| Pressemeldung

Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, im Anschluß an die Frühjahrs-Vollversammlung vom 22. bis 25. Februar 1999 in Lingen/Ems

Schwangerschaftskonfliktberatung Rezeption des Hirtenwortes zu "Ehe und Familie" - Perspektiven für die weitere Arbeit Brief an die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit zu einigen Fragen der Sexualität und Sexualpädagogik Woche für das Leben Heiliges Jahr 2000 Studien-Halbtag "Eucharistie und Kirche" Schutz des Sonntags in Deutschland und Europa Wort der Deutschen Bischofskonferenz zu den Sozialwahlen (April/Mai 1999) Besuch der Bischöfe aus Indien und Kolumbien Lage in Sierra Leone Kirchliche Arbeit in Mittel- und Osteuropa - Erfahrungsbericht der Aktion Renovabis
I. Pastorale Aufgaben
1. Schwangerschaftskonfliktberatung
Am 11.01.1998 hat Papst Johannes Paul II. den deutschen Bischöfen ein Schreiben übermittelt, in dem er zur Neuregelung der Schwangerenberatung Stellung nimmt. Der Papst anerkannte die Bemühungen der Kirche unseres Landes in dieser Sache, nicht zuletzt auch der Beraterinnen. Er hat uns aufgefordert, alle Möglichkeiten der Beratung und Hilfe zu nützen, uns noch kräftiger zu engagieren und dafür auch, soweit möglich, die Chancen der staatlich geregelten Beratung zu ergreifen. Der Papst sah jedoch - wie nicht wenige Beobachter und auch einige Bischöfe - in der Anlage des Beratungsnachweises ("Schein"), die Gefahr, daß sich die Kirche in Unrecht verwickelt, so daß die Klarheit und Eindeutigkeit des Zeugnisses für den Lebensschutz des ungeborenen Kindes verdunkelt wird. In diesem Zusammenhang hat der Papst die deutschen Bischöfe aufgefordert, nach neuen Wegen zu suchen, die diesen Mangel nicht mehr haben. Darum hat der Papst erklärt, Scheine der bisherigen Art sollten künftig nicht mehr ausgestellt werden. Ein offizieller Kommentar in Verantwortung des Staatssekretariates, am selben Tag veröffentlicht, hat zu verstehen gegeben, daß damit kein "Ausstieg" aus dem staatlichen Beratungssystem befohlen sei und hat eher von einem "Umstieg" gesprochen. Zur Interpretation dieses Briefes darf ich auf meine Einführung verweisen, die ich im Sinne eines einführenden Berichtes in Würzburg bei der Sitzung des Ständigen Rates am 25./26.01.1998 gehalten habe und der jetzt auch veröffentlicht ist (Der Schein des Anstoßes. Schwangerschaftskonfliktberatung nach dem Papstbrief. Fakten - Momente - Perspektiven, herausgegeben von J. Reiter, Freiburg, 1999, 54-76).

Die Arbeitsgruppe aus neun Mitgliedern und einigen Beratern, die von der Frühjahrs-Vollversammlung im März 1998 eingesetzt wurde, hat zwischen April 1998 und Januar 1999 unter Leitung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz intensiv gearbeitet und Mitte Januar den fertiggestellten Bericht im Umfang von ca. 40 Seiten erstellt und an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz versandt. Dieser Bericht der Arbeitsgruppe wird in dieser Pressekonferenz auch der Öffentlichkeit übergeben. Ich danke auch an dieser Stelle den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, denen die Deutsche Bischofskonferenz eine sorgfältige und hilfreiche Tätigkeit bescheinigt hat. Ebenso danke ich nicht wenigen Experten, die wir auch schriftlich um ihre Meinung befragt haben.

Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat sich bei seiner Sitzung am 25.01.1999 intensiv in einer vierstündigen Sitzung mit dem Entwurf, gleichsam in erster Lesung, beschäftigt. Der Vorsitzende wurde beauftragt, den Bericht der Arbeitsgruppe den verantwortlichen Instanzen in Rom zur Kenntnis zu bringen und bis zur Vollversammlung vom 22. bis 25. Februar 1999 in Lingen mit dem Heiligen Stuhl in Kontakt zu treten und eine erste Vorklärung zu versuchen. Dies ist am 18.02. vor allem in Gesprächen mit Kardinal Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation, und mit dem Kardinalstaatssekretär, Kardinal Sodano, erfolgt.

Die Vollversammlung in Lingen hat sich am Dienstag (23.02.) fast 8 Stunden mit dem Bericht der Arbeitsgruppe beschäftigt. Wir hatten eine sehr intensive, engagierte, aber auch faire und geradezu spannende Diskussion.

Dabei stand von Anfang an außer Zweifel, daß die Bischöfe auch angesichts verschiedener Bewertungen der Problematik der Beratungsstellen vollkommen darin übereinstimmen, daß die Abtreibung, die das Lebensrecht ungeborener Kinder mißachtet und auslöscht, einen unerträglichen Skandal und ein "verabscheuenswürdiges Verbrechen" (Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils "Gaudium et spes", Art. 51) darstellt. Die deutschen Bischöfe haben stets erklärt - schon seit den 70er Jahren -, daß sie sich mit den nach ihrer Meinung unzureichenden Gesetzen nicht abfinden werden. Wir haben jedoch gleichzeitig ein umfangreiches Beratungswesen ins Leben gerufen, das vom Deutschen Caritasverband und besonders vom Sozialdienst katholischer Frauen konsequent ausgebaut wurde und heute als integratives Konzept von Beratung und Hilfen hohe Anerkennung gefunden hat.

