| Pressemeldung

Predigt von Bischof Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann, Mainz (Bundesrepublik Deutschland), Erster Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), im Ökumenischen Gottesdienst anläßlich des 50. Jahrestages seit der Gründung des Euro

Der Europarat hat Geburtstag. Auch die Kirchen kommen gerne, um der ältesten Institution unter den europäischen Einrichtungen zu gratulieren. Der 50. Geburtstag ist Anlaß, daran zu erinnern, daß der Europarat so etwas wie ein Erstgeburtsrecht unter den europäischen Institutionen beanspruchen darf. In der Arbeitsteilung der europäischen Gremien hat er eine ganz spezifische Bedeutung und Aufgabe. Der Europarat dient bis heute der Vertiefung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit gleichberechtigter Mitgliedsstaaten. Die Europäische Union hat die Aufgabe einer immer tiefer gehenden gegenseitigen Verflechtung und überstaatlichen Integration der Mitgliedsstaaten. Gegenüber dem mächtigen Zusammenwachsen der Politikbereiche in der Europäischen Union tritt die Aufgabe des Europarates im Bewußtsein vieler eher etwas zurück. Um so mehr wollen wir am Geburtstag der bleibenden Aufgabe gedenken.

In der Präambel der am 5. Mai 1949 verabschiedeten Satzung des Europarates, die heute noch gültig ist, wird die Zielsetzung gut erkennbar. Die Festigung des Friedens auf den Grundlagen der Gerechtigkeit und der internationalen Zusammenarbeit ist für die Erhaltung der menschlichen Gesellschaft und der Zivilisation von lebenswichtigem Interesse. Die damaligen zehn Gründungsländer wissen sich "in unerschütterlicher Verbundenheit mit den geistigen und sittlichen Werten, die das gemeinsame Erbe ihrer Völker sind und der persönlichen Freiheit, der politischen Freiheit und der Herrschaft des Rechts zu Grunde liegen, auf denen jede wahre Demokratie beruht", geeint. Zum Schutz und zur fortschreitenden Realisierung dieses Ideals und zur Förderung des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts wird zwischen den Ländern, die vom selben Geist beseelt sind, eine engere Verbindung hergestellt und eine Organisation geschaffen, in der die Zusammenarbeit leichter erreicht werden soll.

Der Europarat hat in diesen 50 Jahren bis heute 41 Länder für dieses Ziel sammeln und verpflichten können. Die "Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten" (kurz: Europäische Menschenrechtskonvention) bildet bis heute den Kern aller Aktivitäten des Europarates: Schutz und Förderung der Menschenrechte, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. In vielen Zusatzprotokollen wurde der Menschenrechtsschutz fortentwickelt und ausgebaut. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist weltweit das einzige internationale Schutzinstrument im Bereich der Menschenrechte, das die in ihm verankerten Rechte auch gerichtlich einklagbar gemacht hat. Um dies für die 41 Mitglieder auch weiterhin wirksam gewährleisten zu können, wurde der nunmehr ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen, der im November vergangenen Jahres seine Arbeit aufgenommen hat.

In diesem Sinne ist der Europarat tatsächlich das "demokratische Gewissen Europas". Er führt gerade auch jene Staaten näher an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Sinne der europäischen Tradition heran, die aus verschiedenen Gründen der Europäischen Union oder der NATO noch nicht beitreten können. So wird durch viele Institutionen, zu denen auch noch die OSZE und die KSZE kommen, die politische und demokratische Stabilität in Europa auf arbeitsteilige Weise geschaffen.

Der Europarat behält in dieser Schaffung eines europäischen Rechtsstaates eine ganz besondere Aufgabe. In diesem Sinne ist der Europarat auch eng verwandt mit den Grundlagen der europäischen Kultur, wie sie von der Bibel her in den christlichen Kirchen geschaffen und wachgehalten wird: Jedes staatliche Handeln ist an das Recht gebunden. Im Mittelpunkt des Rechts steht der Mensch mit der Anerkennung und Sicherung seiner elementaren Rechte. Dies ist eine unaufgebbare Grundlage des friedlichen Zusammenlebens aller. Sie ist begründet in der Menschenwürde, wie sie auf der ersten Seite der Bibel dadurch zum Ausdruck gebracht wird, daß der Mensch als Mann und Frau Ebenbild Gottes ist.

Gerade in diesen Tagen, in denen wir alle an den kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo und besonders am Elend der vertriebenen Menschen leiden, spüren wir noch stärker als sonst, warum Europa sich nur auf der Basis gemeinsamer rechtlicher und ethischer Grundwerte einigen kann und warum der Europarat in diesem langen Prozeß auch künftig ein bleibendes Wächteramt für die Demokratie und die Gültigkeit der Menschenrechte wahrnehmen muß. Wir spüren freilich auch, daß die dadurch gesuchte und gestärkte Identität Europas immer wieder Schaden leidet und stets der Erneuerung und der Umkehr zur Wahrheit und Gerechtigkeit bedarf. Darum hat Europa, wie wir in der Lesung hörten, von Mazedonien aus Paulus zur Verkündigung des Evangeliums auch in Europa gerufen: "Komm herüber nach Mazedonien, und hilf uns!" (Apg 16,9). Und weil Paulus diesen Auftrag angenommen hat, sind auch wir gemeinsam berufen, dieses Evangelium jetzt und künftig weiter zu bezeugen, dessen Wurzel, Mitte und Ziel die Würde des Menschen ist. Amen.

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz