumänischen Sibiu, dem früheren Hermannstadt, zusammenkommen werden, rückt näher.

Den Auftakt EÖV3-Porzesses bildete eine Begegnung der von den Kirchen offiziell beauftragten Delegierten in Rom, die im Januar 2006 stattfand. Im Zentrum der Weltkirche konnten die Delegierten die Frömmigkeits- und Gebetstraditionen der katholischen Kirche erfahren. Papst Benedikt XVI. gab seiner Verbundenheit mit der Europäischen Ökumenischen Versammlung in einer Audienz Ausdruck und leitete eine Vesper, welche die Delegierten aller an der EÖV3 beteiligten Kirchen gemeinsam feierten. (Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat hierüber im Anschluss an die Frühjahrs-Vollversammlung am 9. März 2006 berichtet.)

Derzeit sind Christinnen und Christen aus ganz Europa daran beteiligt, die EÖV3 zu einem europaweit erfahrbaren Prozess zu machen. Diese so genannte zweite Phase des EÖV3-Prozesses ist partizipativ angelegt. Sie erweitert die vorgegebene Struktur der offiziellen Delegiertenversammlungen um weitere Aktivitäten. Auf vielfältige Weise setzen sich Gemeinden, Verbände, Gemeinschaften und ökumenische Initiativen mit den Themen der Dritten Europäischen Versammlung auseinander. Einen gewissen Abschluss dieser Phase wird eine von der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen in Deutschland organisierte Tagung bilden, die vom 4. bis 6. Dezember 2006 in Loccum stattfinden wird. Sie dient dazu, die Delegierten aus Deutschland mit den im ökumenischen Prozess engagierten Laien ins Gespräch zu bringen und Themen und Anliegen der Christen in Deutschland mit Blick auf die Abschlussversammlung in Sibiu zu bündeln und zu vertiefen.

Eine zweite Begegnung der offiziell von den Kirchen beauftragten Delegierten (nach der Begegnung in Rom) wird vom 15. bis 18. Februar 2007 in Wittenberg stattfinden. In Wittenberg wird stärker das reformatorische Erbe in den Blickpunkt der Versammlung rücken. Zur Unterstützung der Vorbereitungen auf dieses Ereignis, das von CCEE und KEK verantwortet wird, ist auf deutscher Ebene ein Arbeitskreis von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD, der Freikirchen und der Orthodoxen Kirchen sowie der Ökumenischen Centrale der ACK eingerichtet worden, der die konkrete Programmgestaltung vor Ort unterstützt.

Abgeschlossen wird der „ökumenische Pilgerweg“ im rumänischen Sibiu/ Hermannstadt mit einer großen Delegiertenversammlung vom 4. bis 9. September 2007. Sibiu wird im Jahr 2007 eine Kulturhauptstadt Europas sein. Erstmals findet eine Europäische Ökumenische Versammlung in einem Land statt, dass vormals hinter dem Eisernen Vorhang lag. Zugleich ist mit Rumänien erstmals ein mehrheitlich orthodox geprägtes Land Versammlungsort. Gerade für das Verhältnis zur Orthodoxie, die durch die Wahl des Versammlungsortes in besonderer Weise im Blickpunkt steht, können von Sibiu wichtige Impulse ausgehen.

Mit dem Veranstaltungsort Sibiu kommen die beiden EU-Beitrittsländer Rumänien und Bulgarien in den Blick. Dies ist gewiss eine Perspektive, aus welcher die Versammlung über Europa sprechen wird. Besonderes Gewicht sollen aber die Beiträge des Christentums zur europäischen Kultur- und Wertegemeinschaft erhalten. Daneben spielen die klassischen Themen der Europäischen Ökumenischen Versammlung, wie sie in der Charta Oecumenica festgehalten sind, eine wichtige Rolle. Das gemeinsame Nachdenken, Diskutieren und Beten der christlichen Kirchen in Europa bietet erhebliche Chancen dafür, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.

Zu der Versammlung in Sibiu entsendet die Deutsche Bischofskonferenz 84 Delegierte. Der Ständige Rat hat bei der Ernennung der Delegierten darauf geachtet, das Spektrum des kirchlichen Lebens in Deutschland zu berücksichtigen. Der Delegation gehören deshalb Bischöfe, Priester und Ordensleute ebenso an wie engagierte Laien aus den Verbänden und geistlichen Gemeinschaften, Mitglieder des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und von Justitia et Pax sowie Vertreter diözesaner Räte und ökumenischer Initiativen. Auch auf ein angemessenes Verhältnis von Frauen und Männern sowie jüngerer und älterer Menschen ist – soweit möglich – geachtet worden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die Namen öffentlich bekannt gemacht werden, damit die Delegierten als Multiplikatoren des Versammlungsprozesses auch ansprechbar und erreichbar sein können.

Aufmerksam machen möchte ich Sie auf die Internetseite www.oekumene3.eu, die aktuelle Ankündigungen und Hintergrundinformationen zur Dritten Europäischen Versammlung enthält. Ein Materialheft ist erstellt worden, dass liturgische Anregungen und Arbeitshilfen für Gruppen und Gemeinden bereithält. Neu gedruckt wird die Charta Oecumenica, die Grundlage des EÖV3-Prozesses ist.

Der Versammlungsprozess steht unter dem Leitwort „Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa“. Ich verstehe dieses Leitwort als Auftrag, dem sich die christlichen Kirchen Europas stellen. Meine Hoffnung ist, dass wir auf dem Weg nach Sibiu den Zielen der Dritten Europäischen Versammlung näher kommen werden: die Einheit der christlichen Kirchen in Europa sichtbar zu machen, zu feiern und zu vertiefen; Impulse für die Entwicklung Europas zu geben; und Antworten zu geben auf zentrale Zukunftsherausforderungen für die Christen in Europa.

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