Wenn wir uns in unserem Land angesichts vieler Hilfen und der wirtschaftlich-sozialen Situation im ganzen gegen die hohen Abtreibungszahlen wenden, so vertreten wir nicht nur eine katholische Sondermeinung. Einmal gehört die Sorge um den Lebensschutz der ungeborenen Kinder zentral bereits zum frühen Christentum und ist dort keine Randfrage, sondern Mitte und Unterscheidung des christlichen Lebens. Aber auch unsere Verfassung hat mit der Verfassungsgerichtsbarkeit immer wieder festgestellt, daß die Abtreibung Unrecht ist und bleibt, also rechtswidrig ist. Ich übergehe im Augenblick die andere Situation mit den heute gültigen Indikationen (medizinische, kriminologische), die jedoch nur 2 % der Abtreibungen ausmachen. Wir haben auch von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, daß die Aufhebung der Straffreiheit der Abtreibung nach erfolgter und bestätigter Beratung in einem schwer zu vermittelnden und mißverständlichen Verhältnis zu diesem erklärten Unrechtscharakter steht. Dabei haben wir, wie der Bericht der Arbeitsgruppe zeigt, durchaus die positiven Aspekte des neuen Beratungskonzeptes seit 1993/95 im Auge, müssen aber immer wieder auf diese grundlegende Spannung aufmerksam machen. Ich darf in diesem Zusammenhang besonders auf die Seiten 6 bis 12 aufmerksam machen, wo die Chancen und Grenzen des Beratungskonzeptes ausführlich und präzise dargestellt werden.

Wenn wir uns intensiv um die Frage des bestmöglichen Weges zur Rettung ungeborener Kinder kümmern, erfüllen wir auch - freilich auf unsere Weise und aufgrund eines eigenen Auftrags - die Aufgabe von Staat und Gesellschaft, wie es bei uns in den beiden Verfassungsgerichtsurteilen von 1976 und 1993 niedergelegt ist. Wir sind jedoch der Meinung, daß sich die Bewußtseinsbildung für die Würde des ungeborenen Kindes in vielfacher Weise verschlechtert hat. Auch wenn das "Beratungskonzept" drei Jahre nach der Einführung noch nicht ausreichend ausgewertet werden kann, was übrigens nach dem Verfassungsgerichtsurteil Pflicht des Staates ist, so sind die letzten Teil-Statistiken nicht nur in der Größenordnung der Abtreibungen, sondern auch in einzelnen Zahlen alarmierend (z. B. sind mehr als 50 % der abtreibenden Frauen verheiratet). Haben schon die Folge-Gesetze nach den Verfassungsgerichtsurteilen von 1976 und 1993 den Forderungen nicht immer ausreichend Rechnung getragen, so haben wir den Eindruck gewonnen, daß die beiden letzten Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1997 (Kind als Schadensfall) und vom 27.10.1998 (Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz) diesen Lebensschutz zusätzlich geschwächt haben. Hinzu kamen skandalöse Spätabtreibungen im Zusammenhang der medizinischen Indikation, die auch in der Gesellschaft und bei den Ärzten, aber auch im politischen Raum Unruhe hervorgerufen haben. Das Vorhaben der Einführung der Abtreibungspille RU 486 und die Art der Diskussion um die Jahreswende 1998/99 haben die Überzeugung verstärkt, der Staat komme dem Auftrag zur Verteidigung des Lebensrechtes des ungeborenen Kindes nicht ausreichend nach und verletze damit eine elementare Pflicht. Wir haben immer stärker den Eindruck gewonnen, daß das Fundament der gesetzlichen Regelungen, nämlich der bleibende Unrechtscharakter jeder Abtreibung, immer mehr aus dem Bewußtsein schwindet. Dadurch wird aber die ohnehin schwierige Aufhebung der Strafandrohung, die im Blick auf die Beratung durchaus ihren Sinn hat, isoliert, verliert ihren Gegenhalt und wird nicht selten als eine Art "Recht zur Abtreibung" gedeutet. Dies wiederum hat die Bedenken vieler Christen, auch einzelner Bischöfe, besonders auch der Lebensrechtsgruppen, gegenüber dem Beratungskonzept, nun konzentriert im "Schein", verstärkt, so daß sie den Rückzug der Kirche aus diesem "Unrechtssystem" gefordert haben und fordern.

Ich habe die Zusammenhänge etwas deutlicher dargestellt, weil man nur im Gesamtzusammenhang die Problematik mit ihren vielen Aspekten versteht.

Der Bericht der Arbeitsgruppe hat nun vier Lösungswege vorgeschlagen. Aus vielen Schreiben, Anregungen, der Literatur und Expertenhinweisen haben wir diese Vorschläge zusammengestellt und eingehend beschrieben. Der erste Lösungsweg (12 ff.) hätte zur Konsequenz, daß die Kirche das Problem, Beratungsscheine dieser Art nicht mehr auszustellen, umfassend dadurch lösen könnte, daß überhaupt auf die Nachweispflicht gegenüber dem Arzt verzichtet wird. Beratungsnachweise würden dann von einer anerkannten Beratungsstelle nicht mehr ausgestellt. Dieser Weg würde uns zwar von der zwiespältigen Last des Beratungsnachweises befreien, hätte aber den Nachteil, daß wir den Rang und die Bedeutung des verfassungsmäßig grundgelegten Lebensschutzes durch einen totalen Rückzug aus der Pflichtberatung vermindern würden. Ein zweites Modell (13-20), das ausführlich behandelt ist, besteht darin, daß man auf eine gesetzliche Konfliktberatung im Sinne der §§ 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und des § 219 StGB in der Anwendung verzichtet und sich auf eine mehr generelle Sexualberatung beschränkt, wie sie im § 2 umfassend beschrieben ist. Hier soll auch über den Schwangerschaftsabbruch, über die Verhütung und die Familienplanung gesprochen werden. Hier handelt es sich nicht um eine anerkannte Beratungsstelle, die auch die Konfliktberatung durchführt. Wir haben viele Einwände gegenüber einer Beschränkung auf diese Form formuliert. Das "Fuldaer Modell" zielt, wenn man es überhaupt in einen Vergleich der gesetzlichen Vorgaben einbezieht, in diese Richtung. Es gehört in gewisser Weise zu diesem "Typ", auch wenn man besser von einem eigenen "Fuldaer Modell" spricht, wie wir es vor allem auch bei der Differenzierung der Abstimmung über die einzelnen Wege getan haben. Das dritte Modell, das nicht zuletzt auch von Praktikern entworfen worden ist, haben wir "Beratungs- und Hilfeplan" (20 ff.) genannt. Zunächst muß man unumwunden erklären, daß dieser Plan davon ausgeht, man könne unter bestimmten Voraussetzungen im recht verstandenen staatlichen Beratungssystem bleiben und noch intensiver versuchen, nicht nur die positiven Tendenzen des Gesetzes zu verstärken, sondern auch den spezifisch eigenen Auftrag noch besser zu profilieren. Der Name "Beratungs- und Hilfeplan" zeigt schon, daß die Integration von Beratung und Hilfe hier noch intensiver erfolgt. In einem umfassenderen Plan werden einzelne Beratungsschritte und Angebote an die schwangere Frau aufgeführt, also z. B. Beratung bei Wohnungssuche, Partnerschaftskonflikten, Ausbildungsproblemen usw. Diese Hilfen sind - soweit möglich - als feste Zusagen zu verstehen, weswegen sie auch eigens auf dem Plan dokumentiert werden.

