| Pressemeldung | Nr. 091a

Neue Zeichen der Zeit - Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute

Eröffnungsreferat des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 19. September 2005 in Fulda

Es gilt das gesprochene Wort!

Der christliche Glaubeist wiekaum eine andere Religion in der Lage, die Frohe Botschaft Jesu Christidurchden alle endlichen Grenzen immer wieder durchbrechenden Geist GottesallenEpochen, Kulturen und Sprachen zugänglich zu machen. Derchristliche Glaubemuss darum auch immer wieder neu vergegenwärtigt werden, auchwenn er derselbebleibt. Er ist in besonderer Weise zukunftsfähig, und zwarnicht durch einezuerst vom Menschen her versuchte Anpassungsstrategie, sondern voninnenheraus. Der große Theologe und Bischof Irenäus vonLyon und mit ihm nichtwenige Kirchenväter haben dies die Neuheitdes Christentums genannt, was durchaus mit dem ewigen Jungsein und Jungbleibender Kirche zusammenhängt.

Erster Teil: Analyse
I. Die Zeichen der Zeit erkennen und beurteilenDiebleibende Neuheit des christlichen Glaubens muss freilich immer wiedergefundenwerden. Dies ist nur möglich, wenn man sich den jeweiligenHerausforderungenstellt. Man möchte wissen, welche Stunde geschlagen hat. Sokommt es darauf an,die Zeit anzusagen und darin die entscheidenden Herausforderungen zuentdeckenund zu formulieren. Die Menschen haben immer nach Signalen underkennbarenMerkmalen dafür gesucht. Sie haben Ausschau gehalten nachAnzeichen für dieNähe oder Ferne von Glück und Heil, Katastrophen undUnheil. Dabei war immerauch deutlich, dass es sich um Zeiten gewichtiger Entscheidungenhandelt, unddass man zum folgerichtigen Handeln kommen muss, solange noch Zeit ist.

Die Dringlichkeit der Aufgaben hatte so immer auch Anteil an dereschatologischenStruktur der Geschichte: Was ist am meisten geboten in unserer Zeit? Und wieviel Zeit haben wir noch dazu? Wann kommt das Ende?

Man hat sich dabei an verschiedenen "Zeichen“ orientiert. Es warenbesonders schreckliche Ereignisse der Geschichte, großeKrankheiten undNaturkatastrophen, Sonnenfinsternis und Meteoritenfall, die den Wegwiesen.Ihre Wiederkehr war ein weiteres wichtiges Zeichen. Aber auch die Naturwurdevon ihrem Schöpfer her durchsichtig auf das, was Gott in derkonkretenSituation vom Menschen erwartete. Darum haben wir auchschon imNeuen Testament Hinweise auf so etwas wie "Zeichen derZeit“. Jesus spricht zueiner großen Menschenmasse und möchte sie zu einerentschiedenen Umkehr aus demGlauben führen: "Außerdem sagte Jesus zuden Leuten: Sobald ihr im WestenWolken aufsteigen seht, sagt ihr: Es gibt Regen. Und es kommt so. Undwenn derSüdwind weht, dann sagt ihr: Es wird heiß. Und estrifft ein. Ihr Heuchler! DasAussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten, warumkönnt Ihr dann dieZeichen dieser Zeit nicht deuten? Warum findet ihr nicht schon vonselbst dasrechte Urteil?“ (Lk 12, 54ff., Mt 16,3).
