| Pressemeldung

Predigt des Erzbischofs von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky, bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Freising am 12. März 2003

Es gilt das gesprochene Wort!
Homilie zu Jona 3,1-10
Wo ist Ninive heute?
Jona wollte der Stadt nicht predigen, weil er ihre Bekehrung fürchtete, denn er wollte nicht ihre Begnadigung. Wir würden gern predigen, wenn wir auf Bekehrung hoffen könnten. Wir tun es auch - zuweilen. Hat sich jemand bekehrt? Also wagen wir den Ruf zur Umkehr kaum, weil wir Bekehrung nicht für denkbar halten.
Jona muß nach Ninive genötigt werden. Schließlich droht er der Stadt - mit verblüffendem Erfolg. Froh ist er darüber nicht. Gott hat es nicht leicht, ihn dahin zu bringen, daß er sich über Vergebung und Rettung nach der Bekehrung freut. Die Stadt ist bekehrt, Jona nicht.
Wir müssen erzogen und dahin geführt werden, daß wir Umkehr erwarten. Schön wär's, wenn wir durch Erfahrungen umgestimmt würden und erleben könnten, daß Menschen sich vom Bösen abkehren, sich zum Guten hinkehren und auf den lebendigen Gott ausrichten würden. So ist es aber nicht. Wir können es nicht einfordern und dürfen nicht warten, bis uns Erfolgserlebnisse beflügeln.
Trotzdem sind wir gesandt, zur Umkehr zu rufen. Bemühen wir uns, daß wir dem nachkommen!
Nötig istzuerst einmal, daß wir die Bekehrung der vielen ersehnen.Uns liegt das Klagen über die verwirrte Welt, die Unmoral und den Werteverfall, die steigende Kriminalität, die Bindungs- und Gottlosigkeit. Aber Umkehr ersehnen ist mehr: Umkehr ersehnen heißt auch auf Änderung warten. Sehnen wir uns nach der Bekehrung der Sünder so wenig, weil wir Enttäuschungen vermeiden wollen? Es ist schwer, die Sehnsucht wachzuhalten, wenn keine Hoffnung auf Erfüllung besteht.Nötig istsodann das unablässige Gebet.Man sagt: Wenn Christen nicht mehr ein und aus wissen und die Aktivitäten fruchtlos sind, pflegen sie zu beten. Wenn das stimmen würde, müßten wir ja immer am Beten sein.Wir beginnen hoffentlich schon früher mit dem Gebet.Von Herzen bin ich dankbar für die kontemplativen Gemeinschaften, die im Gebet für die Welt nicht nachlassen. Aber ich möchte die Aufgabe nicht an Klöster delegieren, sondern selbst für die Bekehrung beten ... und die Gemeinden und die vielen Einzelnen zu beharrlichem Beten motivieren.Nötig istdie klare Verkündigung des Willens Gottes und seiner Gebote. Selbstverständlich ist Sein Wille das Heil der Welt, selbstverständlich ist Sein Erbarmen ohne Maß. Oder doch nicht selbstverständlich? Wir haben alle den Mut, dies mit Nachdruck und Überzeugung zu verkündigen. Aber die Versöhnung mit Gott kann nicht verkündigt werden ohne ihre Konsequenzen, und zu diesen gehören auch ethische Maßstäbe. Wir tun weder Gott noch den Menschen einen Gefallen, wenn wir immer nur von dem reden, was moralisch noch vertretbar ist; wenn wir nur vom Verständnis für die menschlichen Schwächen sprechen ... und nicht mehr das hohe Ideal des Christen benennen.Es ist ja wohl so, daß ein Gespür für die Bosheit der Sünde und die Hochschätzung der göttlichen Vergebungsbereitschaft miteinander korrespondieren. Wer Sünde und Vergehen bagatellisiert, wie soll er Gottes Erbarmen zu schätzen wissen? Und wer wird Gottes Erbarmen schätzen, wenn er Sünde übersieht und die Vergebungsbedürftigkeit gar nicht erlebt? Wir haben heute eine panische Angst vor einer Drohung; Jesus hat sich nicht gescheut, vom unerbittlichen Gericht zu sprechen.Nötig ist,daß wir Bekehrungen, auch tiefe Bekehrungen, Bekehrungen auch bei vielen für möglich halten.Es gibt doch ganz überraschende Mentalitätswandlungen.Ich nenne zuerst sittlich und religiös indifferente. Mit Erstaunen beobachte ich beispielsweise, daß Jugendliche vor 10 Jahren die größtmögliche Formlosigkeit praktizierten und auch einforderten, heute fragen sie eindringlich nach Ritualen. Vor 25 Jahren wurde die Abschaffung kultischer Gewänder gefordert; heute wollen Jugendliche ministrieren allein, weil sie liturgische Gewänder tragen dürfen. Jeder von uns hat erlebt, wie Kriegsbegeisterung in Pazifismus umschlagen kann. Oder Wandlungen im Glaubensbewußtsein: Vor 20 Jahren kannte ich eine Katechetin, die in Lehrbüchern für den Religionsunterricht alle Bilder zuklebte, auf denen Engel zu sehen waren. Die Kinder sollten keinen Anlaß haben, nach Engeln zu fragen. Wo ich auch hinkam, wurde diskutiert, ob es wirklich Engel gäbe. Heute? Es glauben Menschen an Engel, die nicht an Gott glauben. Oder denken wir an den Umschlag von einer für eine Zeit quälenden Heilsangst in den heutigen billigen Heilsoptimismus.Solche Bewußtseinswandlungen oder auf diese Weise erwachsene Haltungen lassen natürlich fragen: Wie tief gehen sie? Wie lange halten sie an? Immerhin, sie zeigen: Bekehrungen sind möglich.Nötig istschließlich, daß sich Seelsorger vorzugsweise um Menschen kümmern, die vor einer Bekehrung stehen: der Ersten (grundlegenden) Bekehrung zum Christsein oder der Zweiten Bekehrung zur Entschiedenheit im Christsein. Da wir nicht alles tun können, was möglich ist, suchen wir nach Prioritäten. Das ist eine: Die Sorge um Menschen vor einer Bekehrung.
Jona hat gepredigt, eine radikale Bekehrung der Stadt erlebt und - geschmollt. Ich darf doch annehmen: Keiner von uns ist ein Jona. Aber vielleicht sind wir nach Ninive gesandt. Vielleicht wartet die heutige Generation auf Jona. Jesus sagt: es wird ihr kein anderes Zeichen gegeben als das Zeichen des Jona. Seine Auferstehung wird nichts nützen, wenn das Wort nicht zuvor gehört wurde. Wo liegt Ninive heute? Mein Ninive? Herr, zeig es mir!
Amen.

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