Es besteht nun kein Zweifel - hier gab es bis heute morgen immer wieder falsche Meldungen -, daß dieser "Beratungs- und Hilfeplan" einen "Beratungsnachweis" im Sinne des Gesetzes darstellt. Wir haben die Nähe dieses "Beratungs- und Hilfeplans" zur staatlichen Konfliktberatung und damit auch zum Gesetz von 1995 in drei Varianten verschieden formuliert (z. B. Frage der Zitation von Gesetzestexten). Man kann sich auch verschiedene Formen darunter vorstellen, z. B. mehr die Form eines Briefes oder eines allgemeineren Dokumentes. Darüber haben wir diskutiert, aber keine Entscheidung gefällt.

Viel schwieriger und wichtiger ist die Frage des Verhältnisses eines solchen "Beratungs- und Hilfeplans" zu den Forderungen des Papstes. Zunächst muß man ehrlich erklären, daß dieser Lösungsweg von einem Verbleiben im Beratungskonzept ausgeht, wobei die Bedenken nicht nur deutlich gesehen, sondern auch sehr ernsthaft erwogen wurden. Wir waren in der Arbeitsgruppe auch der Meinung, daß es sich hier trotz des Verbleibens im Beratungskonzept und im gesetzlichen Beratungssystem um einen "Schein" anderer Art handelt, daß er eben von einer anderen Qualität ist. Hier ist natürlich nicht so leicht Übereinstimmung zu erzielen, denn selbstverständlich ist dieser Schein auch mit den Mängeln behaftet, die wir ohne Gesetzesänderung nicht beseitigen können. Neue Gesichtspunkte sehen wir darin:
Eindeutige Qualifizierung des Zieles der Beratung und des Nachweises zum Lebenserhalt;Beratung hat nur diesen Sinn;unzertrennbare Integration von Beratung und positiven Hilfen;Anhebung der Schwelle in Richtung einer Abtreibung durch ein erhöhtes Beratungs- und Hilfsangebot; durch die Selbstverpflichtung der Beratungsstellen zur Gewährung von Hilfeleistungen erhält der Beratungsnachweis wohl auch eine weitere rechtliche Dimension und Funktion: Die Zusagen sind verbindlich. Wie weit sie auch im einzelnen rechtlich eingefordert werden können, muß überprüft werden. Dadurch werden die Eigenständigkeit und die Unabhängigkeit der kirchlichen Beratung und Hilfe wesentlich verstärkt. Der Beratungs- und Hilfeplan erinnert die schwangere Frau durch seine Anlage und seinen Text, besonders evtl. durch die Briefform (die Anrede und die Schlußformel), an die Überlegungen im Rahmen des Beratungsgesprächs und an Möglichkeiten einer Lösung des Konflikts. In diesem Sinne unterstützt der Beratungs- und Hilfeplan den Prozeß weiterführender Beratung und Begleitung; er ist im ganzen ein einziges Zeugnis für das Leben und in keinem Fall irgendein Hinweis für die Akzeptanz eines Abbruchs. Es ist deshalb ein anderer Schein, weil nun die im Beratungskonzept eher dokumentierende als konstitutive Funktion des Beratungsscheins überzeugender herausgearbeitet ist und besser verstanden werden kann. Wir können jedoch das anfangs aufgezeigte Dilemma auch durch diesen Schein anderer Art nicht vollends beseitigen. Dies ist und bleibt eine Schwäche dieses sonst durchaus begrüßten Vorschlags.

Einen vierten Lösungsweg haben wir aufgenommen und diskutiert, weil er sehr oft vorgeschlagen worden ist. Wir sind davon ausgegangen, daß die Beratungsstelle selbst keinen Schein ausstellen würde, daß aber der abtreibende Arzt sich durch Rückfrage bei der Beratungsstelle der erfolgten Beratung versichert und so der Nachweis auf diesem Weg erbracht wird. Hier gibt es verschiedene Varianten, angefangen von einer eidesstattlichen Erklärung der Frau, die wir nicht im einzelnen ausgearbeitet haben. Wir haben im Blick auf dieses Modell jedoch auch selbst schon die Einwände formuliert (25 ff.). Einmal ist es das Problem der Glaubwürdigkeit, wenn die Beratungsstelle dann doch, wenn auch mündlich, die Beratung bestätigt. Außerdem rückt ein solcher Bescheid, der im unmittelbaren Kontext einer geplanten Abtreibung steht, den Beratungsnachweis noch viel näher an das Abtreibungsgeschehen heran. Schließlich gibt es wohl auch datenschutzrechtliche Bedenken mit der Rückfrage des Arztes in der Beratungsstelle. Aber auch hier handelt es sich um eine Lösung, bei der kein Schein ausgestellt wird. Dieser Vorschlag ist uns oft gemacht worden. Es hat auch seinen guten Sinn, sich an Vorschlägen abzuarbeiten, die deutlich ihre Grenzen aufweisen.

