| Pressemeldung

Predigt des Erzbischofs von Bamberg, Dr. Ludwig Schick, bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 25. September 2003

Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonischen Dienst, Schwestern und Brüder, liebe Fuldaer!
Es gehört zum festen Bestand jeder Fuldaer Bischofskonferenz, dass am Donnerstag die Heilige Messe für die verstorbenen Bischöfe gefeiert wird. In diesem Jahr wurde der Bamberger Weihbischof Martin Wiesend im 93. Lebensjahr heimgerufen. Für ihn beten wir in dieser Eucharistie heute ganz besonders. Er war von 1967 bis 1983 Mitglied der Konferenz. Er war ein bescheidener, liebenswürdiger Mitbruder, der im Erzbistum Bamberg und weit darüber hinaus, sehr geschätzt und geliebt wurde. Ich bin dankbar, dass ich ihn in Bamberg noch kennen lernen und sehr gute Gespräche mit ihm führen konnte.An die Verstorbenen zu denken und für sie zu beten, gehört zu den ältesten Bräuchen der Kirche und wird bereits in den Briefen des Neuen Testaments erwähnt, angeregt und gefordert. Das Gedächtnis der Verstorbenen wird aber in allen humanen Hochkulturen gepflegt.Mit unserem christlichen Totengedenken und -gebet hängt unsere Auffassung vom Sterben, unser Umgang mit den Toten und die Beerdigungsliturgie, sowie die Grab- und Friedhofskultur eng zusammen. Für die Christen ist das Sterben ein heiliges Geschehen, das sich ganz persönlich zwischen Gott und dem Menschen vollzieht. Im Sterben kehrt der Mensch heim zu dem, der ihn geschaffen hat. Durch menschliche Nähe, durch heilige Salbung, Kommunionempfang, sowie durch Gebete und Riten, die an Gottes Barmherzigkeit erinnern, begleiten die Christen die Sterbenden und nehmen am Sterben ihrer Angehörigen und Mitmenschen teil. Ärztliche und pflegerische Hilfe zur Linderung von Schmerzen und um das allgemeine Befinden zu verbessern, sind erforderlich und wünschenswert. Sie helfen, den Abschied zu erleichtern und begleiten die Heimkehr zu Gott. Ein Eingriff in dieses heilige Geschehen zwischen Gott und seinem Geschöpf durch Aktive Sterbehilfe ist nach christlicher Vorstellung niemals und aus keinen Gründen erlaubt. Deshalb müssen die Christen gegen diesbezügliche Initiativen und Ideen opponieren, derzeit gegen den Europarat. Aktive Sterbehilfe greift in Gottes Rechte ein. Gott allein ist Herr über Leben und Tod. Niemand darf ihm dieses Recht bestreiten, nicht einmal bezüglich des eigenen Lebens und Sterbens.
Das Töten von alten und kranken Menschen, selbst auf ihr Verlangen hin, nimmt ihnen die Chance, wirklich reif zu werden für die Begegnung mit Gott von Angesicht zu Angesicht. Außerdem nimmt die aktive Sterbehilfe dem Sterbenden die Möglichkeit, seinen Auftrag an den Mitmenschen bis zum Ende auszuführen. Wer mag beurteilen, was ein Sterbender bis zu seinem natürlichen Tod noch alles seinen Mitmenschen bewusst oder unbewusst zeigen oder sagen kann? Was kann zwischen Sterbenden und ihren Angehörigen noch alles an Versöhnung, Wertevermittlung, Trost und Hilfe geschehen?
Die aktive Sterbehilfe muss radikal abgelehnt werden. Sie ist und bleibt Tötung und vielleicht auch Selbsttötung. Beides ist gegen das 5. Gebot Gottes. Die Christen ehren dann den Leib der Toten. Sie waschen ihn, kleiden ihn, legen ihn in einen Sarg und beerdigen ihn mit Weihwasser und Weihrauch, mit Prozession zum Grab und Rückgabe an die Erde unter Gebeten und Gesängen. All das tun sie, um deutlich zu machen, dass der Leib, auch wenn er vergeht, von Gott geschaffen ist und dass er Sitz der unsterblichen Seele, sowie Tempel des Heiligen Geistes ist. Auch die Grabpflege und Friedhofskultur gehören zu unserer christlichen Tradition. Wir errichten über dem Grab ein Kreuz, Zeichen des Sieges über Sünde und Tod durch Jesus Christus. Wir schreiben den Namen des Verstorbenen sowie sein Geburts- und Sterbedatum auf das Kreuz oder die Grabplatte und versehen die Grabstätte mit einer Inschrift, wie z. B. Requiescat in pace - Möge er ruhen in Frieden, oder Exspectat resurrectionem mortuorum - Er wartet auf die Auferstehung der Toten. Damit machen wir deutlich, dass der Mensch als