| Pressemeldung | Nr. 195e

Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, in Freiburg, in der Eucharistiefeier zum Beginn des geistlichen Vorbereitungsweges für den Eucharistischen Kongress

Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens,

mit dem Beginn des Advents stehen wir heute Abend zugleich am Beginn des Vorbereitungsweges auf den Eucharistischen Kongress im Juni nächsten Jahres. Advent, das bedeutet Ankunft Gottes, im Kirchenjahr wie auch in unserem Leben. Advent bedeutet aber auch, Gottes Ankunft bei uns Menschen steht noch aus. Es ist noch nicht so weit. Noch warten wir auf IHN. Advent ist also eine Zeit des Wartens, oder besser, der gespannten Erwartung. Der Advent ist somit immer auch eine Zeit der inneren Einübung. Diese Haltung des Wartens und der Erwartung ist gemeint, wenn es in unserem heutigen Evangelium heißt: Gebt acht, dass jener Tag, an dem Christus in Euer Leben treten will, an dem er bei Euch ankommen will, „euch nicht plötzlich überrascht“ (Lk 21,34). Dem Warten auf Gott und der Erwartung Jesu Christi entspricht eine innere Wachsamkeit, eine Aufmerksamkeit für die Spuren Gottes im menschlichen Leben und in unserem Alltag. Die Anweisung Jesu im Evangelium lautet deshalb auch: „Wacht und betet allezeit“ (Lk 21,36)! Gemeint ist mit dieser Aufforderung zum Gebet aber nicht: Plappert vor Euch hin! Macht so viele Worte, dass Ihr Gottes Ankunft in Euren Herzen gar nicht mehr vernehmt! Vielmehr ist Jesu Ruf eine Aufforderung zur Sensibilität und Aufmerksamkeit. Der Advent will uns aufmerksam machen, hellwach könnte man auch sagen, um Gott begegnen zu können. Denn wir müssen damit rechnen, dass Gott, wenn er kommt, nicht mit lautem Getöse in unsere Welt tritt. Vielmehr still und leise, wie damals im Stall zu Bethlehem. Doch noch ist es nicht so weit.

Was aber geschieht, wenn das Warten auf Gottes Ankunft in unserem Leben schwer wird? Wenn die „Sorgen des Alltags“ (Lk 21,34), wie es im Evangelium heißt, uns zu verwirren drohen? Was, wenn wir in unserer Hoffnung auf ihn und in unserer Wachsamkeit für sein Wirken nachlassen? Auch dann gilt Gottes Zusage. Die Ankunft Gottes ist ja eine Verheißung, keine Drohung. Der Advent ist Heilszeit, auch in der noch ausstehenden Ankunft Gottes. Deshalb ist im Evangelium auch angesagt, dass unsere „Erlösung nahe ist“ (Lk 21,28), und nicht etwa unser Untergang. Und deshalb kündigt der Prophet Jeremia, wir haben es in der alttestamentlichen Lesung gehört, den Erlöser als denjenigen an, der „für Recht und Gerechtigkeit“ (Jer 33,15) sorgen wird. Recht und Gerechtigkeit, das sind Säulen einer neuen Gesellschaftsordnung. Ein Land, in dem Recht und Gerechtigkeit herrschen, ist daher wirklich eine Verheißung, eine Verheißung des angebrochenen Reiches Gottes, eine Verheißung von Gottes Advent in dieser Welt.

Doch ist dies nicht zu schön, um wahr zu sein? Erleben wir nicht täglich eine andere Welt, in der nicht Recht und Gerechtigkeit herrschen: in der Wirtschaft, in der Arbeitswelt, in unserem menschlichen Miteinander? Warten wir also noch immer auf die Ankunft Gottes? Vielleicht hilft es uns, wenn wir den Gedanken des Wartens einmal umdrehen. Ich möchte dies hier im Sinne einer kleinen theologischen Meditation zum Advent versuchen. Nicht nur wir warten auf Gott. Gott wartet auch auf uns. Er wartet darauf, dass wir uns ihm zuwenden und seine Liebe erwidern. Und dieses Warten Gottes auf den Menschen ist kein passiver Akt, kein Verloren-Sein Gottes, keine Langeweile in der Einsamkeit. Gottes Warten ist höchste Aktivität und Aktualität. Wenn Gott wartet, dann stiftet er Wirklichkeit, dann eröffnet er Raum und Zeit der Welt, dann schafft er Beziehung zu uns Menschen. Ja, das Warten Gottes ermöglicht erst die Freiheit von uns Menschen, auf dieses sein Warten zu antworten. Gott ist voller Erwartung, was den Menschen anbelangt, aber er drängt nicht und zwingt nicht. Denn im Unterschied zu uns Menschen kann er wirklich warten. Gott ist voller Erwartung und kann doch auf das Ja des Menschen harren.