Es ist überhaupt eine wichtige Erkenntnis der Arbeitsgruppe, daß es aus vielen Gründen nicht den idealen Weg zur Hilfe gibt. Alle Wege haben je auf ihre Weise Vor- und Nachteile. Die Einschätzung dieses Für und Wider erfolgt auf dem Weg der Güterabwägung und ist in das Ermessen und Erwägen gestellt. Hier kann man eben auch verschiedener Meinung sein. Es kommt darauf an, welchen Preis man für einen konkreten Lösungsweg bezahlt. Dies ist aber nicht nur eine Erwägung der Güterabwägung. Theologisch ist auch deutlich, daß wir vor einer bleibend schwierigen Situation stehen. Solange es in der Menschheitsgeschichte Abtreibungen geben wird, muß es immer wieder Versuche geben, sie zu vermeiden. Diese Hilfen wollen etwas regeln, was nicht sein soll. Dabei kann es nie "glatte" Lösungen geben. Es handelt sich immer um eine Art "Notordnung". Dabei ist die unterschiedliche Richtung mancher Gesichtspunkte deutlich zu sehen. Die Nähe zu den Frauen, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, und ihre Beratung sowie das Angebot von Hilfen ist eine wichtige Forderung, die in den konkreten Fällen natürlich einhergeht mit dem geschilderten Dilemma der Konfliktberatung.

Die Bischöfe haben, wie eingangs gesagt, intensiv diesen Bericht, nun gleichsam in zweiter Lesung, besprochen. Wir haben uns nichts geschenkt. Wir haben miteinander gerungen. Wir sind aber beieinander geblieben.

Selbstverständlich war es jetzt nicht möglich, daß wir allein mit der Autorität der Deutschen Bischofskonferenz eine endgültige Lösung beschließen. Jedoch sollte klar sein, welchen Weg wir selber gehen möchten. In diesem Sinne war auch eine Entscheidung gefordert, freilich vorläufiger Art. Es ist uns selbstverständlich, daß wir im Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl handeln. Für solche Vorgänge haben wir von der Praxis und vom Recht her eine Form der Abstimmung, die wir auch bei bestimmten Fragen in den Diözesansynoden gebraucht haben. Es handelt sich um ein sogenanntes Votum. Ein Votum ist zwar eine echte Entscheidung eines Gremiums, wodurch die Richtung einer Meinungsbildung erkennbar wird. Sie ist also mehr als nur ein Stimmungsbild. Aber ein solches Votum hat keine Rechtskraft aus sich selbst.

Wir haben am Mittwoch-Vormittag eine solche Abstimmung im Sinne eines Votums unternommen. Bewußt wurde eine Nacht dazwischen gelegt. Wir haben aber den Vorabend auch dazu benutzt, um im Gebet noch einmal die Verantwortung einer Entscheidung vor Gott auszuloten. Am gestrigen Abend, also nochmals nach einer Besinnungspause, haben wir den mehrfach überarbeiteten Protokollentwurf intensiv beraten und nach 1 1/2 Stunden einstimmig verabschiedet.

Ich bitte Sie nun um Verständnis, wenn ich die einzelnen Abstimmungsergebnisse zu den aufgezeigten Wegen nicht jetzt bekanntmachen kann. Der Papst ist der Adressat unserer intensiven Meinungsbildung. Es ist nicht nur eine Sache der Höflichkeit, daß er als erster authentisch über unser Ergebnis informiert wird, sondern es ist auch Respekt gegenüber dem Amt, das die Kompetenz zur Entscheidung hat.

Wir sind dem Heiligen Vater auch heute noch dankbar, daß er uns aufgetragen hat, nach neuen Lösungswegen zu suchen. Wir hatten längere Zeit die Möglichkeit, daß wir mit allen Mitteln darüber nachdenken und auf der Ebene unserer Verantwortung Vorschläge machen. Diese Beteiligung an der Entscheidung hat gewiß auch ihr Gewicht. Wir wollen dem Heiligen Vater dieses Ergebnis als Resultat der umfassenden gemeinsamen Beratung, der persönlichen Gewissensentscheidung der deutschen Bischöfe und vieler fachlicher Bemühungen übergeben. Es ist für unser Selbstverständnis entscheidend, daß in den jetzt anstehenden Fragen die Kollegialität der Bischöfe und das Zusammenwirken mit dem Papst im kirchlichen Rahmen und auch in der öffentlichen Wirkung nicht in Frage gestellt werden. Wir gehen davon aus, daß diese grundlegende Sicht auch vom Apostolischen Stuhl geteilt wird und die dortige abschließende Meinungsbildung bestimmen wird.

Als Vorsitzender bin ich gebeten worden, dem Heiligen Vater dieses Ergebnis der Beratung in der Deutschen Bischofskonferenz bis zu dieser Vollversammlung, also auch einschließlich des Ergebnisses der Studie der Arbeitsgruppe und der Beratungen im Ständigen Rat am 25.01., und das Votum der deutschen Bischöfe für die künftige Gestaltung der kirchlichen Schwangerschaftskonfliktberatung und für die Lösung der Problematik des Beratungsnachweises zu übermitteln. Wir erwarten dann eine letzte Konsultation, deren Form wir nicht vorausbestimmen können und wollen. Es gibt selbstverständlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch kein Datum für die nächsten Schritte.

Als ich vor einer Woche am 18.02. aus Rom zurückkam, habe ich am Abend den Bischöfen einen Fax-Rundbrief geschickt. Darin habe ich "verhaltene Zuversicht" signalisiert. Wenn ich auf diese drei Tage der Beratung zurückblicke, dann glaube ich, daß die Vollversammlung der damit verbundenen Erwartung gerecht geworden ist. Wir haben auch bei unterschiedlichen Meinungen im einzelnen ein hohes Konsenspotential, das wir mobilisieren können. Wir müssen in dieser gesamten Frage ohnehin geistig offensiver werden und eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das Thema muß auch stärker die Glaubensunterweisung und Katechese, den Religionsunterricht und die Erwachsenenbildung bestimmen.

