| Pressemeldung | Nr. 026

Predigt von Kardinal Rainer Maria Woelki in der Eucharistiefeier zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

„Unaufhaltsam“ so überschreibt Hilde Domin eines ihrer Gedichte über das Wort – unaufhaltsam ist ein einmal gesprochenes Wort; es ist in der Welt und kann nie mehr ungesprochen gemacht werden, ganz gleich, welche Konsequenzen selbst das zaghafteste Ja oder das deutlichste Nein mit sich führen mag. Und weiter heißt es dort:

„Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei.
Nicht das Wort.
Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort.“

In diesem Gedicht beschreibt Hilde Domin, wie verletzend Wörter sein können.

Menschen verletzen sich gegenseitig – gewollt oder auch ungewollt – durch Worte, die nach dem Aussprechen weder zurückgenommen noch gemildert werden können. Jeder von uns wird sich an solche Situationen erinnern, in denen das Wort eines anderen uns tiefer verletzt hat, als wir es je für möglich gehalten hätten. Jeder von uns wird – vielleicht sogar völlig unbemerkt – selbst mit einem Wort des Vorwurfs, einem Wort der Ablehnung, einem Wort der Abwertung oder einem Wort des Zorns einen anderen zutiefst verletzt haben. Das Wort hat Macht. Es wirkt und es schafft Wirklichkeit. Auch Gottes Wort tut das.

Aber es verletzt nicht. Es heilt. Es zerstört nicht. Es baut auf. Es führt nicht zum Tod. Es ist Leben. Johannes, der Evangelist, erinnert daran, dass dieses Wort, um das es hier geht, nicht irgendein Wort ist, sondern das Wort schlechthin. Dieses Wort ist von allem Anfang an.

Es war bei Gott, nein, es ist Gott (vgl. Joh 1,1). Und durch dieses Wort ist alles geworden, und ohne dieses Wort wurde nichts, was geworden ist ... Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden ... (vgl. Joh 1, 3.10). Christus ist dieses Wort Gottes. Das ist das Evangelium des Johannes.

Und dieses Wort ist an einen jeden von uns gerichtet. Wenn das Wort Gottes an uns ergeht, befinden wir uns, liebe Schwestern und Brüder, im Grunde jedes Mal in der Lage Adams, der sich vor Gott verbirgt, von Gott aber aus seinem Versteck geholt wird. „Mensch, wo bist Du?“

Gott richtet damit einen Anspruch an uns. Er will uns. Er will mich – mit meinem Leben. Und er will darin einen Platz haben. Wenn wir das Wort Gottes hören – wie heute Morgen hier bei der Feier der Heiligen Messe – dann begegnen wir dem lebendigen Gott. Wenn wir uns das bewusst machen, werden wir uns ihm und seinem Wort stellen. Wir werden dann spüren: Gottes Wort ist nicht beliebig. Ja, es ist ein Wort der Güte, aber es steht nicht zur Wahl. Es richtet einen Anspruch an uns, der uns in die Entscheidung von Heil oder Unheil ruft. Es ist lebendig dieses Wort; aber es richtet auch – wie uns der Apostel später einmal an anderer Stelle erinnert – über die Regungen und Gedanken unseres Herzens (vgl. Hebr. 4,12). Deshalb kehrt dieses Wort auch – wie uns der Prophet Jesaja heute Morgen erinnert – nicht einfach leer zu Gott zurück, sondern bewirkt wirklich das, was Gott will.

Es erreicht all das, wozu Gott es ausgesandt hat (vgl. Jes 55,11). Wozu aber hat er es ausgesandt? Er hat es dazu ausgesandt, dass wir es wirken, dass wir es bewirken lassen, was es will. Das ist das Entscheidende! Wir dürfen darauf vertrauen, dass es ein Wort des Erbarmens ist. Gott kommt, um uns durch sein Wort, um uns durch Christus, tiefer in seine Nähe zu rufen.

Das entzündet Freude. Das schenkt Geborgenheit und Glück. Das beschämt aber auch, wenn wir merken, wie weit entfernt von ihm wir leben. Wenn wir dagegen seinen Ruf annehmen und uns nach ihm ausrichten, wenn wir uns entschieden ihm zukehren, kehren wir uns ab von verkehrten Wegen.

Und was geschieht dabei? Indem wir uns auf ihn hin ausrichten und uns seinem Anspruch überantworten, werden uns beim Hören des Wortes Gottes, werden uns beim Hören des Evangeliums Sünden vergeben. Ist uns das eigentlich noch bewusst?

In jeder Feier der Heiligen Messe küsst der Priester bzw. Diakon ja nach der Verkündigung das Evangelium und spricht dabei: „Herr, durch dein Evangelium nimm hinweg unsere Sünden“. Das Evangelium, liebe Schwestern und Brüder, ist insofern ein Wort des Erbarmens Gottes an uns, das nur eines bewirken will: Unsere Umkehr zu ihm. Denn dazu ist er ja in diese Welt gekommen, auf dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Die Tage der Österlichen Bußzeit – sie laden uns alle dazu ein.

Amen.

Lesung:     Jes 55, 10–11
Evangelium:    Mt 6,7–15

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