| Pressemeldung

Pastorales Schreiben "Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der Christlichen Gemeinde. Impulse für eine lebendige Feier der Liturgie"

Einführung in den Text von Professor Dr. Winfried Haunerland, Würzburg, am 17. November 2003 in Köln

1. Vor 40 Jahren, am 4. Dezember 1963, hat das II. Vatikanische Konzil die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium" verabschiedet. Mit diesem ersten Dokument des Konzils wurde eine allgemeine Erneuerung der Liturgie der römisch-katholischen Kirche angestoßen. Nachdem mittlerweile alle liturgischen Bücher veröffentlicht und in den Gemeinden eingeführt wurden, ist eine wichtige Etappe der Liturgiereform geleistet. Auch wenn die liturgischen Bücher kontinuierlich in Rom und im deutschen Sprachgebiet überarbeitet werden müssen, so sind doch in näherer Zukunft kaum umgreifende und einschneidende Veränderungen in den geltenden liturgischen Ordnungen zu erwarten. Das bedeutet freilich nicht, dass das Anliegen der liturgischen Erneuerung damit erledigt wäre. In der gegenwärtigen Phase scheint es besonders wichtig, Hilfen zu einer Vertiefung, Verlebendigung und Erneuerung der tatsächlichen Feierpraxis zu geben. Im Blick auf die Feierkultur unserer Gottesdienste bleibt es eine ständige Aufgabe, die erneuerten liturgischen Ordnungen und die grundlegenden Impulse des Konzils sich geistlich anzueignen.

2. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrem Studientag zur "Entwicklung der Liturgie in den deutschen Diözesen" im Herbst 2002 die Wichtigkeit einer umfassenden theologischen und spirituellen liturgischen Bildung herausgestellt. Diesem Ziel sollte nach dem Willen der Bischöfe ein gemeinsames Wort zur geistlichen Erschließung der Liturgie dienen, das im Laufe des vergangenen Jahres erarbeitet wurde. Anstoß für das jetzt vorliegende Pastoralschreiben sind also nicht irgendwelche konkrete Fehlentwicklungen oder Missstände, die hier disziplinär geregelt werden sollen, die es aber freilich auch gibt. Vielmehr wollen die Bischöfe einen theologisch-geistlichen Beitrag zur liturgischen Bildung leisten "und gleichzeitig ermutigen, auch weiterhin die Möglichkeiten zur theologischen Reflexion unseres gottesdienstlichen Handelns zu nutzen und nach neuen Wegen liturgischer Bildung zu suchen" (45). Wie der Untertitel sagt, geht es den Bischöfen um "Impulse für eine lebendige Feier der Liturgie". Der Titel selbst greift ein Wort aus dem Bischofsdekret des Konzils auf; dort wird nämlich die Eucharistie als "Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der Christlichen Gemeinde" (Bischofsdekret 30) bezeichnet.

3. Auch wenn der Eucharistiefeier im Allgemeinen und der Sonntagsmesse im Besonderen die zentrale Rolle im gottesdienstlichen Leben der katholischen Kirche und ihrer Pfarrgemeinden zukommt, setzt das Pastoralschreiben weit breiter an. Es stellt zuerst die Notwendigkeit des Gebetes für jeden Christen heraus und zeigt, inwiefern dieses sowohl Ausdruck des Glaubens als auch ein Beitrag zu dessen Stärkung und Verlebendigung ist. Dabei ermutigen die Bischöfe, gerade auch in Zeiten der Glaubenskrise und des Zweifels nicht vom Gebet abzulassen. Es ist sodann ein Kennzeichen der Christen, dass sie nicht nur alleine beten, sondern immer auch zum Gebet zusammenkommen. Ein zweiter Abschnitt gilt deshalb dem gemeinschaftlichen Gebet und damit den gottesdienstlichen Feiern. Die Bischöfe erinnern an die unersetzliche Funktion der Heiligen Schrift für jeden Gottesdienst. Sie zeigen auf, dass rechter Gottesdienst keine Flucht aus der Welt ist, gleichzeitig aber auch nicht eine Verdoppelung des Alltags und damit seiner Trostlosigkeit sein darf. Ausdrücklich machen sie darauf aufmerksam, dass auch neue, gleichsam außerliturgische Gottesdienstformen für das Leben der Gläubigen sinnvoll sein können und in der gegenwärtigen Situation der Pastoral immer häufiger notwendig erscheinen.

4. Der dritte Abschnitt handelt sodann von den Feiern, die für den gesamten Römischen Ritus geordnet sind und die in der Sprache des Konzils als Liturgie bezeichnet werden. Das vorgegebene Ritual entlastet die konkret versammelte Gemeinde. Sie muss nicht selbst neu erfinden, wie sie beten und feiern kann, sondern kann sich vertrauensvoll auf eine Ordnung einlassen, die sich in der größeren Gemeinschaft bewährt hat. Gleichzeitig sind alle vorgegebenen Rituale und Gebetstexte immer auch eine Herausforderung, den eigenen Glauben und die eigene Gebetssprache daran wachsen zu lassen. Dankbar erinnern die Bischöfe aber auch daran, dass heute viele Frauen und Männer, Mädchen und Jungen unterschiedliche Dienste in der Liturgie wahrnehmen und so selbst erfahren und anderen deutlich machen, dass die Feier des Gottesdienstes Aufgabe der ganzen Kirche ist.

