| Pressemeldung | Nr. PRD 017b

Partnerschaft mit den Armen. Wechselseitige Verpflichtungen in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit

Statement von apl. Professor Dr. Gerhard Kruip (Hannover), Vorsitzender der Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik", beim Pressegespräch zur Vorstellung der Studie am 02.03.2004 in Bensberg

Es gilt das gesprochene Wort!
Darf Entwicklungshilfe von der Erfüllung von Bedingungen abhängig gemacht werden? Oder gehört es sogar zu einer verantwortlichen Vergabe von Entwicklungshilfe, auf der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zu bestehen? Ich möchte die Frage anhand von zwei entgegengesetzten Fallbeispielen kurz erläutern:
In den letzten Jahren war vor allem die Politik des Internationalen Währungsfonds umstritten, die Vergabe von Krediten mit bestimmten "Konditionalitäten" zu belegen. Oft wurden Krisenländern, denen geholfen werden sollte, Auflagen gemacht, die die Krise eher noch verschärften. Hier muss gefordert werden, dass solche Auflagen stärker auf die jeweilige Situation in einem bestimmten Land zugeschnitten werden, dass Fachkompetenzen aus diesen Ländern und kritische Stimmen zur bisherigen Politik stärker berücksichtigt werden und stärkere Mitverantwortung für das Scheitern der bisherigen Politik übernommen wird.
Auf der anderen Seite gibt es etwa im Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Kirchen Bereiche, in denen man meint, auf Bedingungen und Kontrolle verzichten zu müssen, weil diese dem Gedanken der Partnerschaft widersprechen würden. Es seien, so hört man gelegentlich, die Partner in den Entwicklungsländern, die alleine am besten wüssten, was ihnen helfen würde. Deshalb dürfe man ihnen keine Vorschriften machen. Eine solche Partnerschaftsrhetorik deckt sich jedoch häufig nicht mit den tatsächlichen Machtungleichgewichten. Sie verdeckt, dass die selbstloseste Hilfe Einflussnahme bedeutet. Schon das Angebot von Hilfe beeinflusst die Nachfrage, schon allgemeine Zielformulierungen beeinflussen die Antragsteller. Dessen sollte man sich ebenso bewusst werden wie der Notwendigkeit, auch im Bereich der zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit den Prinzipien der Transparenz und Rechenschaftspflicht zu entsprechen, nicht zuletzt um Korruption zu verhindern, die manchmal auch hier vorkommt.
Die Studie der Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik" der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der Kommission "Weltkirche" der Deutschen Bischofskonferenz setzt grundsätzlich an und fragt danach, welche wechselseitigen Verpflichtungen mit einem partnerschaftlichen Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit verbunden sein müssen. Dabei wird die Forderung nach Partnerschaft positiv gewürdigt. Wer von "Partnerschaft" in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit spricht, möchte vor dem Hintergrund kolonialer Vergangenheit und fortbestehender Machtungleichgewichte betonen, dass Beziehungen zwischen Erster und Dritter Welt "auf gleicher Augenhöhe" möglich sein müssen. Die Empfänger von Hilfe müssen als gleichberechtigte Menschen, Gruppen oder Staaten anerkannt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Hilfegeber ihre Verantwortung für die Verwendung von Hilfsgeldern und die Wirkungen von Entwicklungshilfe einfach an die Hilfeempfänger abgeben könnten. Vor allem ist es legitim, die Vergabe von Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, die sicherstellen, dass die Hilfe bei denen ankommt, für die sie bestimmt ist, und dass Projekte die angestrebten Wirkungen tatsächlich erreichen können. Einige grundsätzliche Regeln für Partnerschaft und Konditionalität lauten folgendermaßen:
Die Grundlage für jede Form der Entwicklungszusammenarbeit bildet die Achtung der Menschenwürde aller Beteiligten. Wichtig ist die Einigung auf gemeinsame Ziele als Basis der Partnerschaft. Sowohl Geber- wie Nehmerseite sollten sich genau überlegen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen und können. Es muss klar sein, dass Konditionalität wechselseitig ist. Auch die Hilfegeber müssen sich verpflichten, sich an Vereinbarungen zu halten, zugesagte Hilfe rechtzeitig zur Verfügung zu stellen und vor allem durch eine kohärente Politik zu vermeiden, dass die Wirksamkeit von Hilfe durch gegenläufige Aktivitäten in anderen Politikfeldern beeinträchtigt wird. So ist es beispielsweise kontraproduktiv und auch moralisch falsch, wenn die Industrieländer über Entwicklungshilfe eine exportorientierte Landwirtschaft in Dritte-Welt-Ländern fördern, die eigenen Agrarmärkte dann aber durch protektionistische Maßnahmen gegen Importe abschotten. Die Hilfe muss die Eigenständigkeit der Partner akzeptieren und sollte in dem Bewusstsein geschehen, dass auch die Geberseite von der Nehmerseite lernen kann. Selbstverständlich sind nicht zuletzt die Forderungen nach Rechenschaftspflicht und Transparenz. Schließlich müssen faire Regeln für den Fall von Konflikten vereinbart werden. Wenn Entwicklungsprojekte scheitern, muss auch der Hilfegeber Mitverantwortung übernehmen; die Kosten des Scheiterns dürfen nicht einseitig der Nehmerseite aufgebürdet werden. Häufig genug bleiben Empfängerländer auf den Folgekosten von Entwicklungsruinen sitzen, obwohl man die berechtigte Frage stellen kann, ob nicht auch auf der Geberseite bei der Konzeption des Projekts Fehler gemacht wurden.
Im Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen führen weltanschauliche Gemeinsamkeiten und das größere wechselseitige Vertrauen dazu, dass Kontrollen und Transparenz oft für weniger notwendig gehalten werden. Eine überlegte und verantwortete Wahl der Partner für die Zusammenarbeit, klare Zielvereinbarungen und Absprachen, professionelle und unabhängige Kontrollen, detaillierte Rechenschaftsberichte und sorgfältige Evaluationen sind jedoch auch hier notwendig und widersprechen nicht der Grundforderung nach einer partnerschaftlichen Gestaltung der Zusammenarbeit. In der Projektarbeit der kirchlichen Werke wird dies weitgehend berücksichtigt, in den Bereichen vieler Partnerschaftsbeziehungen auf der Ebene von Pfarrgemeinden, Verbänden und Diözesen könnte in einigen Fällen aber durchaus Nachholbedarf bestehen.
Die Studie möchte zu mehr Partnerschaft in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ermutigen, gleichzeitig aber einer ideologisch überhöhten Partnerschaftsrhetorik widersprechen, die eine gerechtfertigte Konditionalität ablehnt. Es gibt durchaus Bedingungen für die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe, so dass die Hilfe auch sinnvollerweise von der Erfüllung dieser Bedingungen abhängig gemacht werden kann. Diese Bedingungen müssen freilich sachgemäß sein, im beiderseitigen Interesse liegen und beide Seiten verpflichten. Nur auf der Grundlage eines solchen Partnerschaftsverständnisses kann die Bereitschaft zu partnerschaftlicher Solidarität mit den armen Ländern der "Einen Welt" wachsen - und das ist dringend notwendig, auch in Zeiten ökonomischer Krisen.

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