Das Zweite Vatikanische Konzil hat im Rückgriff auf diese Aussagen und andere Anregungengefragt, wie mandiese "Zeichen der Zeit“ erkennen und vor allem siebeurteilen könne. Es istnicht zufällig, dass gerade die Einführung zurPastoralkonstitution über dieKirche in der Welt von heute "Gaudium et spes“diese Frage stellt. Sie will jabetont der Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschennachgehen. Soheißt es: "Zur Erfüllung dieses ihresAuftrags obliegt der Kirche allzeit diePflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht desEvangeliumszu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer GenerationangemessenenWeise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn desgegenwärtigenund des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnisbeider zueinander Antwortgeben.“ (GS 4, vgl. auch 11) Laien und Priester sollengemeinsam - wenn auchjeweils aufgrund ihrer Erfahrung und Kompetenz - diese Zeichen der Zeitverstehen (vgl. PO 9 und AA 14).Dies ist freilichleichter gesagtals getan, denn zwei Dinge stehen von Anfang an fest: Die"Zeichen der Zeit“sind nicht eindeutig und bleiben damit in ihrer wirklichen Bedeutungschwerinterpretierbar. Darum ist es auch – zweitens – konsequent, dass man dieAntwort des Glaubens auf die "Zeichen der Zeit“nicht als ohnmächtige Anpassungan das, was ist, verstehen darf, sondern es braucht eine "Unterscheidung der Geister“, um zu einigermaßen klaren Kriterien zukommen.Es gibt viele Zeichender Zeit.Der Streit darüber, was wichtig ist, ist unvermeidlich. Es warnicht zuletztPapst Johannes XXIII. selbst, der den Mut hatte, drei wichtige solcherZeichenexemplarisch aufzugreifen: die Armut vieler Völker und ihreEntwicklung, die gleicheWürde der Frau und die Verteidigung und Durchsetzung derMenschenrechte.Man kann dies anreichern und aktualisieren, aber sicher sind es auchheute nochelementare Herausforderungen.Das Zweite VatikanischeKonzilselbst hat an verschiedenen Stellen, ohne systematisch vorgehen zuwollen,einzelne Zeichen der Zeit genannt, darunter die liturgische Erneuerung(SC 43),das Verlangen nach Einheit der Christen (UR 4), die wachsendeinternationale Solidarität (AA 14), die Forderung nach Religionsfreiheit (DH 15) sowie die denLaien eigenen Gaben und Fähigkeiten bei der Deutung derZeichen der Zeit (PO 9). Es ist fast selbstverständlich, dass das Konzil selbst inder Aufzählungnicht nur unvollständig, sondern auch ganz offen ist. Dieshängt im Übrigen auchdamit zusammen, dass der Begriff "Zeichen der Zeit“selbst im Konzilmehrdimensional gebraucht wird. Er bezeichnet gelegentlich eine sozialeundpolitische Wirklichkeit als solche; manchmal werden wichtige undhoffnungsvolleAufbrüche in dieser irdischen Realität gemeint; nichtselten denkt manoffensichtlich aber auch an eine Methode der Deutung von"Zeichen der Zeit“ undeines gezielten Engagements. In der gegenwärtigenPastoraltheologie spricht mangerne von einer "Kairologie“, welche die pastoraleSituation im Blick auf dieGesellschaft, die Kirche und den Einzelnen zugleich theologisch undhumanwissenschaftlich im Sinne einer daraus sich ergebendenGegenwartsanalyse betrachtet,um dadurch zu Urteilskriterien und Handlungsimpulsen zu gelangen.Gewiss sind diese Aspekte in ihrem Verhältnis untereinandernoch nichtumfassend geklärt, was freilich auch gelegentlich zuMissverständnissen führt.II.Das Problem der Säkularisierung Ein Zeichen der Zeit gehörte immer schon zu den Kennzeichenunserer Gegenwart.
– Es ist aber insofern heute neu, als es in einer anderen Perspektivegesehen werdenmuss. Zeichen der Zeit wandeln sich auch immer wieder.
– Es ist dieSäkularisierung. Wie viele andere Worte zur Kennzeichnungunserer Gegenwart
– z. B. Pluralismus, Globalisierung, Fundamentalismus – ist esein Schlagwort, dasman gar nicht gerne verwenden möchte. Aber es gibt auch keinausreichendqualifiziertes oder besseres Ersatzwort. Die Begriffsgeschichte istziemlich geklärt.

Sie zeigt vor allem drei Bedeutungen auf:
1.   Esgeschieht eine Umwandlung geistlicher Besitztümerund Einrichtungen in solche weltlicher Herren, wie etwa Vorgänge nach dem Westfälischen Frieden 1648 und beim Reichsdeputationshauptschluss 1803 zeigen.
