| Pressemeldung

Predigt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 7. März im Priesterseminar in Augsburg

Es gilt das gesprochene Wort
"Duc in altum! Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!" (Lk 5,4). Dieses Wort, das Jesus einst am Ufer des Sees von Genesareth an Petrus und die anderen Jünger richtete, gilt heute uns: "Duc in altum! Dieses Wort erklingt heute für uns" - sagt der Papst in seinem Apostolischen Schreiben Novo Millennio Inuente "und lädt uns ein, dankbar der Vergangenheit zu gedenken, leidenschaftlich die Gegenwart zu leben und uns vertrauensvoll der Zukunft zu öffnen" (NMI 1).
Wir sind bereits abgestoßen vom Ufer des Heiligen Jahres und hinausgefahren auf die hohe See des neuen Jahrhunderts. Hier werfen wir unsere Netze aus, d. h. wir suchen Menschen für Jesus Christus zu gewinnen und sie immer tiefer in die Gemeinschaft mit ihm und damit in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott zu führen. Das ist unsere Aufgabe; darum geht es in der Kirche.
Damit wir unsere Aufgabe erfüllen können, müssen wir das Antlitz Jesu betrachten, sagt der Papst in seinem Apostolischen Schreiben: "Unser Zeugnis wäre unerträglich armselig, wenn wir nicht Betrachter seines Angesichts wären" (NMI 16). Wir müssen auf Jesus schauen und uns von ihm anschauen lassen.
Dabei geschieht etwas. Der Blick auf den Herrn verwandelt uns. "Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahinein werden wir verwandelt. Und wir kommen, wohin wir schauen. Wer aufschaut, nach oben; wer hinabschaut, nach unten". (Heinrich Spaemann).
Schauen wir auf Jesus Christus, damit wir zu ihm kommen und ihm immer gleichförmiger werden, so dass wir ihn in unserem Zeugnis widerspiegeln können. An dieser unserer Einheit mit Christus entscheidet es sich, ob unsere Netze leer bleiben oder voll, ja übervoll werden wie das Netz des Petrus.
Die Einheit mit dem Herrn ist die Grundlage unseres Tuns und die Quelle aller Fruchtbarkeit. "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,5), sagt Jesus beim Abschied den Jüngern.
Der reiche Fischfang des Petrus führt uns dies vor Augen. Petrus und seine Gefährten hatten sich die ganze Nacht abgemüht. Obwohl sie erfahrene Fischer waren, waren ihre Netze leer geblieben. Alle Mühe war umsonst. Dann kommt Jesus, der kein erfahrener Fischer war und sagt: "Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!" Was Jesus ihn hier zu tun heißt, widerspricht all seiner in Jahren gesammelten Berufungserfahrung. Und doch wirft er die Netze aus. Er tut dies trotzdem auf Jesu Wort hin. "Und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen, und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, so dass sie fast untergingen" (Lk 5,6 f.).
Ohne Jesus geht nichts, mit Jesus geht alles. Das war nicht nur die Erfahrung, die Petrus machte. Paulus hat die gleiche Erfahrung gemacht. Als er mit Barnabas von der ersten Missionsreise nach Antiochia zurückkehrte, "riefen sie die Gemeinde zusammen und berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte" (Apg 14,27). An anderer Stelle spricht Paulus von derselben Erfahrung: "Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir" (1 Kor 15,10).
Jesus muss immer dabei sein. Ohne ihn geht nichts. Ist das nicht eine vergessene Wahrheit? Wie käme es sonst, dass trotz so vieler pastoraler Bemühungen unsere Netze oft so leer bleiben? An Einsatz fehlt es nicht. Viele arbeiten bis zur Erschöpfung.
Wie Petrus können sie auf ihre Mühen verweisen, auf die vielen Sitzungen und Konferenzen, die versandten Papiere, die zurückgelegten Kilometer; und doch müssen wir wie Petrus oft bekennen: wir haben "gearbeitet und nichts gefangen".
Wir versuchen, mit unseren Überlegungen und Erfindungen das Evangelium attraktiv zu machen. Wenn es um Glaube und Heil geht, ist nur der Herr attraktiv. Er war es, der die Fische in das Netz des Petrus gelockt hat. Was Petrus tat, nämlich am hellen Tag das Netz auszuwerfen, war menschlich gesehen töricht. Und doch war das Netz übervoll, weil Jesus die Fische ins Netz gezogen hat.
Das ist für uns alle ein Grund zur Hoffnung. Auch wir haben Netze in einer Gesellschaft auszuwerfen, wo unser Tun nicht erfolgversprechend erscheint und oft als töricht betrachtet wird. Man tanzt lieber um goldene Kälber als auf die Kirche zu hören und ihrem Ruf zu folgen. Und trotzdem, wenn wir auf Jesu Wort hin, d. h. im Vertrauen darauf, dass er es mit uns tut, die Netze auswerfen, würden sich dann diese Netze auch heute wie die des Petrus füllen.
Alles kommt darauf an, dass Jesus dabei ist. Ohne ihn geht nichts.
Aber diese Gegenwart des Herrn können wir selbst nicht bewerkstelligen. Wir müssen sie uns schenken lassen. Sie ist nämlich eine Gabe seines Geistes. Der orthodoxe Patriarch von Antiochien Ignatios Hazim sagt vom Wirken des Heiligen Geistes: "Ohne den Heiligen Geist ist Gott fern, Christus bleibt in der Vergangenheit, das Evangelium ist toter Buchstabe, die Kirche eine bloße Organisation. ... Aber in ihm ist der auferstandene Christus gegenwärtig, das Evangelium ist Lebenskraft, die Kirche bedeutet Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott."
Um diesen Geist müssen wir beten. Ihm müssen wir uns öffnen. Von Jesus Christus müssen wir uns mit seinem Geist beschenken lassen. Im Heiligen Geist ist Jesus selbst bei uns. Er lässt uns nicht in die Vergeblichkeit laufen, sondern macht unser Mühen fruchtbar.
Fahren wir wie Petrus auf sein Wort hin hinaus auf den weiten Ozean des neuen Jahrhunderts und werfen wir im Vertrauen auf ihn unsere Netze aus. Er wird sie füllen, auch wenn wir das wohl erst sehen, wenn wir die Netze ans Ufer der Ewigkeit ziehen. Wir werden staunen, wie voll, ja übervoll sie sind. Amen.

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