Was aber, wenn der Mensch, oder auch nur ein Mensch, sich der Liebe Gottes verweigert? Denn genau das ist doch unsere alltägliche Erfahrung, dass Gottes Willen in unserer Welt auf Widerstände stößt. Dass Recht und Gerechtigkeit unsere Gesellschaft nicht bestimmen, jedenfalls nicht durchgehend. Kurz gesagt: Dass Erlösung aussteht. Was wird dann aus Gottes wartender, ausharrender Haltung? Geht sie dann ins Leere und bleibt unerfüllt? Tatsächlich können wir sagen, Gott geht dieses Risiko ein, beim Menschen nicht anzukommen. Denn er setzt auf den Menschen in seinem Willen, Heil zu wirken und ein Reich von Recht und Gerechtigkeit aufzurichten. Darauf, dass wir uns aus freien Stücken und mit innerem Zutun darauf einlassen. Allerdings ist eine Verweigerung des Menschen, von Gott her gesehen, nicht als eine einmalige Tat vorstellbar. Das Warten Gottes auf den Menschen eröffnet ja erst die Möglichkeit zu unserem Nein. Das Ja Gottes zum Menschen ist von Gott her keinen Schwankungen unterlegen. Seine Hand bleibt, im Bild gesprochen, ausgestreckt. Sein Ja ist ein Ja, es ist endgültig, denn es ist seine Liebe. Darin besteht letztlich ein wesentlicher Kern unserer christlichen Hoffnung: Gottes Liebe zu uns Menschen ist stärker als jede menschliche Verweigerung. Das Nein des Menschen muss im Angesicht Gottes immer wieder in das bleibende Ja hineingesprochen werden. Das Nein des Menschen gegenüber Gott ist somit endlich. Das Ja Gottes zum Menschen hingegen ist der Grund der Ewigkeit. Ist unter diesen Bedingungen vorstellbar, dass Gottes Warten auf den Menschen unerfüllt bleibt?

Gott kann warten, auch auf das letzte Ja des letzten Menschen am entferntesten Zipfel dieser Welt. Wir Menschen können nicht so uneingeschränkt und bedingungslos warten, schon gar nicht auf Gott. Aber wir müssen es auch nicht können. Denn Gott ist uns in Jesus Christus entgegengekommen. Und er hat uns Zeichen hinterlassen, die Sakramente, von denen er uns zugesagt hat, dass wir ihm selbst darin begegnen werden. Daher dürfen wir voll der Hoffnung sein, dass er auch heute, in einer jeden Zeit und an jedem Ort, in unser Leben kommt. Das gibt uns Kraft und den langen Atem für unser Warten; das lässt uns im Noch-Nicht der Erfüllung leben; das gibt uns die Perspektive, uns nach der noch ausstehenden Ankunft Gottes auszurichten.

Was für den Advent im Allgemeinen gilt, das gilt für unseren Vorbereitungsweg auf den Nationalen Eucharistischen Kongress im nächsten Jahr im Besonderen. Den geistlichen Anweg auf dieses in Deutschland erstmalige Ereignis beginnen wir für ganz Deutschland heute Abend. Der Zusammenkunft in Köln im Zeichen der Eucharistie gehen wir mit gespannter Erwartung entgegen. Aber auch hier ist es so, dass das Ereignis des Kongresses einerseits noch aussteht, dass wir andererseits aber bereits einen geistlichen Vorgeschmack darauf hin haben. Denn wir werden ja in Köln nicht erstmalig Eucharistie feiern, sondern wir tun dies als Katholiken an jedem Sonntag, so wie auch heute Abend. Und wir werden in Köln auch die eucharistische Anbetung nicht neu entdecken. Wir praktizieren diese ja bereits an vielen Orten in unserer Kirche in Deutschland in großer Regelmäßigkeit und Treue – so auch hier im Münster. Unsere Erwartung richtet sich vielmehr darauf, wie ein solcher Kongress unser Eucharistiefeiern und unsere eucharistische Spiritualität verlebendigen und vertiefen kann. Hier gibt es manches, was wir uns wieder neu bewusst machen können.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns in seiner Liturgiekonstitution in Erinnerung gerufen, dass die Feier der Eucharistie „Quelle und Höhepunkt“ (SC 10 mit LG 11) unseres ganzen christlichen Lebens und unseres Kircheseins ist. Wenn sie Quelle ist, dann ist die Eucharistie konstitutiv für unsere Kirche, dann entsteht die Kirche in einem geistlichen Sinne aus ihr. Und wenn die Eucharistiefeier auch Höhepunkt unseres kirchlichen Lebens ist, dann muss sie eingebettet sein in eine Vielzahl und Vielfalt liturgischer und anderer Vollzüge. Das ist uns theologisch nicht neu, wird aber in der kirchlichen Praxis des Alltags manchmal vergessen. Daher sind unsere Erwartungen für den Eucharistischen Kongress in Köln zu Recht groß. Denn wir dürfen hoffen, unsere Praxis des liturgischen Feierns und des Gebets zu verlebendigen. Wir dürfen hoffen, dass eine eucharistische Spiritualität, eine eucharistische Haltung unser kirchliches Leben neu durchdringt. Die Eucharistie zu feiern, bedeutet ja in der Tiefe, dass Jesus Christus sich selbst gibt, dass er sich uns als Gabe schenkt. Und es bedeutet zugleich, dass wir eingeladen sind, uns selbst in dieses Geheimnis der Hingabe hinein nehmen zu lassen. Dass wir selbst gebende, uns hingebende Menschen werden. Das ist nicht im Sinne einer menschlichen Leistung zu verstehen, sondern als unsere Antwort auf die liebende Vorgabe Gottes. Wie würden sich unser christliches Leben und unsere kirchliche Alltagspraxis verändern, wenn wir eucharistische, wenn wir uns selbst gebende Menschen würden? Wie würde sich unser Bild als Kirche in der Gesellschaft verändern, wenn eine eucharistische Haltung und Kultur unsere Krankenhäuser, Altenheime, Kindertageseinrichtungen und Schulen prägen würde?

So wie der Advent eine Zeit des Wartens und der Erwartung ist, so ist auch die Vorbereitungszeit auf den Eucharistischen Kongress eine Zeit des Wartens und Erwartens. Advent bedeutet Ausharren, aber nicht passiv, sondern in innerer Gespanntheit und Aktivität. Wir bereiten uns vor für Gottes Ankunft an Weihnachten. Bereiten wir uns auch vor für eine Verlebendigung und Vertiefung unserer eucharistischen Feierkultur und Haltung. Amen.

Schrifttexte:
Jer 33,14-16; 1 Thess 3,12-4,2; Lk 21,25-28.34-36

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