| Pressemeldung

Predigt von Kardinal Georg Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, anlässlich der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 23. September 1999

Hag 1,18, Lk 9,79

Unser Auftrag
1.
„Baut den Tempel wieder auf! Das würde mir gefallen und mich ehren, spricht der Herr“. Nach der Übersetzung des Propheten Haggai war im Jahre 520 vor Christus klar: Die dringlichste und erste Aufgabe für die aus dem Exil Heimgekehrten ist der Bau des Tempels. Damit will der Prophet nicht eine persönlich begründete Empfehlung geben, sondern Gottes Willen kundtun.

„Baut den Tempel wieder auf!“ – ein mutiges Wort! Der Tempelaufbau – die erste Aufgabe – wenn doch alle so arm sind und ihre Häuser noch nicht aufgebaut haben. Der Prophet dreht die allgemein angenommene Beziehung zwischen Ursache und Wirkung um: Ihr meint, den Tempel nicht aufbauen zu können, weil ihr arm seid; umgekehrt verhält es sich: Ihr seid arm, weil ihr den Tempel nicht baut. Mit anderen Worten: Vom Kult her wird das Leben, auch das wirtschaftliche Wohlergehen, entschieden. Ist das überzeugend? Die Herausgeber des Schotts 1984 sagen: „So würden wir heute nicht mehr sagen. Jesus hat Tempel und Kult dem Leben unter-, nicht übergeordnet“. Wirklich? Ist das so einfach? Jesus hat die Aufrichtigkeit in der Frömmigkeit - das hat mit Leben zu tun! – höher gewertet als die rituelle Korrektheit im Vollzug des Kultes. Um etwas anderes handelt es sich, wenn der Tempelbau zum Zeichen wird, worauf das heimkehrende Volk baut: in seine Sorge für das eigene Wohlergehen, auf die eigene Leistung oder auf die Bundestreue Gottes?; zum Ausdruck dafür, woran dem Volk vor allem gelegen ist: an der Verehrung Gottes oder dem wachsenden Wohlstand? (Der Prophet macht sich beinahe lustig: Es klappt ja alles nicht, es reicht nicht hin und her. Was ihr schafft, ist alles nichts.) So wird also die Frage nach dem Tempelbau zur Glaubensfrage.

2.
Wir hören das Prophetenwort in unserer Zeit: in der Zeit des Neuen Bundes und in einer säkularen Gesellschaft. Die Frage: Gottesverehrung als Weg zum Wohlstand oder Voraussetzung dafür? Ist Gottesverehrung höher tu werten als Fleiß und Können im Einsatz für das Leben? Eine Anfrage an unsere Werteordnung! Was gilt als höherer, was als höchster Wert? Eine Frage, die uns in der Kirche seit langem beschäftigt: die Frage nach den Prioritäten in den Aufgaben und Anliegen. Wir möchten die Frage wohl nicht alternativ stellen: Wohlstand oder Kult?; unumgehbar aber sind die Fragen: Was bedeuten uns Wohlstand und was Gottesverehrung? Und gibt es zwischen beiden eine Beziehung? Das sind alles andere als akademische Fragen. Die Antworten entscheiden über den Weg und die Zukunft der Kirche. Es mag ja sein, dass das klar sein müsste. Aber wenn sich die Lebensumstände für die Kirche verändern und immer neue Ideen auftauchen und ein Wertewandel zu Verunsicherungen führt, müssen die Fragen immer neu beantwortet werden. Gerade wer geschichtlich denkt, weiß, dass es in der Kirchengeschichte Zeiten der Blüte und des Verfalls gab, die nicht nur von außen bestimmt wurden, sondern auch durch Wertungen und Haltungen im Innern der Kirche.

Glücklicherweise ist es ja nicht so, dass sich niemand für diese Schicksalsfragen interessiert. Im Gegenteil: Bei aller Distanzierung zu allem, was institutionalisiert ist, wird von verantwortungsbewussten Persönlichkeiten erwartet, dass die Kirche sich als Sinngebungsinstanz erweist, als Garant für Wertorientierungen. Manche möchten dabei nur Bestätigung ihrer Auffassung, andere wissen, dass die Kirche selbst frei sein muss in der Bestimmung ihrer Aufgaben und Ziele. Und die in der Pastoral Tätigen fragen: Was ist uns in dieser Stunde der Kirche aufgetragen? Was muss geschehen, dass die Kirche ihre vom Herrn zugedachten Aufgaben erfüllt?

Wir sagen es gelegentlich sehr plakativ: Sie muss die Gottesfrage wachhalten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit! Oder doch nicht? Sonst wüssten wir ja, wie das geht. Und wir würden es auch tun. Schau ich mir die Pastoralpläne und die Terminkalender mancher Gemeinden und mancher Institutionen in der Kirche an, kommen mir Zweifel. Ich befürchte, dass nicht mehr zu erkennen ist, was Pater Delp als kirchliche Position formuliert hat: Brot ist wichtig, wichtiger die Freiheit, am wichtigsten die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.

Müssen wir uns von außen sagen lassen, was wir zu tun und zu lassen haben? Müssen uns beispielsweise Intendanten und Programmdirektoren sagen, dass die Kirche ihren unverwechselbaren Beitrag in den öffentlichen Medien einbringen soll - dass dies, und nur dies, ihren Platz dort sichert – und sie sich nicht fürchten soll, ihren Glauben authentisch zu bekennen, ... dass sie sich nicht anbiedern soll und nur das aussprechen darf, was von jedermann angenommen werden kann?

Oft wird geklagt: Der Sinn für das Religiöse sei verdunkelt. Wie steht's damit wirklich? In einer 11. Klasse ging es um die Bedeutung der Firmung. Ich stellte fest: Offensichtlich ist vielen der Sinn für das Religiöse abhanden gekommen, deshalb blieben so viele der Firmung fern. Heftiger Protest: „Wir sind alle religiös! Firmung? Das ist nicht Religion, das ist Kirche“. Bevor ich behaupte, den jungen Menschen sei ein verkehrter Begriff von Religion vermittelt, möchte ich ergründen, warum junge Menschen das sakramentale Handeln der Kirche nicht als religiöses Geschehen erkennen können.

Also: die Gottesfrage wachhalten! Wie geht das? Ich wage keine umfassende Antwort (sie wäre wohl zu allgemein). Aber unter Hinweis auf den Evangelienabschnitt von heute sage ich: Die Frage nach Jesus ist zuzulassen und zu beantworten. Sage niemand, es gäbe kein Interesse daran. Wie wäre sonst die Flut von Buchtiteln über Jesus oder die Fülle der Bilder Jesu zu erklären? Freilich bleibt Jesus immer ein Geheimnis. Mit der Antwort auf die Frage „Wer ist dieser Mann, von dem man solche Dinge erzählt?“ sind wir nie fertig. Aber wenn überhaupt jemand eine Antwort geben kann, dann muss doch die Kirche sagen, wer er ist und was er für die Menschheit bedeutet. Es muss dabei bleiben, dass wir zuerst den Glauben der Kirche verkünden – so suchen wir das Reich Gottes, und "alles andere wird euch dazugegeben werden“, sagt der Herr.

„Baut den Tempel wieder auf!“, sagt der Prophet. „Überlegt doch, wie es euch geht ... Wer etwas verdient, verdient es für einen löcherigen Beutel“.

Für uns heißt das: Wir möchten gerne Früchte kirchlichen Handelns ernten, auch die zeitlichen. Und vergessen dabei, den Baum zu pflegen, zu nähren, zu beschneiden und zu schützen, der diese Früchte bringen kann. Sorgen wir also dafür, dass die Kirche wächst ... durch den Glauben, den wir bezeugen. Die Früchte werden sich dann einstellen. Amen.

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