Nun aber kehren wir den Weg wieder um und wollen, ebenso nun mit verhaltener, aber gestärkter Zuversicht erneut Kontakte mit den verantwortlichen Instanzen in Rom und besonders mit dem Papst aufnehmen. Ich bin sicher, daß unsere Bemühungen respektiert werden und wir eine Lösung finden. Dabei sind wir alle in gleicher Weise überzeugt, daß bald eine Entscheidung getroffen werden muß. Unsere lange Meinungsbildung ist dabei kein Zeichen der Schwäche oder Unsicherheit, sondern der Stärke, weil wir notwendige Klärungen, für die es kein Vorbild gibt, mit allem Ernst und allen Mitteln vornehmen müssen und wollen.

Ich danke Ihnen für Interesse und für Ihre Mitwirkung bei der Verbreitung dieser Ergebnisse.

2. Rezeption des Hirtenwortes zu "Ehe und Familie" - Perspektiven für die weitere Arbeit
Die Vollversammlung befaßte sich auch mit den Reaktionen auf das Gemeinsame Wort der deutschen Bischöfe zu Ehe und Familie und beriet Möglichkeiten, die Anliegen des Hirtenwortes langfristig präsent zu halten und wirksam werden zu lassen.

Das Hirtenwort legte das christliche Grundverständnis von Ehe und Familie dar und betonte deren Bedeutung sowohl für das Leben der Menschen als auch für das Wohl und die Zukunft der gesamten Gesellschaft. Deshalb forderten die Bischöfe die Politiker auf, dem von der Verfassung garantierten besonderen Schutz von Ehe und Familie in ihren Vorhaben gerecht zu werden sowie die gesellschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern.

Das Wort zu Ehe und Familie stieß bei seiner Vorstellung auf großes Interesse der gesellschaftlichen und kirchlichen Öffentlichkeit. Es wurde in den Medien aufmerksam wahrgenommen und auch in der außerkirchlichen Öffentlichkeit vielfach positiv bewertet. Eine sinnentstellende Wiedergabe und Interpretation gab es allerdings von seiten einiger Verbände homosexueller Menschen, die im Hirtenwort Homosexuelle als Feinde der Gesellschaft dargestellt sahen. Als schädlich für die Gesellschaft bezeichnet das Hirtenwort jedoch Bestrebungen, die grundlegende Bedeutung von Ehe und Familie zu bestreiten und ihren besonderen rechtlichen Schutz einzuebnen.

Eine Bestätigung der politischen Forderungen des Hirtenwortes sehen die Bischöfe im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Steuerfreibeträgen für Familien. Es mahnt den Gesetzgeber nachdrücklich, dem besonderen Schutz sowohl der Ehe als auch der Familie in seinem Handeln Rechnung zu tragen. Es macht weiterhin deutlich, daß Familien allein im Steuersystem bisher in erheblichem Umfang benachteiligt sind und weitreichende Verbesserungen vorgenommen werden müssen. Es fordert zum Umdenken heraus: Gerechte und förderliche Rahmenbedingungen für das Leben in Familie sind nur zu erreichen, wenn in Politik und Gesellschaft eine deutliche Verlagerung der Prioritäten vorgenommen wird. Die Lebensbedingungen von Familien verdienen die gleiche Aufmerksamkeit und Sorge wie die Standortbedingungen der Wirtschaft, denn Ehe und Familie sind unersetzbare Lebensgrundlage der Gesellschaft.

3. Brief an die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit zu einigen Fragen der Sexualität und Sexualpädagogik
Wir haben den Entwurf eines Briefes der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen der Sexualität und der Sexualpädagogik diskutiert, mit dem wir uns an die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit wenden wollen. Es gibt heute eine große Verunsicherung in Fragen der Sexualerziehung. Viele Verantwortliche ringen darum, wie die kirchlichen Normen und die darin zum Ausdruck kommenden Wertorientierungen in Fragen der Sexualität in der Jugendarbeit zur Sprache gebracht werden können.

Uns ist es ein Anliegen, das Gespräch über diese Fragen in einem guten Geist und angstfreier Atmosphäre fortzusetzen. Wir wollen in einen Austausch treten, über die Wertvorstellungen Jugendlicher und über christliche Sinngehalte menschlicher Sexualität. Diesen Austausch will der Brief der Jugendkommission anregen.

Zu den Grundvoraussetzungen einer kirchlich verantworteten Sexualpädagogik in der Jugendarbeit gehört ein sorgfältiges Wahrnehmen der heutigen Situation. Der Brief beschreibt deshalb Ambivalenzen und Widersprüche im Umgang mit Sexualität, die die heutige Situation prägen: z.B. die zunehmende Sexualisierung des ganzen Lebens, veränderte Familiensituationen, die Bewertung vorehelicher Enthaltsamkeit, Einstellungen zu homosexuellen Beziehungen. Uns ist bewußt, daß es zwischen den kirchlichen Normen zum Sexualverhalten und dem tatsächlichen Verhalten vieler Jugendlicher und Erwachsener einen tiefen Graben gibt. Aber wir sehen nicht nur die Gefahr einer zunehmenden Banalisierung und Instrumentalisierung der Sexualität, sondern gleichzeitig bei vielen Jugendlichen eine wirkliche Hochschätzung personal orientierter Wertvorstellungen, wie Treue, Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitiger Akzeptanz, Zärtlichkeit und Wahrhaftigkeit. Auch diese ermutigenden Tendenzen, die durchaus Anlaß zur Freude sein können, werden im Brief benannt.

Daß frühere Erfahrungen mit kirchlicher Sexualerziehung auch Verletzungen hervorgerufen haben können, wird nicht verschwiegen.

