| Pressemeldung

Predigt des Erzbischofs von Köln, Kardinal Joachim Meisner, bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 22. September 2004

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Brüder im geistlichen Amt!
Jeder Mensch trägt eine göttliche Spur, eine Sehnsucht nach Reinheit, nach Gutsein und Heiligkeit in sich, denn er ist erschaffen nach Gottes Ebenbild und Gleichnis. In vielen Menschen ist dieser Traum nach Vergöttlichung freilich verschüttet im tiefen Brunnen der Seele. Sie kennen sich selbst nicht mehr. Sie sind entfremdet, sie sind sich selbst fremd und fremd gegenüber Gott. Der Sohn Gottes, der sie heimholen will, ist darum wie ein Fremder gekommen und behandelt worden. "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf" (Joh 1,11). Er zeigte so, dass der Mensch einem Fremden gleicht, mag er sich in seiner Welt auch in vielen Dimensionen zu Hause fühlen.
Ungläubige Philosophen haben gemeint, dass Gott, der Einsame, sich selbst auch entfremdet sein müsste. Er bräuchte nämlich ein Gegenüber, ein "Du", um zu sich selbst zu kommen, um sich selbst nicht mehr fremd zu sein. Nur hat man hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gott ist gar nicht einsam, allein, einfältig, sondern er ist dreifaltig. Gott ist Gemeinschaft, weil er Liebe ist. Das Urwort der Liebe heißt "Du". Von Ewigkeit her sagt Gott "Du". Seit Ewigkeit geht vom Vater eine Missio, eine Bewegung, also eine Sendung aus, und das ist der Sohn. Er ist das "Ewige Du" des Vaters. Wenn wir es so sagen wollen: Er ist der erste Geschickte, der erste Missionar. Und weil der Sohn ganz Sohn des Vaters ist, gibt er sich, sendet er sich an den Vater zurück, indem er zu ihm "Du" sagt. Und beide "Du's" des Vaters und des Sohnes werden im Heiligen Geist zur dritten göttlichen Person. Er ist die göttliche Substanz gewordene Missio zwischen Vater und Sohn und zwischen Sohn und Vater. Von ihm wird der Sohn in die Welt gesandt. Und alle Sendungen oder Missiones gehen nun vom Heiligen Geist aus.
Maria empfängt Christus vom Heiligen Geist, und sie trägt ihn in die Welt: so von Maria bis zu Mutter Teresa. Gott drängt sich auszuteilen, mitzuteilen, sich zuzuteilen, weil er die Liebe ist. Ein Glaube, der sich anderen nicht mitteilen will, ist kein christlicher Glaube. Ein Christ, der keine missionarische Bewegung in sich verspürt, ist keiner. Der Mensch soll in die innergöttlichen Missiones, die Sendung zwischen Vater, Sohn und Heiliger Geist, einbezogen werden. Darum ist der Sohn Mensch geworden und hat andere Menschen angesteckt, sich so wie er zu den Menschen senden zu lassen, um sie am Leben des Vaters mit dem Sohn im Heiligen Geist zu beteiligen, um ihre Entfremdung sich selbst gegenüber und damit Gott und den anderen Menschen gegenüber zu verlieren.
Eine geschwisterliche Welt zu schaffen ist zuerst nicht eine ökonomische oder soziologische Aufgabe, sondern eine theologische. Erst wenn man weiß, dass es einen gemeinsamen Vater aller gibt, ist auch die Geschwisterlichkeit unter den Menschen keine bloße Idee mehr. Warum ist das "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit" der Französischen Revolution ein Traum geblieben? - Weil man mit der Proklamation des Programms Gott, den Vater, abgeschafft hat. Darum war die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Deshalb konnte auch das sozialistische "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" nicht ernst genommen werden, weil der gemeinsame Vater geleugnet wird.
Der Christ ist gesandt, den sich selbst, Gott und den Menschen Entfremdeten zu beheimaten, indem er die Botschaft von Gott, dem Dreifaltigen, verkündet. Das ist nicht nur in der so genannten Dritten Welt notwendig, das braucht auch unser altes Europa. Wie Christus werden wir darum mit dieser Botschaft oft unseren Mitmenschen wie Fremde werden. Das heißt heute weitgehend: Missionar sein. Es bedeutet auch immer noch, in die Fremde, in fremde Länder zu gehen, um das Evangelium zu verkünden. Es heißt auch, fremde Interessen zu eigenen werden zu lassen, am eigenen Glaubensgut teil zu geben und am Unglauben der anderen geistlich teil zu nehmen.
Der Apostel Paulus sagt im Hinblick auf einen Christen, der mit einem Ungläubigen verheiratet ist: "Der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch ihren gläubigen Mann geheiligt" (1 Kor 7,14). "Für sie (die Menschen) heilige ich mich", betet Christus zum Vater. "Christ sein" ist nur ein anderer Name für "Missionar sein". Die vielen Verworfenen sind durch die wenigen Berufenen immer von Gott schon mit erwählt: so Ismael durch Isaak, Isau durch Jakob, mit dem ägyptischen Josef werden seine 11 Brüder mit erwählt, die Bewohner Sodoms und Gomorras durch die 10 Gerechten. Die ganze Schrift bezeugt diese missionarische Gegebenheit. Der Christ hat also immer ungläubige Verwandte. So wie Israel nicht durch Israel gerettet wird, sondern durch seine Heilssorge für alle Völker, so wird der Christ nicht gerettet durch den Christen, sondern durch seinen missionarischen Einsatz: berufen zugunsten der noch nicht Berufenen. Die vielen Nichterwählten sind mit den wenigen Berufenen miterwählt. "Glaubst du das", sagt der hl. Bernhard, "dann musst du missionarisch werden!" Gerettet wird man für die anderen und damit durch die anderen. Mission ist keine Einbahnstraße von uns zu den anderen, sondern Mission ist gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir sagen es nochmals: Gerettet wird man für die anderen und damit durch die anderen. Der Andere also bringt mir Rettung. Und wäre die Kirche noch so klein, ihre missionarische Aufgabe bleibt weltweit. Christ wird man, weil die Welt die Christen zum Heil braucht.
Das Leben des einzelnen Christen, das unserer Gemeinden, darf nicht - um es im Bild zu sagen - einer Thermoskanne gleichen, die alle Wärme nach innen aufspeichert, damit nichts nach außen abstrahlt. Der Christ und damit die Kirche ist nur missionarisch zu begreifen, weil Christus gekommen ist, damit die Menschen das Leben haben und es in Fülle haben: in Südamerika und in Asien, in Afrika und Europa und Australien. Christen sind Freunde des Lebens, weil Christus der Bringer des Lebens ist. Darum gehört Mission und missionarischer Einsatz zu unserer christlichen Selbstverwirklichung. Die Welt braucht nichts nötiger als die Botschaft vom Vater, Sohn und Heiligen Geist. Wie lange werden wir Söhne und Töchter ihr die Botschaft vom gemeinsamen Vater schuldig bleiben?
Amen.

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