| Pressemeldung | Nr. 147

Pressegespräch zum Vorschlag eines bundesweiten „Freiwilligen Zivildienstes“

Statement von Bischof Joachim Reinelt (Dresden), Vorsitzender der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz

Die katholische Kirche und ihre Caritas bieten jungen Männern seit fast fünf Jahrzehnten Möglichkeiten zur Durchführung ihres Zivildienstes an. Für die kirchlichen Einrichtungen stand dies von Beginn an unter einer besonderen Akzentuierung: Denjenigen, die aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe verweigerten und als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurden, stellte man in den eigenen Diensten und Einrichtungen Orte sinnvollen sozialen Lernens zur Verfügung. Wurden die jungen Männer anfangs oft pauschal als „Drückeberger“ bezeichnet, entwickelten sie sich schnell zu wertvollen Helfern im sozialen Spektrum. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung fand ein Wandel von ungeliebten „Kriegsdienstverweigerer“ zum gerngesehenen „Zivi“ statt. Rückblickend kann man feststellen, dass sich der Zivildienst in seiner Geschichte zu einem ergänzenden Hilfesystem eigener Art entwickelt hat. Er hat zwar nach dem Gesetz keinen Sicherstellungsauftrag für den sozialen Bereich, ist aber doch eine maßgebliche Stütze des sozialen Systems geworden. Zivildienstleistende sichern mit ihrem Einsatz eine besondere Qualität. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank.

Die aktuelle Debatte um das bevorstehende Ende des Zivildienstes und seine zukünftige Kompensation bringt einen Zusammenhang in Erinnerung, der mancherorts bereits fast vergessen schien: Der Zivildienst ist ein staatlicher Pflichtdienst, der nur auf Antrag und unter bestimmten Bedingungen geleistet werden kann. Er ist ein Ersatz für den Wehrdienst und aus rechtlicher Perspektive die Ausnahme, nicht die Regel. Dies ist auch der Hintergrund für seine bundeszentrale Organisation sowie für viele Bestimmungen und Regeln im Zivildienst, die weitgehend den Bestimmungen und Regeln des Wehrdienstes entsprechen, bis hin zur Entlohnung durch einen Sold.

Dass sich dieser staatliche Pflichtdienst zu einer Erfolgsgeschichte im Bereich der sozialen Dienste entwickelt hat, hat vor allem mit der großen Motivation der jungen Männer zu tun, die diesen Dienst geleistet haben. Spätestens seit den 90er Jahren standen für sie nicht mehr die Einschränkungen eines staatlichen Pflichtdienstes im Vordergrund, sondern die Aussicht, für andere Mitmenschen „etwas Sinnvolles zu tun“. Die Politik reagierte darauf und führte mehr und mehr Freiwilligkeitselemente in diesen Pflichtdienst ein, zum Beispiel die freie Wahl der Zivildienststelle oder die unterschiedlichen Möglichkeiten eines Ersatzes für den Ersatzdienst nach § 14 Zivildienstgesetz. Auch in der Bevölkerung etablierten sich Zivildienstleistende als hilfsbereite junge Männer, die vielen die Bewältigung des Alltages erleichtern.

Angesichts dieser positiven Erfahrungen mit dem Zivildienst halten manche in der Politik auch ein soziales Pflichtjahr für junge Männer und Frauen für eine gute Idee. So verlockend diese Idee ist, es sprechen doch viele Gründe dagegen. Nicht zu übersehen ist der Einwand, dass eine Dienstpflicht dem Grundgesetz und der europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Die Einführung einer Dienstpflicht ist nach unserer Verfassung nur bei Notlagen und Katastrophen möglich, nicht aber zur Erledigung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben oder gar zu erzieherischen Zwecken. Hinzu kommt, dass ein solches Pflichtjahr nicht finanzierbar sein dürfte: Selbst wenn von den geschätzten 800.000 jungen Männern und Frauen eines Jahrgangs nur 500.000 zu einem solchen Pflichtjahr herangezogen würden, würde dies 7,5 Milliarden € Lohnkosten bedeuten, wie die Süddeutsche Zeitung am 27.08.2010 erläutert hat. Schließlich ist aus meiner Sicht ein soziales Pflichtjahr auch kein geeignetes Mittel dafür, Eigeninitiative, Mitgestaltung und Beteiligung aller Altersgruppen an der Bewältigung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu fördern.

Die Erfahrungen mit dem Zivildienst geben aus Sicht der katholischen Kirche allen Anlass dazu, bei den Überlegungen zu seiner Kompensation auf Freiwilligkeit, die Möglichkeit zum Erwerb sozialer Kompetenzen und die größtmögliche Förderung von eigener Motivation zu setzen. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Dr. Peter Neher, wird jetzt näher erläutern, was dies für die konkrete Planung von Diensten bedeuten kann, die an die Stelle des Zivildienstes treten sollen.


Hinweis:

Die Statements von Prälat Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, und Pfarrer Simon Rapp (Düsseldorf), Präses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), können Sie sich unten als pdf-Dateien herunterladen.

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