| Pressemeldung | Nr. 031

Predigt von Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) am 25. Februar 2015 bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz

Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Schwestern, liebe Brüder,

wer ist der Größte unter uns? Diese Frage stellt sich in vielen Gruppen und Gemeinschaften – sei es in Schulklassen, in Priesterseminaren, in Arbeitsteams der sogenannten freien Wirtschaft und auch unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im pastoralen Dienst.

Selten aber, dass sich einer hinstellt und offen sagt: Ich bin der Größte. Jesus tut das. Er sagt uns heute im Evangelium, dass er mehr ist, als es Jona zu seiner Zeit war und ebenso, dass er mehr ist, als es Salomo gewesen ist. Wie kommt er dazu? Was maßt er sich an?

Wo bleibt da die Demut, die in der kirchlichen Tradition so hoch beschworen wird? Was wir heute im Evangelium von Jesus zu hören bekommen, ist schon harter Tobak. Da ist jemandem die Hutschnur gerissen und er sagt eindeutig und endgültig: Alles, was Ihr wissen müsstet, um richtig zu leben, das habt Ihr bereits erhalten.

Jona hat es Euch gesagt und Salomo hat es Euch gesagt. Und das bestätige ich endgültig und unüberbietbar, denn ich bin mehr als Jona und mehr als Salomo. Das Zeichen des Jona und die Weisheit des Salomo – das zusammen bin ich. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Mehr geht nicht.

40 Tage lang sind wir jedes Jahr in der österlichen Bußzeit eingeladen, das zu erkennen. 40 Tage – so lang war die Schonzeit für die Menschen aus Ninive und so lange wurde Jesus selbst vom Heiligen Geist in der Wüste geführt. 40 Tage sind uns geschenkt, uns darauf zu besinnen, dass nicht die Logik von Gewalt und Gegengewalt, nicht die Logik von Herren und Knechten, nicht die Logik von Missbrauch und Ausbeutung auf dieser Welt das letzte Wort haben, sondern Gottes Güte und Gerechtigkeit. Diese Gerechtigkeit, die endgültig im Reich Gottes erfahren wird, wenn alle Tränen abgewischt werden – alle, auch und gerade die der namenlosen Toten in den unzähligen Kriegen unter uns Menschen – diese Gerechtigkeit ist mit Jesus bereits angebrochen. Deshalb ist er mehr als Jona und Salomo –, nicht um diese beiden großen Gestalten des prophetischen wie des weisheitlichen Denkens zu schmälern, sondern um ihre Verheißungen ins Recht zu setzen. Mit Jesus ist die Endzeit bereits jetzt angebrochen. Was wir dem geringsten seiner Schwestern und Brüder getan haben, das haben wir ihm getan. Was wir unterlassen haben, das ist auf ewig verwirkt.

Die „letzten Dinge“, die die Theologen die „Eschata“ nennen, sind nicht einfach ans Ende der Zeit angeklebt. Vielmehr gibt es einen elementaren Zusammenhang zwischen unserer je aktuellen Gegenwart und der von uns erwarteten Vollendung. Diesen Zeitindex, der die letzten Dinge zu den aktuellen und im Hier und Jetzt die Signaturen der göttlichen Wirklichkeit erkennbar macht, gilt es, sich in der österlichen Bußzeit bewusst zu machen. Ein Klassiker des neuen geistlichen Liedgutes formuliert das einfach und präzise mit: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt …“

Dass Not gewendet und Christen sich für bessere Verhältnisse einsetzen sollen, ist auch ein Grundimpuls der verbandlichen Caritas, die unter bischöflicher Verantwortung der katholische Wohlfahrtsverband in Deutschland ist. Hüten wir uns aber davor, das Wenden der Not allein unserer Caritas zu überlassen. Hüten wir uns davor, in einer Arbeitsteilung zu erstarren, die Kritiker des Christentums von Sonntagschristen reden lässt und andererseits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas immer wieder unter den Generalverdacht stellt, „nur sozial“, aber nicht katholisch genug zu sein.

So bringen wir die Sache Jesu nicht voran. „Die Königin des Südens wird beim Gericht gegen die Männer dieser Generation auftreten und sie verurteilen...“, so hieß es heute im Evangelium. Zu allen Zeiten wird sich die je heutige Generation – und das sind in diesem Moment genau wir hier – fragen lassen müssen, was sie getan oder auch vertan hat. Ein weiteres Zeichen dafür, ob Jesu Botschaft – die der Erlösung ebenso wie die des Gerichtes – gilt, wird es nicht geben. Das Evangelium des heutigen Tages ist auch eine Erinnerung daran, dass der Zugang zu Jesus nicht exklusiv ist. Er gehört nicht „den einen“ und „den anderen nicht“. Denn auch die Heiden werden aus dem Süden kommen und ihn verstehen. Es gibt eine Gemeinschaft in Christus in aller Verschiedenheit unter uns Menschen – das ist Communio. Bisweilen vergessen wir diese Wahrheit, wenn wir allzu zielgruppenorientiert in geschlossenen Gesellschaften den Glauben feiern:
Jugendliche unter sich, Menschen mit Behinderung unter sich, Priester im Seminar, Frauen in der Frauengruppe, KAB mit KAB, Kolping mit Kolping, Schützen mit Schützen usw. usw. Ich freue mich daher besonders, dass wir heute nicht als geschlossene Gruppe der Bischöfe Gottesdienst feiern, sondern gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern. Das ist Communio. Denn eins sind wir in Christus. Ein weiteres Zeichen wird es nicht geben. Amen.

Lesung: Jona 3,1–10
Evangelium: Lk 11,29–32

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