2.   Der Entzug oder die Entlassung einer Sache, einesTerritoriums oder einer Institution aus kirchlich-geistlicher AufsichtundHerrschaft wird auch in übertragenerBedeutung verwendet, indem man einen bestimmten Prozess derVerallgemeinerungvon Begriffen, Verhaltensweisen und Erfahrungen meint, diefrüher einzig einenkonkret biblisch-dogmatischen Sinn hatten (z. B. Wortschatz-Anleihen,Anregungenaus der religiösen Sprache usw.).
3.   Manmeint den Prozess der Herauslösung der Welt aus den Zusammenhängen eines religiösen Sinngefügesüberhaupt; die säkulare Welt bedarfkeiner kritischen Sinngebung mehr, sondern versteht sich aus sichselbst.Gemeint ist damit das Vordringen einer „diesseitigen“ Wirklichkeitsauffassungund einer Lebenshaltung, die eine völlige Emanzipation vomChristlichen imBlick haben können. So gibt es in England bereits um die Mittedes 19. Jahrhundertsdie Wortbildung secularism.Es braucht hier nichtgezeigt zuwerden, welche Wertungselemente im Einzelnen mitschwingen, z. B. dieFrage einerRechtmäßigkeit oderUnrechtmäßigkeit desSäkularisierungsprozesses, derEnteignung und des damit verbundenen Rechtsbruchs. Umgekehrt sehenmanche inder Säkularisierung als Ablösung der politischenOrdnung von ihrergeistlich-religiösen Bestimmung und Durchformung einen Akt derLegitimität undder Emanzipation. Die Verwandlung ursprünglichreligiöser Vorstellungen insolche der vom Glauben unabhängigen, allgemein menschlichen, „säkularen“ Vernunft betrachten die einen als Prozess der Entkirchlichung und desGlaubensverlustes, andere sehen in dieser Ausweitung undÜbertragung ursprünglichnur religiöser Elemente ins „Profane“ einen Zuwachs an „weltlichem Gewinn“.

Dadurch wird „Säkularisierung“ zu einemtragenden geschichtsphilosophischen,kulturdiagnostischen und manchmal kulturkritischen Leitwort, ja eineprinzipielle Interpretationskategorie, welche die geistige Signatureinerganzen Zeit gleichsam stichwortartig in sich zusammenfasst. Dadurcherhält dervieldeutige Begriff eine merkwürdige Eindeutigkeit undKlarheit, die er jedochletztlich nicht hat. Schon in den letztenJahrzehntengab es im religionssoziologischen Verständnis vonSäkularisierung Wandlungen,die man wohl besonders in der Theologie zu wenig mitbeachtete. Weil manlangeZeit Säkularisierung mit Entkirchlichung identifiziert hat, hat man in einersolchen Optik eine außerkirchliche oder kirchlich nichtgebundene Religiositätwenig erfasst. Man hat auch neue religiöse Formenaußerhalb der gewohntenInstitutionen kaum wahrgenommen. Indem man Säkularisierung miteinem fast offiziellenWeltbild aufgeklärter „Säkularität“ verbunden hat, dieauch abhängig ist vonder geläufigen Erziehung und dem Einfluss der Massenmedien,erschienenreligiöse Handlungen früherer Zeiten nicht selten alsinfantil, ideologischoder psychisch abartig. Man hat dabei aber übersehen, dass esim einzelnenMenschen, in der Gesellschaft und inmitten dieser angeblichaufgeklärten „Entlarvungen“ archaische Schichten undVerhaltensweisen im Menschen gibt, diesehr oft noch wenig aufgeklärte, dumpfe Formen vonReligiosität enthalten, wieHexenglaube, magische Praktiken, mythologische Vorstellungen, Astrologie.

Sie sind oft tief verborgen. Schon diese Anzeichenkonnten die Vermutung aufkommen lassen, dass die Säkularisierung gar nichtso umfassendist, und dass verschiedene Formen von Religiosität, nundurchaus in einem vagenSinn, in einer inoffiziellen Subkultur weiterleben. In diesemZusammenhang gehtes um ein Bedeutungsmoment im Säkularisierungsbegriff, daslange Zeit eherverborgen und implizit blieb. Gewöhnlich ist die Irreversibilität des Säkularisierungsprozesses unumstritten.