Den Glauben, das Leben und die Lehre der Kirche als Wegweisung und Orientierung auch für den wichtigen Lebensbereich der Sexualität deutlich zu machen, ist unser wichtigstes Anliegen. Was Jesus Christus und mit ihm die biblische Botschaft, wie sie in der Kirche lebendig ist, sagen, wird für das Verständnis einer christlich gelebten und verantworteten Sexualität fruchtbar gemacht. Hierzu und zu der Frage, wie die Kirche Jugendliche in ihrer Verantwortung ernst nehmen und sie auf ihrem Lebensweg begleiten kann, gibt der Brief Anregungen und lädt ein zum Gespräch. Der Text in Briefform wurde von der Vollversammlung sehr begrüßt. Er wird nach Einarbeitung von Modi bald verabschiedet.

4. Woche für das Leben
Im Zusammenhang unserer Bemühungen um den Schutz des ungeborenen Lebens steht auch die Woche für das Leben, die wir seit 1991 - seit 1994 gemeinsam mit der Evangelischen Kirche - zu unterschiedlichen Aspekten des Lebensschutzes durchführen. Die seit neun Jahren behandelten Schwerpunktthemen, wie Sterbehilfe und Sterbebegleitung, Leben mit Behinderung, Abtreibung und Pränatale Diagnostik stoßen auf reges Interesses in vielen Gemeinden, Verbänden und darüber hinaus in einer breiteren Öffentlichkeit. Jedes Jahr finden auf lokaler und regionaler Ebene Hunderte von Einzelveranstaltungen statt, die auf besonders sensible Bereiche des Lebensschutzes aufmerksam machen. Mit ihren Arbeitsmaterialien wirkt die Woche für das Leben lange über die eigentliche Aktionswoche hinaus. Wir sind überzeugt, daß wir mit ihr ein wichtiges Instrument der Bewußtseinsbildung haben. In diesem Jahr (2.-8. Mai) steht unter dem Motto "Gottes Erde - Zum Wohnen gemacht" die Aufgabe des Umweltschutzes im Mittelpunkt.

Für das kommende Jahr gibt es Überlegungen, die bisher behandelten Themen zu bündeln und auf unverzichtbare ethische Grundhaltungen im Zusammenhang mit dem Lebensschutz zu konzentrieren. Im kommenden Jahr wollen wir ein Signal zu setzen für die Bedeutung, die dem Schutz des Lebens in seinen unterschiedlichen Phasen zu Beginn des kommenden Jahrtausends zukommt.

5. Heiliges Jahr 2000
Der Beauftragte für das Jahr 2000, Weibishof Dr. Hans-Jochen Jaschke (Hamburg), hat über den Fortgang der Vorbereitungen auf das Jubilämsjahr berichtet. Die Materialien werden den über 10 000 Pfarrgemeinden bis Mitte des Jahres in einem "Aktionskoffer" zugestellt. Mit der Evangelischen Kirche in Deuschland (EKD) werden wir die vereinbarten ökumenischen Beiträge zum Jahr 2000 weiter verfolgen.

II. Ökumene
Studien-Halbtag "Eucharistie und Kirche"
Die Studientage zu verschiedenen Themen, die auf jeder Vollversammlung ihren Platz haben, sind nicht unmittelbar auf konkrete praktische Schlußfolgerungen ausgerichtet. Es geht vielmehr um eine grundsätzliche Erörterung eines Themas. Wir haben uns am Mittwoch fast einen Tag Zeit genommen, um uns ausführlich mit den theologischen Grundlagen und dem Zusammenhang von kirchlicher Gemeinschaft und Eucharistie zu befassen. Als Experten standen uns dabei Prof. Dr. Aloys Klein (Paderborn), Frau Prof. Ilona Riedel-Spangenberger (Mainz) und Prof. Dr. Lothar Ullrich (Erfurt) zur Seite.

Die Frage einer "eucharistischen Gastfreundschaft" ist mit vielen Erwartungen und Hoffnungen verbunden. Es gibt aber auch viele Mißverständnisse, unter anderem im Zusammenhang mit dem Ökumenischen Christentreffen in Berlin im Jahr 2003 und der hier vielfach erwarteten Eucharistiegemeinschaft. Anlaß zu Irritationen gab auch die Antwort der Ökumenekommission auf eine Anfrage der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Nürnberg bezüglich konfessionsverschiedener Ehen im vergangenen Jahr.

Im Geheimnis der Eucharistie, das im Zentrum unseres Glaubens steht, schenkt Gott sich selbst dem gläubigen Menschen hin und ermöglicht so eine tiefe Gemeinschaft mit ihm selbst und der Teilnehmer am eucharistischen Mahl untereinander. Bis in die Neuzeit hinein war das Eucharistieverständnis geprägt von diesem inneren Zusammenhang von Eucharistie und kirchlicher Gemeinschaft. Ein heilsindividualistisches Verständnis ist der Eucharistie wesensfremd. Weil das katholische Eucharistieverständnis diesen engen Zusammenhang mit der kirchlichen Gemeinschaft beinhaltet, setzt eine wechselseitige Teilnahme der Konfessionen an Eucharistie und Abendmahl aus unserer Sicht die Übereinstimmung in den wesentlichen Glaubenswahrheiten voraus.

Dies bedeutet, daß ein wichtiges Kriterium für die Teilnahme an der Eucharistie grundsätzlich die Zugehörigkeit oder die Nähe zur katholischen Kirche ist.

Das universale Kirchenrecht kennt Ausnahmeregelungen, die im Falle eines physischen oder geistlichen Notstandes auch nichtkatholischen Christen die Zulassung zur Eucharistie ermöglichen. Ein solcher Notstand liegt jedoch nicht bereits in einer konfessionsverschiedenen Ehe als solcher vor. Jede Ausnahmeregelung in Absprache mit dem verantwortlichen Seelsorger muß sich an der tatsächlchen Übereinstimmung im Glaubensbekenntnis orientieren.

Auf der Grundlage und in Fortführung unserer Beratungen wird die Ökumenekommission in Zusammenarbeit mit der Glaubenskommission und der Pastoralkommission eine Erklärung der Deutschen Bischofskonfernz zu dem Thema vorbereiten.

