| Pressemeldung | Nr. 048 - Anlage 2

Pressegespräch "Fünf Jahre Kölner Gipfel: Schuldenerlass für arme Länder muss weiter gehen" am 18. Juni 2004 in Ulm

Beitrag von Bischof Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Es gilt das gesprochene Wort
Als vor fünf Jahren die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder in Köln zusammenkamen, haben wir unsere Erwartungen an den Gipfel unter dem Stichwort "Globalisierung der Solidarität" zusammengefasst. Mitten in einem Globalisierungsprozess, der sich anschickte, alle Lebensbereiche zu durchdringen, haben die Evangelische und die Katholische Kirche - in einer Veranstaltung unter dem Dach der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung - darauf aufmerksam gemacht, dass "im Zentrum aller Entwicklung und damit auch der Wirtschaft und ihrer politischen Gestaltung immer die Menschen stehen müssen. Weltwirtschaft, Markt, technologischer Fortschritt und Globalisierung sind folglich kein Selbstzweck, sondern haben instrumentellen Charakter. Diese Grundprämisse gründet in der Menschenwürde, die allen Menschen unterschiedslos und in gleicher Weise zukommt und die Grundlage der Menschenrechte ist. ... In der Logik dieses Ansatzes liegt darum eine Option für die von diesen Rechten Ausgeschlossenen. Vorrangige Aufmerksamkeit müssen jene erhalten, die nicht einmal ihre elementaren Grundbedürfnisse befriedigen können und von besonderen Notlagen betroffen sind."

Unser damaliges Plädoyer für eine "Globalisierung der Solidarität" gilt heute unvermindert weiter. Wir erkennen dankbar an, - Kardinal Lehmann hat es im einzelnen erläutert - dass die seit Köln praktizierte Entschuldung Erleichterungen und Fortschritte gebracht hat. Aber das Ziel, Grund zu legen für eine menschengerechte Entwicklung, ist nicht erreicht worden. Deshalb muss der Prozess der Entschuldung weitergehen.
Er muss zunächst weitergehen in einer Fortführung der HIPC-Initiative. Unsere Erwartung ist, dass diejenigen Länder, welche die Bedingungen der Initiative erfüllen, aber bislang noch keinen Zugang gefunden haben, auch nach dem Auslaufen von HIPC II Ende 2004 die Möglichkeit für einen entsprechenden Schuldenerlass erhalten müssen. Wir begrüßen die Verabredung beim diesjährigen G 8-Gipfel in Sea Island, die Initiative um zunächst zwei Jahre fortzusetzen. Doch weisen wir auch darauf hin, dass zugleich geprüft werden muss, inwieweit die bislang nur an ökonomischen Kriterien gemessene Tragfähigkeit der Schulden einer Neudefinition bedarf, die die notwendigen Leistungen einer armutsorientierten Politik der jeweiligen Länder berücksichtigt. Die Strategiepapiere zur Armutsüberwindung (PRSP), die in den zu entschuldenden Ländern formuliert worden sind, müssen ihre Leitfunktion für die jeweilige Politik behalten, wenn nicht eine wesentliche Qualität der HIPC-Initiative verspielt werden soll.

Doch ist es damit nicht getan. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf zwei weitere Kernaussagen unserer gemeinsamen Stellungnahme:

Wir sind der Auffassung, dass die Entschuldung im Rahmen der HIPC II-Initiativ nur ein Zwischenschritt sein kann. Zu groß ist die Zahl der Länder außerhalb der Initiative und zu drückend ist die Schuldenlast, als dass das Problem der Entschuldung selbst mit einer Fortführung der Initiative, wie wir sie befürworten, als gelöst angesehen werden könnte. Es müssen Instrumente und Verfahren entwickelt werden, die auch den Menschen in anderen verschuldeten Ländern eine Perspektive zukunftsfähigen Lebens eröffnen. Ein wichtiger Schritt wäre die Entwicklung eines fairen und transparenten Schiedsverfahrens für überschuldete Staaten. Wir begrüßen das eindeutige Votum des Deutschen Bundestages für eine solche Regelung und unterstützen die Bundesregierung in ihrer Absicht, ein solches Verfahren international durchzusetzen.Die Entschuldungsinitiative hat dem Verständnis Bahn gebrochen, dass Armutsbekämpfung im Zentrum entwicklungspolitischen Handelns stehen muss. Weitere Bestätigung hat diese Sichtweise gefunden durch die Verabschiedung der Millenniums-Entwicklungsziele, mit denen sich die internationale Gemeinschaft auf eine Halbierung der extremen Armut bis zum Jahr 2015 verpflichtet hat. Die Steigerung der Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass die Millenniumsziele erreicht werden können. Die Weltbank spricht von einem zusätzlichen Finanzbedarf von jährlich 50 Milliarden US-Dollar. Eine Steigerung der öffentlichen Haushalte für Entwicklung, auch in unserem Land, ist unumgänglich.Wenn wir über Entschuldung, gerechte Entwicklung und Teilhabe an weltweiten Gütern reden, so sollten wir dies nicht tun, ohne einen Blick auf unsere eigene Geschichte zu werfen.
In Deutschland haben wir nach dem Krieg im Jahr 1953 von einem großzügigen Schuldenerlass profitiert, der die laufende Haushaltsbelastung für den Schuldendienst damals auf fünf Prozent der Exporteinnahmen absenkte. Die meisten Entwicklungsländer zahlen bis heute das Doppelte bis Dreifache. Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 war eine wirtschaftliche Anschubhilfe und ein politisches Signal, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir heute in einem demokratischen und wohlhabenden Land leben. Daraus erwächst eine historische Verantwortung, die wir fünf Jahre nach dem Kölner Gipfel in Erinnerung rufen: Geben wir etwas von dem weiter, das wir selbst empfangen haben. Setzen wir uns ein für eine gerechte Globalisierung, für die weltweite Geltung von Solidarität und Geschwisterlichkeit.

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz