| Pressemeldung

Predigt von Kardinal Joachim Meisner, Erzbischof von Köln, anläßlich der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Lingen/Ems am 25. Februar 1999

Liebe Brüder, liebe Schwestern!

»Die Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt« (SC Nr. 10), so lautet das Hohelied, mit dem das letzte Konzil die Liturgie besingt. Demnach erleben wir jetzt hier um den Altar versammelt den Höhepunkt auch unserer Bischofskonferenz.

Dasselbe Konzil hat unter den zahlreichen biblischen Kirchenbildern das vom Volke Gottes - von außen her gesehen - bevorzugt. Von außen her gesehen deshalb, weil die Kirche Volk Gottes nur durch den Leib Christi und im Leibe Christi ist. Der Gebrauch des Bildwortes »Volk Gottes« für die Kirche ist vom Neuen Testament und von den Kirchenvätern her ohne die christologische und pneumatologische Übersetzung nicht möglich. Die Christologie gehört unverzichtbar in die Ekklesiologie hinein. Das Volk Gottes darf niemals von seiner vitalen Beziehung zu Christus absehen. Wo das geschieht, dort verblaßt ansonsten nicht nur ihre hierarchische Gestalt, sondern die Kirche steht auch in Gefahr, rein soziologisch betrachtet zu werden. Das wiederum würde sich geradezu verheerend auf die Feier der heiligen Liturgie auswirken.

Unsere Sprache bringt es an den Tag, wenn etwa davon geredet wird, daß wir die Liturgie »machen« oder selbst, daß wir die Messe »gestalten«. Wir sprechen sogar von einem »Gottesdienstangebot«, das »reduziert« werden soll, wenn nicht genügend Gläubige dazu kommen. Hier sind Vokabeln aus dem Bereich der Wirtschaft in den der Liturgie übernommen worden. Das spricht für sich selbst. Die Hände der durch die Jahrhunderte hindurch betenden Kirche haben vom Heiligen Geist die Gestalt der Liturgie empfangen. Nicht der rationalistische Zugriff oder Eingriff erfaßt die Mitte, das Mysterium der Liturgie, sondern nur das ehrfurchtsvolle, betende Hineinhorchen. Nicht beim Macher ist die Liturgie in guten Händen, sondern nur beim Beter. Wir »halten« nicht Gottesdienst, oder »machen« ihn nicht, sondern wir treten einzig und allein zu ihm hinzu. Denn längst bevor wir uns entschließen, Gottesdienst zu feiern, findet der Gottesdienst bereits statt, nämlich als himmlische Liturgie vor dem Thron des Ewigen Vaters.

Diese Wirklichkeit ist heute kaum noch im Bewußtsein der feiernden Gemeinde. Darum bleibt ihr das Mysterium der Liturgie weithin verschlossen. Diese himmlische Liturgie nicht zu beachten, hieße gleichsam, die eschatologische Spannung der Kirche zu verneinen, indem man sich entweder in der Welt in einem puren Säkularismus einrichtet oder aus ihr in einen verlogenen Pietismus flieht. Nur wo irdische und himmlische Liturgie in ihrer Einheit gesehen werden, dort bleibt sie aufs Innigste mit dem Leben der Menschen verbunden. Denn die himmlische Liturgie ist keine andere als jene in dieser Zeit und in diesem Raum. Sie wird nicht getrennt von ihr oder parallel zu ihr gefeiert. Vielmehr bricht im Gottesdienst die Fülle der Zeit unentwegt in die jetzige Zeit hinein, um diese zur Endzeit zu machen.

Für die zum Gottesdienst versammelten Gläubigen gilt das Wort des Hebräerbriefes: »Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Ge¬meinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels« (Hebr 12,22-24). So wird in der Liturgie auf Erden gegenwärtig, was der Seher in der Apokalypse schaute, als er in der Mitte vor dem Thron und den Lebewesen, umgeben von den Ältesten, ein Lamm stehen sah, wie geschlachtet (vgl. Offb 5,6).

Von dieser himmlischen Liturgie spricht die ganze Apokalypse. Der Seher erwähnt nicht zufällig, daß ihm diese Einsichten an einem Herrentag geschenkt wurden, also zur Zeit, da sich die christliche Gemeinde zum Gottesdienst versammelte. Er sieht das ganze endzeitliche Drama im Rahmen des urchristlichen Gottesdienstes. Darum schenkt die Liturgie dem Menschen letztlich die Vereinigung mit Gott und bringt ihn ins rechte Verhältnis zur Schöpfung. Das bewirkt im liturgischen Geschehen der Heilige Geist, der die Schöpfung heiligt und vollendet, ohne daß sie aufhört zu sein, was sie ist.

Der Heilige Geist macht alle Dinge neu, aber nicht neue Dinge! Die Erde und all das, was der Mensch aus ihr gewinnt, sind keineswegs bloß chemische Aggregate, sondern lebendiges Geschenk, das etwa im Öl, im Brot, im Wasser, im Wein, im Salz, im Wachs teilnimmt am liturgischen Mysterium selbst. Alles in der Schöpfung ist geheiligt in und durch die Eucharistie der Kirche. Die Gabengebete weisen ausdrücklich darauf hin. Was die »grüne Bewegung« begonnen hat, wurde in der Kirche sakramental-liturgisch längst praktiziert, aber eben in der Welt nicht genügend ratifiziert. Was auch immer Gott den Menschen je an Heil geschenkt hat, ist von jetzt an Liturgie geworden. Was an Christus sichtbar ist, ist nun übergegangen in den Gottesdienst der Kirche. Die heilige Liturgie ist darum das Meisterwerk der Schöpfung. In ihr hat Gott ein Maximum an Gnade in ein Minimum an Erscheinung eingeborgen.

Die heilige Liturgie bedeutet »Heiligung des Lebens«. Ihre Wirkkraft im Alltag liegt darin, daß sie weniger lehrt, als vielmehr die Lehre ins Leben umsetzt; daß sie die Wahrheit weniger begrifflich formuliert, als sie viel eher lebendig erfahren läßt. Das Leben mit und aus der Liturgie vollzieht sich nie rein äußerlich. Vielmehr werden die äußeren Haltungen in das leibhaftige Ausdrucksverhältnis der Seele hineingenommen. Auch hier gilt: Der Leib ist das Ende der Wege Gottes. Wir werden leibhaft zu Gliedern Christi.

Dieser Prozeß der Vereinigung bedarf der Läuterung und Reinigung. Damit mein Mund Christi Mund und Christi Mund mein Mund werden kann, muß mein Mund geläutert werden. Denn ich muß mich selber läutern, damit Christus durch meinen Mund seine lauteren Worte aussprechen kann, und ich durch seinen Mund seine lauteren Worte ausspreche. Das¬selbe gilt für meine Augen und für meine Hand, wenn sie Christi Hand und Auge werden: Sie müssen lauter sein, damit Christus alles durch meine Augen in Lauterkeit anschaut und durch meine Hand seine Taten und seine Werke vollbringen kann. So verlangt schließlich Theophanes von Nikaia vom zelebrierenden Priester, daß seine Hand, die den Leib des Herrn hält, reiner als das Löffelchen des Kelches sei und sein Mund, der diesen Leib empfängt, reiner als der Kelch selbst. Denn die Reinigung der Hand und des Mundes zielen auf das Innere des Menschen. So gilt dieses auch für die Gläubigen, welche die heilige Kommunion empfangen. Deshalb haben sie früher vor dem Empfang der heiligen Kommunion gefastet und gebeichtet. Sie versöhnten sich mit ihren Schuldnern und hielten sich fern von jeder Sünde. All diese Zeichen der Läuterung führen durch häufige Wiederholung zu einer ihrem Wesen tief eingeprägten Spiritualität, die zu einem Merkmal ihres Lebens aus der Eucharistie wurde.

Der häufige Empfang der heiligen Eucharistie heute einerseits und der gegenwärtige Glaubensschwund andererseits stehen in einem bestürzenden Gegensatz. Wenn die Liturgie Höhepunkt im Tun der Kirche ist und zugleich Quelle, aus der all ihre Kraft strömt, dann kann sie sich gar nicht genug um einen würdigen Vollzug der liturgischen Feiern mühen. Hier wird in der Feier der heiligen Geheimnisse in einer Gemeinde sichtbar, was der Hebräerbrief sagt: »Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels.« Amen.


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