Damit bleibt aber völlig unklar, wohin der Säkularisierungsprozess strebt, und wo er ein Ende finden kann. Auch ist damit die Frage verbunden, obdamit die Religion gesellschaftlich noch mehr an Wirksamkeit undöffentlicher Relevanzverliert. Unter der Voraussetzung einer ungebrochenen Fortdauerwären auch alleAnpassungsstrategien der christlichen Religion an die moderne Gesellschaftletztlich zum Scheitern verurteilt.

Im Allgemeinen herrschte bei vielen Religionssoziologen dieÜberzeugung vor,dass die Religion und die Kirchen in einem progressiv ihnen wenigergünstigensozial-kulturellen Milieu existieren werden müssen. Vielessprach dafür, dassdie Säkularisierung insgesamt unumkehrbar ist. P. L. Bergerhat schon in den70er Jahren dieser oft wenig reflektierten Annahme widersprochen.

Was damals nur vonwenigenreflektiert worden ist, hat im Verlauf der letzten Jahrzehnte und Jahreeinemannigfache Nachdenklichkeit erzeugt. Einmal hat sich die meist imAnschluss an K. Marx formulierte These vom Aussterben der Religion in bestimmten Gesellschaften nicht erfüllt. Es gab auch immer wieder ernst zu nehmende Hypothesen von einer Wiederkehr desReligiösen,spätestens im letzten Drittel des 20. und zu Beginn des 21.Jahrhunderts. Unter den Überlegungen im Blick auf einen Abbruch oder mindestenseine Modifikationder angenommenen Irreversibilität desSäkularisierungsprozesses tauchte auchimmer wieder der Gedanke auf, das Verhalten des Menschenkönnte nachpolitischen, militärischen oderklimatisch-ökologischen Katastrophen eineradikale Umkehr erfahren. So schrieb schon P. L. Berger: „Esist vorstellbar,dass ein sich vertiefender politischer und kultureller Pessimismuseinertraditionellen Religiosität neue Chancen gibt.

„In der Tat sind solcheprognostischen Überlegungen auch punktuell eingetroffen, wennman an diereligiösen Aufbrüche nach dem 11. September 2001, den Tsunami an Weihnachtenund am Jahresende 2004 in Südostasien und die terroristischenAnschläge von Madrid 2004 und von London 2005 denkt. Ich will daraus keineoptimistische, längerfristig geltende Prognose ableiten, aber die Ereignissezeigen auf jedenFall, dass es im Menschen – wenn auch noch soverschüttet und verborgen – eineletzte Tiefe gibt, die nicht einfach mit dem allgemeinen Klima derSäkularitätendgültig verschwunden ist. Es gibt einen meist unausgelotetenAbgrund imSinnverlangen des Menschen, der in der Modernität nichteinfach abgestorbenist. Dieses Phänomeneiner „Wiederkehrdes Religiösen“ hat sich m. E. weniger in denJugendreligionenals vielmehr in der aufgebrochenen Religiosität derjüngeren Generationen angekündigt,wie sie exemplarisch z. B. in den Weltjugendtagen von Paris (1997), Rom(2000),Toronto (2002) und Köln (2005) erkennbar wurde. Ich brauchedies hier nichtnäher zu analysieren, was freilich eine wichtige Aufgabe beider Auswertungdieser Ereignisse bleibt. Dieser Trend, dervermutlichzunächst eher Sache von Minderheiten ist, ist nun auch vielstärker, als esbisher beobachtet worden ist, in den Sozial- und Humanwissenschaftenverfolgtund reflektiert worden. In der Bundesrepublik Deutschland ist dieberühmte Redevon J. Habermas bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels „Glauben und Wissen“ im Oktober 2001 am meisten beachtet worden. Er hat mit der Vorstellung gebrochen, als sei die Säkularisierung ein geradezu automatischer Bestandteil vonModernisierung. Mit Recht hat H. Joas den Gebrauch der Wortneubildung „postsäkular“ kritisiert. Es