| Pressemeldung | Nr. 153

Predigt von Kardinal Rainer Maria Woelki in der Eucharistiefeier zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Schwestern und Brüder,

zwölf unterschiedliche Charaktere – und zunächst nur diese Zwölf – sendet der Herr in die Welt. Ihr Auftrag, ihre Mission lautet: Dämonen austreiben, Kranke heilen, das Reich Gottes verkünden. Wahrscheinlich ist mancher von uns ob dieser Aufgaben irritiert. Dämonen austreiben, Kranke heilen … Im Alltag haben wir damit eher wenig zu tun. Und doch gibt es auch in unserer Zeit Dämonen, die den Menschen innerlich quälen: Depressionen, Verzweiflung, Egoismus, Hass, Süchte .... Es sind ihrer Legion.

Und Kranke heilen? Kranke, behinderte und alte Menschen empfindet unsere Gesellschaft heute zunehmend eher als Ballast, der abgeworfen gehört. Es fängt die Haltung an, zu dominieren: „Schön, dass du etwas geleistet hast. Jetzt gibt es noch ein Abschiedsgeschenk und dann tritt bitte ab. Dort ist der Ausgang. Und mache bitte bloß keine Umstände.“ Subkutan wird suggeriert: „Du willst sterben, aber du weißt es noch nicht!“ Das Leben des Menschen, ob jung oder alt, wird zunehmend zu einem Spielball der Technik und unbeherrschbarer Mächte: Tests zur Feststellung von Behinderungen bei Ungeborenen, erleichterte Möglichkeiten zum Suizid, die Förderung der Präimplantationsdiagnostik, die Diagnostik von so genannten Hirntoten, der Organspende-Skandal. Die Schalmeien-Klänge einer Zivilisation, die den Tod in seinen unterschiedlichen Spielarten bejubelt, werden zunehmend lauter und in die Tat umgesetzt.

Der alte Mensch von heute ist der junge von gestern. Der junge Mensch von heute ist der alte von morgen – falls ihm überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, den morgigen Tag zu erleben! Wir haben wohl bisher viel Glück gehabt, dass wir nicht unter den Opfern sind. Jesus – und in seiner Nachfolge die Jünger – treten geradlinig für das Gegenteil ein: Sie treten ein für: „Leben schenken“, für „Kranke heilen“, für „Sterbende pflegen“.

Und wenn dann der Herr auch noch fordert, wir sollten auf unserem Weg nur ja nichts mitnehmen, dann sind wir nicht minder irritiert. „Das ist doch völlig unrealistisch, das ist doch schlichtweg verrückt in der heutigen Zeit. Das werden wir so nicht machen können“, geht es nicht wenigen durch den Kopf: Sich auf Gott verlassen, sich auf jemanden verlassen, den man mit den Augen nicht sieht, mit den Ohren nicht hört und mit den Händen nicht spürt; den es wohlmöglich gar nicht gibt. Und wenn es ihn gibt, dann kann er uns nichts. Weit weg ist er von uns, in Raum und Zeit.

Unsere Zeit ist stark: Stark im Zweifel, stark in der Kritik, stark im Unglauben. Doch wenn unser Glaube nur so groß wie ein Senfkorn wäre – wir könnten Berge versetzen, heißt es in der Schrift (vgl. Lk 17,6). Die Jünger Jesu verlieren sich nicht in endlosen Debatten und Diskussionen: „Jesus, ich würde es besser so machen wollen“. Das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Deshalb wird von ihnen das Wort des Herrn direkt in die Tat umgesetzt. Die Jünger ziehen los. Es gibt genug zu tun. Sie sind nicht die Superstars ihrer Zeit, die von Erfolg zu Erfolg eilen. Auch sie hadern. Auch sie zweifeln an sich und an Gott. Und doch – und das ist ein echter Trost – sie glauben und vertrauen trotz allem: Zwölf Menschen tragen die frohe Botschaft von der Liebe Gottes bis in unsere Zeit hinein. Das ist, liebe Schwestern und Brüder, eine „Erfolgs-Geschichte“!

Doch der Herr geht im Evangelium noch einen Schritt weiter: „Wenn euch aber die Leute in einer Stadt nicht aufnehmen wollen, dann geht weg und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie“ (Lk 9,5). Christus sagt uns damit: „Biedert euch nicht an! Jedermanns Liebling ist jedermanns Niemand! Ein Christ ist kein Freier!“ „Weh euch, wenn euch alle Menschen loben“ (Lk 6,26), warnt er. Wir dürfen nicht heimelig werden in der „Welt“. Unsere Sendung ist es vielmehr, von Ort zu Ort zu ziehen. Wir haben einen Auftrag, eine Aufgabe. Wir alle haben eine solche, eine Lebens-Aufgabe: Gottes Reich zu verkündigen. Und zwar in Wort und Tat!

Manchmal sieht es in unseren Herzen aus wie in den Herzen der Jünger, die losziehen. Doch noch öfter sieht es in unseren Herzen wohl aus wie in den Herzen der Emmaus-Jünger, bevor sie dem Herrn begegnen. Das große Jahr des Glaubens, die bedeutende Bischofssynode in Rom zur Neuevangelisierung – hehre Aufgaben, große Initiativen, die da unmittelbar vor uns stehen. Und doch ist bei uns so viel Weltangepasstheit, Kleingläubigkeit und Mutlosigkeit, Klage und Müdigkeit zu verspüren!

In diesem auf uns zukommenden Jahr des Glaubens – 50 Jahre nach der Eröffnung des Zweites Vatikanischen Konzils – geht es nicht ums Palavern, geht es nicht um Marathon Dialoge, nicht um letztbegründende Glaubensphilosophien. Nein, das Jahr des Glaubens ist eine Chance für uns, eine Chance mit unserem Leben, mit unseren Taten, mit unserem Wort Zeugnis zu geben für Christus, für die Liebe Gottes. Zeugnis geben, das ist kein Marketing! Zeugnis geben, das heißt vielmehr: Ihn suchen und im Glauben an Ihn leben. Und genau dazu lädt uns heute das Evangelium wieder ein. Amen.

Schrifttext: Lk 9,1-6


Hinweis:

Die Predigt im Wortlaut ist untenstehend auch als pdf-Datei zum Herunterladen verfügbar.

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