Individuum zählt, auch über den Tod hinaus und dass er bleibt in Ewigkeit. Letztlich müssen auch die Gräber und Friedhöfe der Christen Achtung vor jedem individuellen Leben, das auch über den Tod hinaus Wert und Bedeutung behält und im ewigen Leben weiter existiert, zum Ausdruck bringen. Liebe Schwestern und Brüder! Wenn wir heute hier im Fuldaer Dom und in vielen Gottesdiensten in unseren Gemeinden immer wieder unsere lieben Verstorbenen erwähnen, an sie denken und für sie beten, dann muss uns klar sein, dass wir das in einem Umfeld tun, in dem diesbezüglich unsere ganze christliche Tradition in Frage steht. Das christliche Sterben ist durch aktive Sterbehilfe bedroht. Immer mehr Menschen sterben auch ganz allein, abgeschoben in die Sterbezimmer der Altenheime und Krankenhäuser. Auch die Beerdigungskultur verflacht immer mehr. Anonyme Beerdigungen, sogenannte Friedwaldbeerdigungen ohne Kreuz, ohne Namen ohne christliche Liturgie werden angepriesen. Auch unsere Gräber und die Friedhöfe verändern sich. Die christlichen Zeichen der Wertschätzung des Lebens eines jeden Verstorbenen und für seine Existenz in der Ewigkeit Gottes werden weniger. Und schließlich leben wir in einer Zeit, in der es immer mehr Verstorbene in den Leichenhallen der Altenheime und Krankenhäuser gibt, um die sich niemand kümmert, obwohl Angehörige da sind. Wir deutschen Bischöfe und die Bischofskonferenz haben diesen Trend und dieses Problem erkannt und machen uns diesbezüglich Gedanken und große Sorgen.Liebe Schwestern und Brüder! Wir sprechen zu Recht davon, dass eine Reevangelisierung in Deutschland und in ganz Mitteleuropa nötig ist. Dazu muss auch die Reevangelisierung unseres Umgangs mit den Sterbenden und dem Sterben, mit den Toten und ihrer Beerdigung, sowie der Grab- und Friedhofskultur gehören. Wir Christen müssen wach werden und unseren guten, humanen und gläubigen Umgang mit den Sterbenden und dem Sterben erneuern.
Zu Recht wird von vielen Gruppen und auch von der Politik gefordert, dass anonyme Geburten nicht sein sollten. Aber als letzte Chance, einem Ungeborenen das Leben zu schenken und einen Geborenen vor dem Tod zu retten, sind sie notwendig. Wie es keine anonymen Geburten geben sollte, sollte es auch kein anonymes Sterben geben.
Wir müssen uns wieder dazu entschließen, bei unseren Sterbenden zu bleiben und ihnen die Hand zu halten, bis sie die Augen schließen oder bis zum letzten Atemzug. Wir müssen wieder neu lernen mit ihnen zu sprechen und zu beten. Auch das Sakrament der Krankensalbung, die Wegzehrung vor dem Hinscheiden und die Totengebete müssen erneuert werden. Dazu kann jeder von uns beitragen und dazu ist jeder aufgefordert. Ebenso ist der Umgang mit unseren Toten erneut mit christlichem Geist zu erfüllen. Wir müssen den Leib der Toten ehren, sie würdig im Sarg betten und beerdigen.
Requiem und Bestattung müssen ein Anliegen der Gemeinden, besonders der Verwandten und Nachbarn sein. Weder die Toten selbst, noch ihre trauernden Angehörigen dürfen allein gelassen werden.
Anonyme Beerdigungen, Friedwaldbeerdigungen müssen für einen Christen tabu sein. Christliche Beerdigung ist ein Zeugnis des Glaubens für die Würde des Menschen und eine Bekundung des Glaubens an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben bei Gott. Für unsere christliche Kultur beim Sterben und Beerdigen müssen wir neu werben und dafür auch auf die Politiker Einfluss nehmen. Liebe Schwestern und Brüder! Der Umgang mit den Sterbenden und den Toten, die Art der Beerdigung und die Pflege der Gräber und der Friedhöfe, wirkt sich auf den Umgang mit den Lebenden aus. Die Kulturgeschichte liefert dafür X Beispiele. Wie Menschen mit den Toten umgehen, so behandeln sie auch die Lebenden.
Halten wir an unseren guten Traditionen bezüglich der Sterbenden und Toten fest, auch um den Lebenden eine gute Zukunft zu sichern. Erneuern wir unseren christlichen Umgang mit den Sterbenden und den Toten zur Erneuerung unseres christlichen Lebens und unserer Hoffnung auf den Himmel bei Gott.
Amen.

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