III. Gesellschaftliche und soziale Aufgaben
1. Schutz des Sonntags in Deutschland und Europa
Mit Sorge beobachten wir Entwicklungen, die den Schutz des Sonntags zunehmend durchlöchern. Durch immer mehr Ausnahmeregelungen wird praktisch der verfassungsrechtlich garantierte Schutz des Sonntags aufgehoben. Wirtschaftliche Interesse dürfen aber nicht allein ausschlaggebend sein, wenn es zu Ausnahmeregelungen kommt, denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Der Wechsel von Arbeit und Ruhezeit gehört zur menschlichen Existenz und der freie Sonntag gehört zu unserer Kultur. Für uns Christen ist der Sonntag zudem der Tag des Gottesdienstes. Wir haben gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wiederholt auch darauf hingewiesen und uns für den Schutz des Sonntags eingesetzt.

Angesichts der europäischen Dimension dieser Frage, werden wir auch auf der Ebene der europäischen Bischofskonferenzen die Frage nach dem Schutz des Sonntags aufgreifen.

2. Wort der Deutschen Bischofskonferenz zu den Sozialwahlen (April/Mai 1999)
Zu den Sozialwahlen, die im April und Mai dieses Jahres stattfinden, hat die Vollversammlung einen Aufruf verabschiedet (Anlage 2).

Bei den Sozialwahlen kandidieren das Kolpingwerk, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und der Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmer auf einer gemeinsamen Liste. Es geht ihnen um das gemeinsame Anliegen, Stimme der Christen zu sein und christliche Werte in die Entscheidungen der Sozialversicherungen einzubringen. Die Deutsche Bischofskonferenz ruft daher dazu auf, sich an den Sozialwahlen 1999 zu beteiligen und das Engagement der christlichen Sozialverbände zu stärken.

IV. Weltkirche
1. Besuch der Bischöfe aus Indien und Kolumbien
Im Rahmen der diesjährigen Misereor-Aktion sind Weihbischof Vincent M. Concessao (New Dehli) und Bischof Juan Francisco Sarasti Jaramillo (Ibgué-Tolima) in Deutschland. Sie haben uns im Rahmen einer abendlichen Zusammenkunft über die Lage in ihren Ländern berichtet. Bischof Jaramillo hat der Deutschen Bischofskonferenz ausdrücklich für ihre Mithilfe und Unterstützung bei dem Zustandekommen von Friedensgesprächen in Kolumbien gedankt und die Hoffnung ausgedrückt, daß diese Unterstützung auch weiterhin möglich ist.

Zur Lage in Indien haben wir folgende Erklärung verabschiedet:

Angesichts der Verschärfung der gegen die christliche Minderheit in Indien gerichteten Ausschreitungen haben wir uns in unseren Beratungen auch mit der derzeitigen Lage der Christen in Indien befaßt. Diese religiöse Minderheit von nur wenig mehr als zwei Prozent der Bevölkerung ist inzwischen nicht mehr nur Opfer vereinzelter Übergriffe. Im Zeichen wachsender Intoleranz richtet sich offenbar eine planmäßige und längerfristig angelegte Strategie gegen die Christen, die ihre Verdrängung aus der Gesellschaft anzustreben scheint. Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge.

Durch die Zerstörung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, durch die Tötung von Geistlichen und die zwangsweise Konversion von Christen, die überwiegend den benachteiligten Schichten der indischen Gesellschaft angehören, gefährden fanatisierte Extremisten den Frieden zwischen den Religionsgemeinschaften und das verfassungsmäßig garantierte Menschenrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Wir danken der Bundesregierung und anderen westlichen Regierungen, die ihre Besorgnis im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte in Indien offiziell bekundet haben. An die Bundesregierung appellieren wir, in ihren Bemühungen um den Schutz der Menschenrechte nicht nachzulassen und sich weiterhin insbesondere für das Recht auf Glaubensfreiheit, für die Verbesserung der Rechtsstellung der Frau und der sozialen Lage vor allem der Kastenlosen und Ureinwohner einzusetzen und diese Anliegen mit dem gebotenen Nachdruck auf allen Ebenen der politischen Gespräche präsent zu halten.

Wir bringen unsere Hoffnung zum Ausdruck, daß sich Politik und Gesellschaft in Indien verstärkt auf die weltweit gerühmte indische Tradition der religiösen und kulturellen Toleranz besinnen und den extremistischen Machenschaften wirksam begegnen.

2. Lage in Sierra Leone
In Sierra Leone versucht die Revolutionary United Front (RUF) seit zwei Monaten ihren zum Tod verurteilten Führer Foday Sankoh gewaltsam zu befreien. Dabei überzieht sie das Land mit Terror und Greueltaten, die sich gegen alle richten, die die RUF nicht aktiv unterstützen. Darunter fallen auch internationale Hilfseinrichtungen und nationale und kirchliche Strukturen.

Neben den entsetzlichen und unbegreifbaren Vergehen der RUF an der Zivilbevölkerung, an Kirchenangehörigen und ausländischen Missionen geschehen unerhörte Grausamkeiten an den schwächsten und schutzbedürftigsten Gliedern jeder Gesellschaft - den Kindern. Sie werden zwangsrekrutiert, durch Vergewaltigung und Drogen zu Mord und Gehorsam gezwungen. Kinder, die auf diese Weise seelisch verstümmelt werden, können die Zukunft ihrer Heimat nicht friedlich gestalten. Sie werden zu Haß erzogen und werden weiter hassen. Jede Art von Auseinandersetzung werden sie in ihrem späteren Leben gewaltsam zu lösen suchen oder aber gelähmt und isoliert durch ihre quälenden Erinnerungen vor sich hinvegetieren.

Wir deutschen Bischöfe ermahnen alle, die an den Friedensbemühungen beteiligt sind - Vertreter der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der Regierungen der umliegenden afrikanischen Staaten, der beteiligten europäischen und amerikanischen Staaten, aber vor allem die RUF und die Regierung in Sierra Leone daran zu denken, daß alle politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Ziele auf Dauer nur verwirklicht werden, wenn nachfolgende jüngere Generationen mit ungebrochener Seele und Verstand in Frieden an ihnen arbeiten können.