geht dabei in der Tat nicht so sehr um einen gesellschaftlichenWandel,indem man sich nun eben auf das faktische FortbestehenreligiöserGemeinschaften einstellt, sondern es ist das Aufbrechen einer ganzgrundlegenden Aporie. „Je mehr wir dem rational erzeugbarenKonsens nur nocheine schwache Motivationskraft zusprechen, desto mehr müssen wir nach den Quellen stärkerer Motivation zur Moral und intensivererBindung der Menschenfragen. „Habermas ist der Meinung, dass die religiösen Wurzeln z. B. von Recht undDemokratie nicht einfach eliminiert werden dürfen zugunsteneiner blassenNeutralität. Die abendländische Säkularisierung ist eben keine Einbahnstraßeund darf keine „ungleichen Folgelasten“ verteilen. „Bisher mutet ja der liberale Staat nur denGläubigen unter seinen Bürgern zu,ihre Identität gleichsam in öffentliche und privateAnteile aufzuspalten ... Die Suche nach Gründen, die auf allgemeineAkzeptabilität abzielen, würde abernur dann nicht zu einem unfairen Ausschluss der Religion aus der Öffentlichkeitführen und die säkulare Gesellschaft nur dann nichtvon wichtigen Ressourcender Sinnstiftung abschneiden, wenn sich auch die säkulareSeite einen Sinn fürdie Artikulationskraft religiöser Sprachen bewahrt. Habermas scheut sich nicht, das Phänomen auch inhaltlich zuumschreiben: „Säkulare Sprachen, die das, was einmal gemeint war, bloß eliminieren,hinterlassen Irritationen. Als sich Sünde in Schuld, dasVergehen gegenöffentliche Gebote in den Verstoß gegen menschlicheGesetze verwandelte, gingetwas verloren. Denn mit dem Wunsch nach Verzeihung verbindet sichimmer nochder unsentimentale Wunsch, das anderen zugefügte Leidungeschehen zu machen. Erst recht beunruhigt uns die Irreversibilität vergangenen Leidens – jenes Unrecht an den unschuldig Misshandelten, Entwürdigten und Ermordeten, das über jedesMaß menschenwürdiger Wiedergutmachung hinaus geht. Die verlorene Hoffnung auf Resurrektionhinterlässt eine spürbare Leere.“ J. Habermas hat dies im Gesprächmit Joseph Ratzinger, heute Benedikt XVI., in dem bekanntenMünchenerAkademie-Gespräch vom 19. Januar 2004 insofern vertieft, alser einenLernprozess für den religiösen undden säkularen Bereich forderte."In der postsäkularen Gesellschaft setzt sich dieErkenntnis durch, dass die ‚Modernisierung des öffentlichenBewusstseins’ phasenverschoben religiöse wieweltliche Mentalitäten erfasst und reflexivverändert.“Religiösen Überzeugungen müsse dabei einepotenzielle inhaltliche Bedeutung undkognitive Ernstnahme zuerkannt werden. Diese müsse man auch"im Rahmen einerliberalen politischen Kultur ... Ungläubigen im Umgang mitGläubigen“ zumuten.Hier braucht nichtausführlicherdargelegt zu werden, wie J. Habermas in den verschiedenen Arbeiten derletztenZeit diese Gedanken vertiefte. Es klingt fast wie bei E. W. Böckenförde, wenn J.Habermas schreibt: "Derliberale Staat ist langfristig auf Mentalitäten angewiesen,die er nicht auseigenen Ressourcen erzeugen kann.“Für Habermas gehören mit Hegel die großenReligionen zur Geschichte derVernunft selbst. "Das nachmetaphysische Denken kann sichselbst nichtverstehen, wenn es nicht die religiösen Traditionen Seite anSeite mit derMetaphysik in die eigene Genealogie einbezieht ... ReligiöseÜberlieferungen leistenbis heute die Artikulation eines Bewusstseins von dem, was fehlt. Siehalteneine Sensibilität für Versagtes wach ... Warumsollten sie nicht immer nochverschlüsselte semantische Potenziale enthalten, die, wenn sienur inbegründende Rede verwandelt und ihres profanenWahrheitsgehaltes entbundenwürden, eine inspirierende Kraft entfaltenkönnen?