| Pressemeldung

Predigt des Erzbischofs von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky, bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 3. März 2004 in Bensberg

Es gilt das gesprochene Wort!

(Jona 3,1-10; Lk 11,29-32)
Rechtes Schuldbewusstsein?
1. "Noch 40 Tage, und Ninive ist zerstört" - ist es richtig, überhaupt möglich, mit Strafandrohung zur Buße, d. h. zur Abkehr vom Bösen und zur Hinkehr zu Gott zu rufen? Jona tut's, allerdings unwillig, weil er die Bekehrung gar nicht will, sondern die Strafe. Und "die Leute von Ninive glaubten Gott" - nicht Jona. Hätten sie Jona geglaubt, hätten sie die Stadt verlassen müssen, um der Strafe zu entgehen. Jona hatte aber eine Rettungsmöglichkeit angedeutet: "Noch 40 Tage" - das ist die Zeit des Fastens und der Buße. Indem sie Buße übten, glaubten sie - mehr als Jona dem lebendigen Gott. Denn sie taten, was Jerusalem nicht tat, als Jesaja gewarnt hatte: "Glaubt ihr nicht, bleibt ihr nicht." Und der König, der vom Thron stieg, Buße tat und mit seinen Großen Buße befahl, wird zum Gegenbild zu König Jojakim, der die Rolle mit den Strafankündigungen des Jeremia - auf dem Thron bleibend - Stück für Stück zerschneidet und ins Feuer wirft. Der König von Ninive befiehlt und praktiziert Umkehr - in der (wenigstens schwachen) Hoffnung: "Vielleicht reut es Gott ..." Diese Hoffnung hat zur Buße bewogen.
Strafandrohung kann zur Buße führen.
Also sollten auch wir den Mut aufbringen, die Folgen der Sünde aufzuzeigen und sie nicht zu verharmlosen.
Wir wissen, dass auch Jesus das tut und dass er seine Ähnlichkeit mit Jona hat: "... wie Jona für die Einwohner von Ninive ein Zeichen war, wird es auch der Menschensohn für diese Generation sein".
2. Wenn aber die Androhung nicht geglaubt und die bestimmte Folge - nein: das Wesen der Sünde - die Trennung und Ferne von Gott - nicht erfasst wird oder nichts bedeutet - was dann?
Dann bleibt der andere Weg zu gehen, die andere Weise Jesu zu wählen: die anziehende Vaterliebe und die unglaubliche Vergebungsbereitschaft Gottes zu verkünden und den Blick zu weiten auf die großen Möglichkeiten, die sie uns eröffnen.
Ruf zur Buße ist es, wenn Jesus sagt, dass er nicht zu richten, sondern zu retten gekommen sei ..., wenn er seinen Umgang rechtfertigt: die Kranken, nicht die Gesunden des Arztes bedürfen, riefe er nicht die Gerechten, sondern die Sünder ... oder wenn er "das Evangelium im Evangelium" verkündigt im Gleichnis vom barmherzigen Vater, der mit Geduld wartet und nicht abrechnet, sondern vergibt. Hätte der in die Irre gegangene Sohn den Mut zur Umkehr haben können, wenn er nur Strafe erwarten müsste? Und Jesus sagt: mehr als der Sohn erwarten konnte, will Gott geben - denen, die zur Einsicht gekommen sind oder zur Einsicht kommen können.
Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes - auch ein Ruf zur Umkehr.
3. Und übergehen wir nicht jene - vielleicht gehören wir zu ihnen -, die immer Buße tun möchten, weil die biblische Botschaft zur immerwährenden Umkehr ruft, und sie auch wissen, dass sie immer wieder versagen und doch nach Vollkommenheit streben mögen (was für ein altes Wort!), sich aber wenig motiviert fühlen und wenig innere Bewegung spüren. Denen ist oft wenig geholfen mit einer immer intensiveren Gewissenserforschung, die nur Fehler aufspüren möchte ..., als ob es ein Zeichen der Vollkommenheit wäre, wenn einer wie ein "Kontrollbeamter seines eigenen Lebens" herumläuft und womöglich überall noch verborgene Fehler fürchtet. Nein, Mangel an Sündenbewusstsein dürfte in einem Mangel an "Christenbewusstsein" liegen: dass wir blind sind für die Würde der Gotteskindschaft, für die Wunder der Gnade, die Schönheit der Ordnung Gottes. Zur Einsicht in die eigene Sünde und zum Verständnis für Buße kommen wir am sichersten, wenn wir ernsthaft die Möglichkeiten betrachten, die Gott uns eröffnet und die wir womöglich nicht annehmen.
Das müsste uns verständlich sein aus dem zwischenmenschlichen Verhalten: gerade vor dem Menschen, den wir in besonderer Weise lieben und schätzen, möchten wir uns würdig erweisen. Und umgekehrt: Wenn wir einen geliebten (und uns sehr liebenden) Menschen verletzen, tut es uns am heftigsten Leid. Das aber heißt: zur größeren Liebe Gottes führen uns der Blick auf Gott und die Erfahrung seiner Liebe.
Als Kind hat man uns wohl gelehrt, dass uns die Betrachtung des Gekreuzigten am meisten die Liebe Gottes erahnen lässt. Das traut man sich heute kaum mehr zu sagen. Es werden starke Bedenken erhoben: der Blick auf einen Leidenden schrecke ab. (Andererseits werden uns Bilder des Elends gezeigt, um zum Mitleid zu bewegen.) Und mit einem leidenden Gott will schon gar keiner etwas zu tun haben.
Mir scheint dagegen zu sprechen, dass die Passionsfrömmigkeit gute Früchte getragen hat und tragen wird - wenn denn die Passion richtig interpretiert wird. Und in einer Zeit, in der allen Ernstes geglaubt wird, Gott könne doch keine Opfer verlangen, und deshalb der Sühnecharakter des Kreuzestodes Christi bestritten wird, dürfen wir die Betrachtung des Leidens und Sterbens Jesu in Kreuzwegandacht und Rosenkranzgebet nicht vernachlässigen. (Man kann gespannt sein, was Gibsons Film über die Passion Jesu bewirken wird.)
Auch die Betrachtung des Kreuzes Christi als Zeichen der gekreuzigten Liebe ist ein Weg der Buße: der Abkehr von der Sünde und der Hinkehr zu Gott.
Amen.

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