Wir beten für alle, die sich in Sierra Leone mutig für die Opfer der Greueltaten einsetzen und für diejenigen, die sich weltweit sorgen um Angehörige, Freunde, Mitarbeiter und Bekannte, deren Schicksal vielleicht noch nicht einmal bekannt ist. Aus dem Glauben an die Liebe Gottes werde ihnen Kraft für ihre Aufgaben und Hoffnung für ihre Ängste zuteil. Wir beten auch für alle Opfer und Täter, daß sie die Gnade Gottes erfahren, die Gnade der Vergebung und die Gnade der Einsicht und Reue.

3. Kirchliche Arbeit in Mittel- und Osteuropa - Erfahrungsbericht der Aktion Renovabis
Sechs Jahre nach der Gründung von Renovabis als "Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa" hat uns der Geschäftsführer, Pater Eugen Hillengass SJ, über bisher geleistete Hilfen und die zukünftigen Planungen informiert. Der Auftrag des jüngsten Hilfswerks der katholischen Kirche bezieht sich über die Gewährung materieller Hilfen hinaus auf den Aufbau von Partnerschaften und die Information über die Situation, insbesondere der Kirchen, in Mittel- und Osteuropa.

Seit 1993 wurden von Renovabis rund 5000 Projekte gefördert und mit einer Gesamtsumme von fast 252 Millionen DM unterstützt. Bei der Projekthilfe folgt Renovabis einem ganzheitlichen Ansatz, d.h. pastorale, sozialkaritative und entwicklungsbezogene Projekte werden bezuschußt. Auch die ökumenische Ausrichtung der Projekte ist ein wichtiges Förderungskriterium. Die Schwerpunkte der Projektarbeit sind von Land zu Land verschieden. Neben dem Aufbau von Katechese, der Ausstattung von Schulen, der Strukturförderung von Bischofskonferenzen und Diözesen und der Erstausstattung von Pfarrgemeinden werden unter anderem auch Existenzhilfen für Priester und Ständige Diakone geleistet.

Renovabis steht heute mit mehr als 1300 Personen, Gruppen und Pfarrgemeinden in Verbindung, die sich partnerschaftlich in Mittel- und Osteuropa engagieren. Die Vermittlung der Arbeit von Renovabis in den Diözesen, Dekanaten und Pfarrgemeinden stellt einen wesentlichen Teil der Dialogarbeit dar und wäre ohne das Zusammenwirken mit den Ansprechpartnern, die Renovabis in jeder Diözese hat, nicht zu leisten.

Ein wichtiges Mittel der Information über die Situation in Mittel- und Osteuropa bildet die jährliche Pfingstaktion mit ihren Veranstaltungen in jeweils verschiedenen Diözesen. Noch immer sind uns die Nachbarländer im Osten weitgehend unbekannt. Gegenseitige Verständniswerbung ist auch im kirchlichen Raum geboten.

Seit 1993 wird an einem Sonntag vor Pfingsten, jetzt am Pfingstsonntag eine Kollekte durchgeführt, die der Arbeit von Renovabis zugute kommt und in ihrem Aufkommen ständig wächst. Das Gesamtergebnis aus Kollekten und Spenden betrug 1998 fast 24 Millionen DM. Sie konnten zur Förderung der Kirchen in Mittel- und Osteuropa gut verwendet werden.

V. Personalien
Die Vollversammlung hat den Bischof von Trier, Dr. Hermann Josef Spital, zum stellvertretenden Vorsitzenden der Pastoralkommission gewählt.Der Erzbischof von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky, wurde zum Vorsitzenden der Unterkommission der Pastoralkommission "Frauen in Kirche und Gesellschaft" gewählt. Weihbischof Dr. Ludwig Schick (Fulda), wurde zum Mitglied dieser Unterkommission gewählt. Weihbischof Otto Georgens (Speyer) scheidet aus der Unterkommission aus.Der Bischof von Erfurt, Dr. Joachim Wanke, wurde als Vorsitzender der Unterkommission der Pastoralkommission "Grundfragen der Gemeinde- und Sakramentenpastoral" entpflichtet. Zum Nachfolger wurde Weihbischof Dr. Paul Wehrle (Freiburg) gewählt.Zum Mitglied der Glaubenskommission wurde der Bischof von Erfurt, Dr. Joachim Wanke, gewählt. Mitglieder der Pastoralkommission wurden der Bischof von Magdeburg, Leopold Nowack, und Weihbischof Dr. Franz Dietl (München und Freising). Der Bischof von Magdeburg scheidet als Mitglied der Jugendkommission aus.Weihbischof Bernhard Haßlberger (München) wurde zum Mitglied der Unterkommission Mittel- und Osteuropa der Kommission Weltkirche gewählt. Die Vollversammlung hat der Kandidatur von Pfarrer Rolf-Peter Cremer (Aachen) für eine weitere Amtszeit von drei Jahren als Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zugestimmt.Die Vollversammlung hat beschlossen, für die beiden Volksgruppen der Sudeten- und Karpatendeutschen jeweils eigene Visitatoren zu berufen. Für die Dauer von fünf Jahren wurden ernannt Pfarrer Bertold Grabs zum Visitator für die Priester und Gläubigen aus der Freien Prälatur Schneidemühl; Geistlicher Rat Andreas Straub zum Visitator für die Seelsorge an den Donauschwaben und den Deutschen aus Südosteuropa und Pater Eugen Reinhardt SVD zum Visitator für die Deutschen aus Rußland.Ebenso beruft die Vollversammlung für die Dauer von fünf Jahren P. Norbert Schlegel OPraem zum Visitator der Sudetendeutschen und P. Julius Groß SDB zum Visitator der Karpatendeutschen. Die Vollversammlung hat die Berufung von Pater Eugen Hillengass SJ zum Geschäftsführer der Aktion RENOVABIS bis zur Herbst-Vollversammlung 2002 erneuert.

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