“Habermas zeigt gerade indemAufsatzband "Zwischen Naturalismus und Religion“,dass diese Gedanken nicht nurAnsätze haben in Kants Religionsphilosophie,sondern dass sich auch besonders bei J. Rawls erstaunlich verwandteGrundgedanken finden.Dies kann hier leider nicht weiter verfolgt werden. Freilich sehen Rawls undHabermasdafür auch auf Seiten der Religionen und der Kirchen gewisseBedingungen: "Gewiss,aus der Sicht des liberalen Staates verdienen nur dieReligionsgemeinschaftendas Prädikat ‚vernünftig’, die auseigener Einsicht auf einegewaltsame Durchsetzung ihrer Glaubenswahrheitenund auf den militanten Gewissenszwang gegen die eigenen Mitglieder,erst rechtauf eine Manipulation zu Selbstmordattentaten Verzicht leisten. JeneEinsichtverdankt sich einer dreifachen Reflexion der Gläubigen aufihre Stellung in einerpluralistischen Gesellschaft. Das religiöse Bewusstsein musserstens die kognitivdissonante Begegnung mit anderen Konfessionen und anderen Religionenverarbeiten. Es muss sich zweitens auf die Autorität vonWissenschafteneinstellen, die das gesellschaftliche Monopol an Weltwissen innehaben.Schließlich muss es sich auf die Prämissen desVerfassungsstaates einlassen,die sich aus einer profanen Moral begründen. Ohne diesenReflexionsschubentfalten die Monotheismen in rücksichtslos modernisiertenGesellschaften eindestruktives Potenzial.“Damit haben wir einvorläufigesZiel erreicht, nämlich aufzuzeigen, wie neue Zeichen der Zeitentstehen undgefunden werden können: Aus dem zunächst eher negativverstandenen Begriff derSäkularisierung entsteht unter gewissen Bedingungen eineerstaunliche Gesprächsnähe,wie sie ja auch in dem Dialog mit Joseph Ratzinger erkennbar wird.Von hier aus könnte jedenfalls ein erstaunlicherGesprächsfaden wiederaufgenommen werden, der lange zerrissen war.Freilich liegt in diesermöglichen Aufwertung des religiösen Elementes auchdie Gefahr, dass derReligionsbegriff so ausgeweitet wird, dass er nur noch eine sehrallgemeinetranszendierende Bewegung darstellt. Im Grunde gibt es dannüberhaupt keineGesellschaft mehr ohne Religion. Man müsste dieserweitgehendenFunktionalisierung des Religionsbegriffs, auch in der Form der"Zivilreligion“,eingehender nachgehen. Für die Kirchen selbst lauert hier aucheine Falle, dadieser Begriff von Religiosität in mancher Hinsicht kaum mehrkompatibel erscheintmit dem christlichen Glauben und vor allem auch seinemKircheverständnis.III.Der flexible Mensch und die PersonenmitteDer Mensch ist heute invieleZwänge und Wandlungen hineingestellt. Ja, oft geht es nicht umden Menschen,wie meist vorgegeben wird, sondern er soll bestimmten Erwartungen undBedürfnissenentsprechen. Man möchte den Menschen haben, wie man ihnbraucht. Wir sprechenz.B. von flexiblen Arbeitszeiten und sollen ihnen möglichstentsprechen. Vonvielen Menschen in der Arbeit wird verlangt, dass sie offenfür kurzfristigeVeränderungen sind und ständig Risiken eingehen. Mansieht weniger diebekannten geraden Linien einer beruflichen Laufbahn, wie infrüheren Zeiten,sondern eher kurzfristige Arbeitsverhältnisse. KlassischeEinstellungen undTugenden treten eher zurück, wie z.B. Treue und gegenseitigeVerpflichtung oderdie Verfolgung langfristiger Ziele. Man spricht vom"flexiblen Menschen“,der hier immer wieder nötig wird und stets wieder umgestaltetwerden soll.Unsere Gesellschaft denkt im Rahmen