5. Was über die Liturgie an sich gesagt ist, gilt in besonderer Weise von der Eucharistie, aus der die Kirche lebt und die Zeichen der Einheit und Gemeinschaft der ganzen Kirche ist. Deshalb ist der Messfeier ein eigener Abschnitt in dem Pastoralschreiben gewidmet. Gerade in der Feier der Messe wird deutlich, dass der Gottesdienst nicht zuerst der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient, sondern ein Akt des Gehorsams gegenüber dem Herrn der Kirche ist. Denn Christus hat seiner Kirche aufgetragen: "Tut dies zu meinem Gedächtnis." (1 Kor 11,24 f; Lk 22,19) Zu einem angemessenen Verständnis der Messfeier gehört auch eine sachgerechte Rede von der Messe als Opfer. Ausgehend vom Eucharistischen Hochgebet erörtern die Bischöfe deshalb den Zusammenhang der Selbsthingabe Jesu am Kreuz und der Vergegenwärtigung seines Todes in der Eucharistie sowie der Hingabebereitschaft der Christen in Gottesdienst und Lebenspraxis. Neben einigen wichtigen Hinweise zur Feiergestalt zeigen die Bischöfe sodann die besondere Bedeutung der sonntäglichen Eucharistiefeier auf und befassen sich mit der schmerzlichen Situation, dass heute nicht mehr in jeder Pfarrgemeinde wenigstens eine Sonntagsmesse gefeiert werden kann.

6. Der letzte große Abschnitt befasst sich mit den vielen anderen gottesdienstlichen Feiern, die neben der Eucharistiefeier in der Tradition der Kirche immer einen Platz hatten, die teilweise vergessen wurden, aber an einzelnen Orten auch wieder zu neuer Blüte kommen. Vor allem, wenn nicht mehr täglich Eucharistie gefeiert werden kann, sollte dennoch in jeder Kirche auch an jedem Werktag in irgendeiner Form eine Gruppe der Gemeinde zum gemeinsamen Gebet zusammen kommen. Genannt werden neben einzelnen Gebetszeiten der Tagzeitenliturgie (Stundengebet) Wort-Gottes-Feiern, aber auch die unterschiedlichen Andachten. Die Eucharistische Anbetung, der Rosenkranz oder die Kreuzwegandacht werden als Beispiele erwähnt. Mit Wertschätzung sprechen die Bischöfe von den jüngeren Versuchen, neue Gottesdienstformen zu finden, die vielleicht auch für kirchlich weniger gebundene Menschen einladend und hilfreich sind und gelegentlich ein solidarisches und diakonisches Angebot der Kirche sein können. Gerade in diesen Ausführungen zu den Andachten und neueren Gottesdienstformen wird deutlich, dass es nicht als Abwertung verstanden werden darf, wenn das Konzil nicht alle gottesdienstlichen Feiern als Liturgie bezeichnet. Auch andere, also nicht-liturgische katholische Gottesdienste sind Gottesdienste, die in der Kirche und von Gliedern der Kirche gefeiert werden, in denen Christus mit seiner Kirche verbunden ist und die Orte der Begegnung von Gott und Mensch sind.

7. Schon das Konzil hatte die Wichtigkeit der liturgischen Bildung für eine grundlegende Erneuerung des liturgischen Lebens und eine Förderung "der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme" aller Gläubigen herausgestellt und deutlich gesehen: "Es besteht... keine Hoffnung auf Verwirklichung dieser Forderung, wenn nicht zuerst die Seelsorger vom Geist und von der Kraft der Liturgie tief durchdrungen sind und in ihr Lehrmeister werden." (Liturgiekonstitution 14). Ganz in diesem Sinn wenden sich die Bischöfe mit ihrem Pastoralschreiben zuerst an die Priester und Diakone sowie an alle (hauptberuflichen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge. Sie werden eingeladen zu einer Selbstvergewisserung über das eigene gottesdienstliche Handeln. Der Text möchte gleichzeitig dazu anstiften, in Predigt und Katechese den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Liturgieausschüssen und Liturgiekreisen, aber auch der ganzen Gemeinde hilfreiche Zugänge zu einer tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern zu eröffnen. Vielleicht kann das Schreiben darüber hinaus in der Aus- und Fortbildung der Ehrenamtlichen eine Grundlage sein, an Hand derer wichtige gottesdienstliche Fragen erarbeitet und reflektiert werden können.

8. Wichtig wird es nun sein, dass das Papier ein Anstoß ist, nach Wegen zu suchen, wie die Gläubigen tiefer in eine fruchtbare Mitfeier der Liturgie eingeführt werden können. Ohne Zweifel ist dies nicht nur eine Herausforderung für die ganze Breite kirchlicher Bildungsarbeit, sondern zuerst - und darauf macht das Pastoralschreiben auch aufmerksam - eine Herausforderung für eine angemessene, sachgerechte und geistliche Feierkultur. Denn nicht liturgiewissenschaftliche oder geschichtliche Spezialkenntnisse sind wichtig, sondern ein inneres Verstehen, das den Sinn der Liturgie erschließt und den inneren Mitvollzug fördert. Dieses Anliegen werden die Bischöfe auch in ihrem gemeinsamen Hirtenwort am kommenden Christkönigssonntag, dem 23. November 2003, aufgreifen und so eine erste Brücke zwischen dem Pastoralschreiben und den Gemeinden selbst schlagen. Es ist das Besondere dieses Pastoralschreibens, dass es ein theologischer Versuch ist, unser gottesdienstliches Handeln mystagogisch und d. h. geistlich oder spirituell zu erschließen.

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