| Pressemeldung | Nr. 9

Pressegespräch zum Wort der deutschen Bischöfe "Tote begraben und Trauernde trösten - Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht" am 15. Februar 2005 in Stapelfeld

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Kardinal Karl Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort!
Das Wort, das die deutschen Bischöfe in erster Lesung auf dieser Vollversammlung beraten haben, ist ein pastorales Wort. Es will die katholischen Gemeinden in ihrem Werk der Barmherzigkeit für die Toten und die Trauernden bestärken. Es nimmt dazu die gesellschaftlichen Veränderungen in den Blick, die sich auch im Wandel in der Bestattungs- und Friedhofskultur zeigen.Das Wort steht in einer Reihe von Bemühungen der deutschen Bischöfe um die Sorge für die Toten und ihre Hinterbliebenen. Hinzuweisen ist auf das Wort "Die Sorge der Kirche um die Toten und Hinterbliebenen" aus dem Jahre 1994, zu dem das jetzt vorzulegende in deutlicher Kontinuität steht. Im März letzten Jahres haben wir eine Broschüre mit dem Titel "Christliche Bestattungskultur. Orientierungen und Informationen" veröffentlicht. In Vorbereitung ist auch eine Arbeitshilfe für die seelsorgliche Begleitung und Beratung von Eltern, die um ein totes neugeborenes Kind trauern. Das Wort von 1994 hat eine anhaltende Nachfrage gefunden. Gerade im Umgang mit Leid und Tod wird von der Kirche viel erwartet. Für die Gestaltung des Totengedenkens und der Erinnerungskultur wird der Kirche eine hohe Kompetenz zugetraut. Die Äußerungen zum Umgang mit den Toten und Hinterbliebenen stehen im Zusammenhang mit dem Dialog der Kirche sowohl mit den Wissenschaften, die sich dem Bestattungswesen widmen - zu nennen sind hier Kulturanthropologie und Kulturgeschichte, Soziologie und Psychologie, natürlich Theologie und Religionswissenschaft - als auch mit Vertretern des deutschen Bestattungsgewerbes. Hierzu finden in größeren Abständen Fachtagungen statt - zuletzt im Oktober 2003 in Erfurt unter dem Thema: "Bestattungskultur - Zukunft gestalten".Der Text, den wir hier in Stapelfeld beraten haben, stellt sich ausdrücklich dem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der auch zu erheblichen Veränderungen in der Bestattungskultur führt. Einerseits sind in den Bundesländern Bemühungen zu beobachten, die rechtlichen Bestimmungen zum Bestattungs- und Friedhofswesen zu novellieren. Sie sind durchweg geprägt von dem Bemühen um Liberalisierung. Dabei bestand zumindest eine Zeit lang die Gefahr, dass sich der Staat aus der Verantwortung für den Umgang mit den Verstorbenen und die Gestaltung einer Erinnerungskultur auf unseren Friedhöfen sehr weit zurückzieht. Kommentatoren sahen eine vollständige Individualisierung der Zuständigkeit für die Toten am Ende der Entwicklung. Verschiedene Gespräche, auch der Kirchen, mit Landesregierungen haben hier Erfolg gehabt. Der Staat - so kann man im Großen und Ganzen sagen - steht zu seiner Verantwortung.Aber damit ist den Veränderungen, die sich im Umgang mit den Toten zeigen, noch nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Länder reagieren mit ihren Gesetzesinitiativen auf gesellschaftliche Trends. Der Anteil der Nichtchristen in der Bundesrepublik ist eine für die Gesamtkultur relevante Gruppe. Diese besteht zum einen aus den Mitbürgern, die zum Islam gehören. Muslime in der dritten Generation sind in der Bundesrepublik zur Hause und wollen ihre Toten nach ihren Vorschriften in Deutschland bestatten. Zum anderen gibt es eine große Gruppe von Konfessionslosen - besonders in den Bundesländern im Osten Deutschlands, aber auch spürbar in den alten Bundesländern, vor allem in den Ballungsräumen. Quer durch alle Konfessionen, Religionen und die Gruppe der Konfessionslosen zeigt sich eine Tendenz zur anonymen Bestattung. Zu vermuten ist, dass es sich dabei um eine Begleiterscheinung der Verstädterung der Gesellschaft und der wachsenden Mobilität des Lebens handelt. Die Flächen, die die anonymen Gräberfelder auf unseren Friedhöfen beanspruchen, dehnen sich aus. Eine neue vieldiskutierte Bestattungsform ist die Beisetzung der Urne in einem so genannten "Friedwald" - häufig ohne dass die Stelle, an der die Urne der Erde übergeben worden ist, mit dem Namen des Verstorbenen gekennzeichnet wird. Angesichts derartiger Tendenzen erinnern wir daran, dass die Fähigkeit, über den Verlust eines Menschen zu trauern und sich an ihn zu erinnern, eine conditio humana ist. Die Trauer und Erinnerung brauchen Rituale und konkrete Orte. Ohne Gestaltung des Abschieds und der Erinnerung an den Toten kann der Verlust nicht produktiv bewältigt werden. Sonst besteht die Gefahr einer Abstumpfung und Gleichgültigkeit der Menschen - nicht nur den Anderen, sondern auch sich selbst gegenüber. Wenn auf Trauer und Totengedächtnis leichtfertig verzichtet wird, gehen Möglichkeiten des Menschseins verloren - die Fähigkeit zur Erinnerung und zu bewahrendem Eingedenken, ohne die es keine Hoffnung auf eine gute Zukunft geben kann. Die Frage nach den Toten und ihrem Schicksal wach zu halten ist nach unserer Überzeugung der wichtigste Beitrag des christlichen Glaubens für die Erneuerung einer Kultur des Trauerns und der Erinnerung. Der christliche Glaube und die christliche Lebenspraxis haben einen unersetzbaren Beitrag für den solidarischen und liebenden Umgang mit Trauernden und den Toten einzubringen. Dieser Beitrag des christlichen Glaubens hat eine lange Geschichte. In ihr haben sich eine große Vielfalt von Trauer- und Bestattungsformen entwickelt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die hohe Auffassung von jedem einzelnen Menschenleben, die dem Christentum zu eigen ist, zum Ausdruck bringen. Jeder einzelne Mensch ist von Gott gewollt. Und für jedes Menschenleben hat Gott ewiges Leben verheißen. "Diese Hoffnung auf neues Leben ist uns" - wie das Wort formuliert -"aufgegangen und zuteil geworden im Leben, Sterben und in der Auferstehung Jesu von Nazareth ...".Christliche Begräbniskultur bringt diesen Glauben zum Ausdruck. Verschiedene Riten versinnlichen ihn. Indem die Gemeinde den Leichnam der Erde übergibt, übergibt sie ihn der Schöpfung, die der Herr am Ende der Zeit erneuern und vollenden wird.

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