| Pressemeldung

Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann (Mainz) im Pontifikalgottesdienst zur Eröffnung der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 21. September 2004 im Hohen Dom zu Fulda

Lesungstexte:
1. 1 Kor 9,16-19.22-23
2. Mt 28,16-20 (Evangelium)
Allen alles werden um des Evangeliums Willen
Wir sprechen in dieser Bischofskonferenz intensiv über die Mission, nicht zuletzt die Weltmission. Wir haben soeben das Evangelium darüber gehört. Die wenigen Sätze bilden ein faszinierendes Schlusswort für das Matthäus-Evangelium. Es schließt im Übrigen auch die Erzählungen von den Erscheinungen des Auferstandenen ab. Aber diese Ostergeschichten wollen ja nicht die nachösterliche Wirklichkeit des Herrn für sich allein beschreiben, sondern Jesus führt die Jünger bzw. die Apostel in den Aufbau der künftigen Kirche ein. Deswegen geht es hier um die Verkündigung des Evangeliums, die Stiftung und Spendung der Sakramente, besonders Taufe und Eucharistie, die Jüngerunterweisung und nicht zuletzt um den Auftrag zur Mission. Deshalb enthalten diese Erscheinungserzählungen viele Auftragsworte bzw. Beauftragungsworte.
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin sie Jesus befohlen hatte. Sehr oft (16 mal) kommt der Berg im Matthäus-Evangelium vor. Der Berg ist nicht näher bezeichnet. Es ist auch nicht nur ein erhöhter Ort, sondern vom Berg aus wird die wahre Gerechtigkeit verkündet (vgl. 5,1). In vielen Religionen ist der Berg der Ort der Offenbarung. So auch hier: Die elf Jünger stehen um den Meister, Hirt und kleine Herde sind wieder eins. Die Apostel schauen und fallen nieder zur Huldigung. Einmal haben sie das schon getan, als sich ihnen Jesus in der Nacht auf dem See als der Herr über die Elemente geoffenbart hatte. Sie fielen nieder und bekannten: "Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn" (Mt 14,33). Jetzt wissen sie genau, wen sie damals sahen, und dass ihr Bekenntnis zu Recht erfolgte. Er ist nicht nur der Herr von Wind und Wetter, Wellen und Wogen, er ist der Herr der Welt. Die Jünger haben aber nach den Ereignissen in Jerusalem noch nicht die Kraft, uneingeschränkt zu glauben. Deshalb heißt es: "Einige aber zweifelten". Der Glaube der Jünger ist bei Matthäus keine über alle Zwiespältigkeit erhabene Gewissheit. Matthäus spricht als einziger vom Kleinglauben der Jünger, der immer wieder erscheint. Die Jünger leben zwischen Vertrauen und Mutlosigkeit, zwischen Gewissheit und Zweifel.
Jesus geht auf sie zu und spricht zu ihnen das letzte Wort. "Alle Vollmacht im Himmel und auf Erden" ist ihm übergeben worden. Nicht nur einzelne Vollmachten wie früher, z. B. zur Sündenvergebung (9,6), zur Lehre (21,23), über Krankheiten und Dämonen, sondern jetzt hat er jede und die ganze Vollmacht in einem uneingeschränkten Sinn. Der Auferweckte erhielt vollen Anteil an der uneingeschränkten Macht Gottes des Schöpfers. Überreich hat der Vater den Gehorsam des Sohnes belohnt.
Was nun kommt (28,18-20), ist in drei verschiedene Worte gegliedert. Das Herzstück der Rede Jesu ist der Auftrag an die Jünger, alle Völker gleichfalls zu Jüngern zu machen. Wozu sie selbst erwählt wurden, das soll jetzt allen offenstehen. Kein Volk wird ausgenommen. Man darf annehmen, dass auch das verstockte Israel nicht ausgeschlossen ist. Alle nationalen, kultischen und religiösen Grenzen werden gesprengt. In doppelter Weise soll dies geschehen, nämlich durch Taufe und Lehre. Man hätte vielleicht eine andere Reihenfolge erwartet. Erst muss man doch glauben, um getauft werden zu können. Vielleicht will Matthäus zum Ausdruck bringen, dass die Taufe der Anfang und das Fundament ist, aber allein nicht genügt. Sie muss sich nach der Lehre des Meisters im Leben bewähren. Erst beides zusammen, Taufe und Lehre, bringt die wahre Jüngerschaft hervor. Die Taufe soll auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geschehen. Damit wird die Taufe ein Zeichen der Übereignung an den dreifaltigen Gott. Heute nimmt niemand mehr an, dass diese Berufung auf den dreifaltigen Gott eine spätere Einfügung in den Text ist (Interpolation). Wahrscheinlich hat sich diese dreifache Struktur aus der Liturgie heraus entwickelt. Sie kommt im Übrigen ansatzweise auch schon besonders bei Paulus vor (vgl. 2 Kor 13,13; 1 Kor 12,4 - 6; vgl. 1 Kor 6,11; Gal 4,6; 1 Petr 1,2). Der Inhalt der Lehre ist eindeutig: Die Jünger sollen die Glaubenden "lehren" (nochmals kommt die "Lehre" vor!), "alles zu beachten, was ich euch aufgetragen habe". In diesem Evangelium ist alles aufgeschrieben, besonders in den großen fünf Reden. Sie sind Weisungen des Meisters und Lehre von der wahren Jüngerschaft. Sie enthalten den "Weg der Gerechtigkeit" (21,32). Nichts von all dem darf unterschlagen, aber auch nichts hinzugefügt, nichts umgedeutet oder abgeschwächt werden.
