| Pressemeldung | Nr. 080c

Predigt von Bischof Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) zum Abschluss der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 28.September 2006

Es gilt das gesprochene Wort!


Liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt!
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben an Jesus, den Herrn!

Wir sind noch alle bewegt von dem einzigartigen Erlebnis der Apostolischen Reise unseres Heiligen Vaters Papst Benedikt in seiner deutschen und bayerischen Heimat. Diese Reise begann mit einem Gebet an der Mariensäule in München und führte den Papst über Altötting – das Herz des katholischen Bayerns – über Regensburg am Ende nach Freising, wo er vor über 50 Jahren von Kardinal Michael Faulhaber zum Priester geweiht worden war.

Im Papamobil konnte ich selbst augenscheinlich die überschwängliche Begeisterung vor allem junger Menschen miterleben, die den vier Kilometer langen Weg vom Hubschrauberlandeplatz bis zum Regensburger Priesterseminar zu Zehntausenden säumten.

Viele sprachen vom einem triumphalen Einzug des Papstes in die Stadt, wo er acht Jahre lang an der Universität mit großem Erfolg die dogmatische Theologie gelehrt hatte. Wenn man sich die Mühe macht etwas genauer hinzuschauen, dann galt der Jubel jedoch nicht einem Triumphator. Es gab keine Jubelszenen wie bei der Heimkehr einer Fußballmannschaft, die das Endspiel gewonnen hat. Mit meinen eigenen Augen konnte ich sehen, was sich hier ereignete und was in die Tiefe des Glaubens und des christlichen Lebensgefühls führt.

Der Heilige Vater nahm nicht Huldigungen für seine Person entgegen. Das war alles andere als ein Personenkult mit seiner hybriden Lächerlichkeit. Er winkte und grüßte zurück, indem er die Menschen segnete und für sie betete. Die vielen Gläubigen dankten es ihm mit einem aus dem Herzen kommendem Leuchten in den Augen. Geradezu mit den Händen zu greifen war die Freude an der Frohen Botschaft, die uns alle verbindet und zur Kirche des lebendigen, drei-einigen Gottes der Liebe macht: die Frohe Botschaft, dass nicht Sinnleere und Orientierungslosigkeit, die im Meinungsbetrieb tagtäglich produziert werden, das letzte Wort sein können. Der Mensch ist nicht das zufällige Konglomerat einer mit sich selbst spielenden Materie, sondern ein geistiges und fragendes Wesen, dem Gott die Antwort der Liebe und des ewigen Leben niemals vorenthält.

Schon bei der spirituellen und pastoralen Vorbereitung in den Pfarreien, den katholischen Verbänden, geistlichen Gemeinschaften und Bildungswerken konnte man immer wieder die Dankbarkeit spüren über die zentrale Botschaft des Papstes für unsere Zeit, die er in seiner Enzyklika Gott ist die Liebe so wirkmächtig verkündet hatte.

Mit einemmal begriffen Millionen von Christen, dass sie nicht die letzten Vertreter einer dem Untergang geweihten Kultur sind. Die alltäglich erlebte Kränkung und Herabsetzung des christlichen Glaubens als vormodern, unaufgeklärt, unkritisch und traditionalistisch ist gelöscht in der Erfahrung, dass es zur Botschaft der Liebe keine Alternative gibt. Und wir, die wir an Christus, den Sohn Gottes glauben, der im Heiligen Geist die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes geoffenbart hat (Röm 8,21), sind die Zeugen und Vermittler der Liebe Gottes, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. (1 Tim 2,4).

Bei diesem großen Fest des Glaubens und der katholischen Lebensfreude konnte man es erleben, was das II. Vatikanum von der Sendung der Kirche bekennt: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ (Lumen gentium Art 1).

In der gelösten Stimmung von Hunderttausenden von Pilgern und den Millionen Teilnehmern über die Medien zeigte sich der Widerschein des Erlöstseins von Angst und Schrecken eines Daseinsmüssens in einer sinnentleerten Welt ohne Gott.
Wir alle werden tagtäglich bis zum Überdruss mit den stereotypen Phrasen bombardiert, die uns Christen Minderwertigkeitsgefühle einhämmern wollen. „Der Kirche laufen die Leute davon; die Kirchenbänke werden immer leerer“. Die Weltjugendtage werden niedergemacht, indem man sie zu unverbindlichen Events niederschreibt, während die Jugendlichen von der Lehre des Glaubens nichts wissen wollten und der christlichen Moral willentlich und frivol entgegenhandelten; so sagen es wenigstes diejenigen, welche die großen Gottesdienstfelder nach Beweisen für ihre die kirchliche Jugend diffamierenden Schlagzeilen durchsuchen und am Ende doch nur ihre verdorbene Phantasie mit der Wirklichkeit verwechseln. Der überwältigende Zuspruch vor allem von Jugendlichen und jungen Familien zum Pastoralbesuch in München, Altötting, Regensburg und am Schlusstag in Freisig kann gar nicht anders verstanden werden als eine Abstimmung mit den Füßen.

Alle philosophischen, ideologischen und politischen Entwürfe eines Humanismus ohne Gott seit dem 18. Jahrhundert in Europa sind gescheitet. Der hochgemute Aufbruch in eine Zeit, in nur der menschliche Wille zur Macht regiert und allein die menschliche Vernunft das Haus des Menschen erbaut, sind kläglich und unter größten Verlusten gescheitert. Das Projekt einer Welterklärung und einer Bewältigung der menschlichen Existenz mit einer Vernunft ohne Tiefenbeziehung zum personalen und liebenden Gott ist abgestürzt wie uns die atheistischen Diktaturen des 20. Jahrhundert demonstriert haben.

Es bleiben immer die Fragen: Was ist der Sinn des Seins? Wie kann ich mit dem Leiden fertig werden? Was ist über die Endlichkeit und den Tod hinaus zu erwarten?

Die Kirche aber glaubt, so bekennt es das Konzil: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann (Gaudium et spes Art 10).
Die Offenheit für die Botschaft des Papstes hat gezeigt, dass die Menschen einen untrüglichen Sinn haben für die Unterscheidung zwischen selbstgemachten Erlösungslehren und ihren Gurus und dem einzigen göttlichen Erlöser.
Jesus Christus, das fleischgewordene Wort Gottes fragt die zwölf Apostel in kritisch zugespitzter Situation. „Wollt auch ihr weggehen?“ Und Simon Petrus und in ihm und mit ihm die ganze Kirche bekennt: „Herr, zu wem sollen wir gehen: Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,67 ff).

Dieser personale Glaube als Ganzüberantwortung des Menschen mit Geist und Freiheit an Gott unserem Schöpfer und Vater steht nicht im Gegensatz, ja nicht einmal in Spannung zu all dem, was denkende und forschende Menschen an Wahrheit in den Geistes-, Kultur- und Naturwissenschaften erkannt haben. Nur ein vernunftloser Glaube und eine auf die gegenständlich-empirische Welt eingeschränkte Vernunft konstruieren einen Gegensatz. Wir müssen nicht die Vernunft begrenzen, um zum Glauben Platz zu bekommen (Kant). Wir müssen auch nicht die Wahrheit der Offenbarung in eine Gegnerschaft zu Vernunft bringen. Der Christ lebt nicht in zwei Welten: einer sonntäglichen Glaubensexistenz und einer alltäglichen lebenspraktischen Vernunftexistenz, die wie Feuer und Wasser im Streit lägen.

In seiner Regensburger Vorlesung – einer Sternstunde der deutschen Universitätskultur – hat der Papst erneut die Synthese von Glauben und Vernunft, von Freiheit und Liebe, die alle religiös und politisch motivierte Gewalt gegen Andersdenkende strikt ausschließt, als Weg in eine menschenfreundliche Zukunft aus begründeten Gottvertrauen gewiesen.

Als Nachfolger Petri übt er den universalen Hirtendienst aus: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe (Joh 21). Er kann das aber nur aus der größeren Liebe zu Jesus Christus, der uns sein Persongeheimnis offenbart: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe.“ (Joh 10,11).

Wir haben kein Recht auf Resignation; wir dürfen uns nicht zu Sklaven unserer Lust aufs Jammern und Verzagen machen. Die Nacht ist vorbei, in der die Jünger trotz aller Mühen nichts fangen konnten. Es ist Morgen! Jesus, der Auferstandene steht am Ufer. Und er trägt uns auf: „Werft das Netz aus... und ihr werdet etwas fangen!“ Und sie fingen so viele Fische, dass ihre Netze fast zerrissen. Doch Simon Petrus, der Menschenfischer zog das Netz aufs Land, ins Land der Verheißung, denn im Hause Gottes ist Platz für alle, „die an seinen Namen glauben und denen er darum die Macht gab, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12).
Amen!

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