Es sind vier grundlegende Auftragselemente: Das Gehen zu den Völkern ist die Voraussetzung alles, für das Zum-Jünger-Machen, das Taufen, das Lehren. Nicht wenige Exegeten sind der Meinung, dass hier zwar die universale Mission proklamiert wird, dass aber dieser Auftrag ganz bewusst eng verbunden ist mit der sakramentalen Eingliederung der für das Evangelium Gewonnenen in die Kirche und der stetigen Begleitung durch die Unterweisung im Glauben. Hier geht es zentral um den Aufbau der Kirche und die Schaffung von Gemeinden. Allem Vorangehen muss der Aufbruch ("Darum geht ..."). Ohne Aufbruch gibt es keine Mission.
Das gewaltige Werk, allen Völkern das Licht zu bringen, ist keine menschliche Leistung allein. Die Jünger sind nicht auf sich gestellt und nicht nur auf ihre schwachen Kräfte angewiesen. Sie haben einen mächtigen Beistand im Herrn selbst. Das Mitsein des Auferweckten mit seinen Jüngern ist ein Unterpfand dafür, dass dem Tun der Jünger Erfolg beschieden ist. Der Beistand des erhöhten Herrn wird der Gemeinde speziell für die Erfüllung der Missionsaufgabe zugesagt. Wir sollten nie vergessen, dass der Herr aller Mission seinen besonderen Beistand und Segen verheißt. "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt". Immer und überall ist er gegenwärtig. Die neue Heilsgemeinde bekennt sich nicht nur weltweit zu dem einen Herrn, sondern sie hat ihn auch wirklich in ihrer Mitte.
Matthäus hat mit diesem "Schluss" einen imponierenden Schlussakkord seines Evangeliums geschaffen, in dem noch einmal wichtige Ziele seines Gesamtwerkes gebündelt erscheinen. Es ist so etwas wie Jesu Testament. Jesus blickt wirklich in die Ferne und in die Breite der ganzen Weltzeit. Überhaupt werden alle denkbaren Dimensionen von Welt und Geschichte, aber auch im Blick auf Jesu Tun eröffnet. Dies sieht man vor allem in den Versen 18 - 20. In ihnen kommt viermal das kleine Wort "alle" vor: alle Gewalt im Himmel und auf Erden - machet zu Jüngern alle Völker - lehret sie, alles zu befolgen - ich bin bei euch alle Tage. Zwar blickt Matthäus auf das ganze Leben Jesu (mit Tod und Auferstehung) zurück. Aber es ist in Wahrheit kein "Schlusswort" des Evangeliums, sondern dieses öffnet sich nun mit allen Möglichkeiten in die ganze, unabsehbare Geschichte hinein. Nicht zufällig sagt Jesus dies auf dem Berg, von dem er weit in die Welt hineinsieht. Man hat immer wieder darauf hingewiesen, dass hier Grundelemente des Gottesbildes der Bibel anklingen. Es ist das Immanuel-Motiv: Gott ist immer mit uns und bei uns. Die Zuversicht der weltweiten Mission gründet sich auf diese Zusage Gottes, jenseits von Zeit und Raum. Die Zeit der Kirche beginnt. Sie ist Werkzeug und Mittel der Mission. Nichts anderes.
Unser Glaube ist von Anfang an radikal und zutiefst mit dieser Mission verbunden. Dabei geht es nicht nur um eine allgemeine Verkündigung des Evangeliums. Sie ist vorausgesetzt. Aber sie hat eben auch ein Ziel, nämlich "das Formen von Gemeinden in fremden Völkern, indem Menschen durch die Taufe der Kirche zugeführt und zur Übernahme des Wortes Jesu in das eigene Leben befähigt werden sollen" (J. Gnilka). So kann die Kirche in der Zusicherung unzerstörbarer Dauer ihren Auftrag erfüllen. Freilich besteht sie aus fragilen Menschen, die angewiesen bleiben auf die Stärke ihres Herrn.
Das notwendige Gespräch mit den Weltreligionen hebt die Notwendigkeit des entschiedenen und klaren Zeugnisses der Christen nicht auf. Die Glaubwürdigkeit der Mission gründet in der Bindung an die Weisung des irdischen Jesus: Lehret sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe. Wir brauchen wieder diesen Mut zum Bekenntnis des Glaubens, nicht nur für uns selbst. Je mehr wir Freude an Glaube, Hoffnung und Liebe haben, um so mehr werden wir auch zu Zeugen, die sich leibhaftig durch ihre eigene Existenz für das Evangelium Jesu Christi einsetzen und einbringen. Darum ist das Christentum im Kern und im Wesen missionarisch, oder es verrät sich selbst. Wenn uns das Evangelium selbst in Wort und Tat überzeugt, dann werden wir auch leichter andere gewinnen. Dann wäre es auch grundfalsch, wenn wir das Ziel von Mission so verstehen würden, dass wir den Buddhisten helfen, bessere Buddhisten zu werden, den Muslimen helfen, bessere Muslime zu werden. Nein, Paulus sagt uns in seinem "missionarischen Kanon" mit aller Deutlichkeit, wir sollten in der Kraft des Geistes die große Herausforderung annehmen, "allen alles zu werden" (vgl. 1 Kor 9, 22), den Juden ein Jude, den Schwachen ein Schwacher, um des Evangeliums Willen. Amen.

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