ökonomischerPrioritäten in immer kürzerenAbständen. Wie können aber Institutionen, dieselbstständig zerbrechen,Loyalitäten über den Tag hinaus einfordern? Was istvon bleibendem Wert, wennwir in einer so ungeduldigen Gesellschaft leben?Vielleichtkönnen wir wenigstensdie Richtung einer Antwort suchen: Wir können nicht einfachdieRahmenbedingungen unseres Lebens allein ändern. Aber wirkönnen ein Stück gegensteuern,wenn wir die Gefahren erkennen. Die Folgen eines so auf Kurzfristigkeitund aufElastizität hin angelegten Lebens gefährdet dieBindungen des Menschenbesonders da, wo wir auf Langfristigkeit, Verlässlichkeit undstetigeEntwicklung angewiesen sind. Wenn wir diese Tugenden nicht verteidigenundretten, verlieren wir im ziellosen Dahintreiben des Lebens viele Orte,die unsHalt geben. Deshalb müssen wir jene Orte verteidigen, wie z.B.Ehe und Familie,langjährige Freundschaften, das Vertrautsein mit einer Heimat,Herkunft undTradition.Dies bedeutet nichtUnbeweglichkeit und Fixiertsein auf herkömmliche Bindungenallein. Aber dasPflegen solcher von Verlässlichkeit geprägterBeziehungen kann uns imWiderstand gegen eine Welt, die alles - auch den Menschen - funktionalbetrachtet und auflöst, beständiger und d.h.widerstandsfähiger machen. Diesist m.E. notwendig, um dem Menschen auf Dauer Freude am Leben undErfüllungseines Daseins zu ermöglichen. Es bedeutet vor allem aber,dass die Personwürdedie Mitte des menschlichen Lebens ist. Wo aber ist siebegründet? Ich habe diefeste Überzeugung, dass die Menschenwürde auf Dauerund in jedem einzelnen Fall- gegen alle Versuche jedweder Manipulation - nur gerettet werden kann,wenndie Personmitte des Menschen nicht instrumentalisiert undfunktionalisiertwird, sondern wenn man ihr eine unangreifbare Absolutheit zuerkennt,die inkeinen irdischen Dienst gestellt werden kann.Der Mensch darf nicht Mittel zum Zweck werden. Dies ist am Ende nurgewährleistet, wenn wir den Menschen als Ebenbild Gottesanerkennen.Dieser Gesichtspunkterhält nochgrößere Bedeutung, wenn wir daran denken, dass esseit Jahrzehnten und Jahreneine intensive Diskussion über den "Verlust desSubjekts“, ja "Das Verschwindendes Subjekts“ gibt. Dahinter steht nicht nur die Tatsache,dass das Subjektivitäts-Paradigmaimmer wieder in seiner Konsistenz und auch Leistungsfähigkeitbestritten wird,sondern dass auch eine Mentalität entstand, die die Reflexiondes denkendenSubjekts über sich selbst mehr und mehr ausschließt,z.B. im Neopositivismus,aber auch im Strukturalismus. Hinzu kommt, dass die wachsendeAnonymitättechnischer und ökonomischer Prozesse die personaleVerantwortung schwächt oderganz zurücktreten lässt. Dieses Phänomenbedürfte einer eigenen Darlegung.Es wird sehr daraufankommen,dass wir besonders die Arbeitswelt in allen Bereichen auf dieseWandlungen hinbeobachten. Das allgemeine Stich- und Schlagwort Neoliberalismusverdeckt eher die subtileren Wandlungen in der Gesellschaft, wie sie R.Sennettund andere aufgedeckt haben. Hier müssen wir vielstärker die humanen undchristlichen Elemente auf dem Grund der Sozialen Marktwirtschaftkritisch undproduktiv zur Geltung bringen.Schon auf den erstenSeiten derBibel hat die Arbeit ein ambivalentes Gesicht. Sie adelt undkrönt denMenschen, wenn er in der Arbeit seine Fähigkeiten und seinKönnen anerkennt.Wir spüren heute vielleicht sogar mehr, wie sehr zum Sinn desLebens dieErfüllung des Menschseins auch in der Arbeit gehört.Erst der Mangel anArbeitsplätzen und die Folgen für die Arbeitslosenoffenbaren voll auch denmenschlichen Rang der Arbeit. Zugleich zeigen das Gesicht und diemenschlicheErscheinung aber auch, dass die Arbeit den Menschen auszehrt undausmergelt.Die Arbeit ist immer auch ein Stück Fron, selbst wenn es nichtmehr die Knechtsherrschaftdurch Fronarbeit geben sollte. Diese Doppeldeutigkeit der Arbeit istschon vonAnfang an gegeben. Aber gerade wenn es so ist, dann können wirauch eingelasseneres Verhältnis zu ihr gewinnen. Sie allein ist esnicht, die den Werteines Menschen bestimmt. Vielmehr ist Arbeit unser gemeinsames Los,Möglichkeitzur Sinnerfüllung, aber auch Möglichkeit derSelbstzerstörung, und zwar imÜbermaß und im Untermaß. Darummüsste es leichter sein, die Arbeit auch zuteilen. Wir könnten so auch besser den Blick bekommendafür, dass Arbeit nichtnur Erwerbsarbeit ist, sondern dass in unserer Gesellschaft eine neueVerantwortung entsteht für ein Unmaß von Arbeit, dasnicht dem Erwerb dient,von dem wir aber alle auch leben: die Arbeit der Mütter in denFamilien nichtweniger als viele Ehrenämter. Hier können wirkonkreteSolidarität einüben. Hier können wir manchenfalschen Rangordnungen zumAusgleich verhelfen, denn weder Arbeitslosigkeit noch volleBeschäftigung sagenschon alles aus über den Menschen.Besonders die westlicheTradition des Christentums hat viel dazu beigetragen, der Arbeit denrechtenPlatz und die genügende Anerkennung zu verschaffen. Das"Ora et labora“ (Beteund arbeite) der frühen Benediktiner erinnert uns daran. Erstwenn wir dieArbeit nicht verkürzen und wenn wir sie nicht verachten,kommen wir zu demGleichmaß und dem Gleichmut, mit dem man sie betrachten muss:etwas Mittleresim Menschen, das uns gerade deshalb befähigen sollte, ihreWandlungen zubewältigen und sie in aller Nüchternheit zubetrachten. Dann müsste es auch leichterwerden mit Reformen.IV.Ambivalenz in der ModernitätMitsolchen Überlegungen kommen wir schon sehrin die Nähe der Diskussion über das Schicksal derModerne. Bereits eine solcheWortprägung wie "postsäkular“zeigt dies deutlich. Überhaupt fällt ja auf, wiein den letzten Jahrzehnten eine überaus intensive Diskussionüber die Bewertungder Moderne eingesetzt hat. Es genügt, fast wahllos einigeTitel zu skizzieren:Der Tod der Moderne, Die Schuld der Moderne, Der Fundamentalismus derModerne,Konsequenzen der Moderne. Schließlich gehört indiesen Zusammenhang auch dieRede von der Postmoderne.Es ist hier nichtmöglich, aufdiese Thematikeinzugehen. Man hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Moderneselbstdialektisch strukturiert ist, wie schon die Aufklärung zeigt,und dass sie ein"unvollendetes Projekt“ darstellt, wie J. Habermasformuliert hat.In diesem Sinne kommt alles darauf an, den Verlaufsprozess und dieinnereAbwandlung von "Moderne“ zu verfolgen.In diesem Zusammenhangist einThema aufgetaucht, das philosophisch und theologisch Aufmerksamkeitverdient.Der in England lehrende Sozialwissenschaftler Zygmunt Bauman hat sichsehrintensiv mit dem Thema der Ambivalenz in der Postmodernebeschäftigt.Er fragt sich, warum die Moderne ihre Versprechen nichteinlösen konnte. SeineAntwort geht dahin, dass sie sich eine unlösbare Aufgabegestellt habe:absolute Wahrheit, reine Kunst, Humanität als solche, Ordnung,Gewissheit,Harmonie, das Ende der Geschichte. Der Anspruch der Moderne, DieunversöhnlicheModerne, die Welt durchschaubar zu machen, sei von vornherein zumScheiternverurteilt. Dies komme daher, weil dieser Anspruch diegrundsätzlicheAmbivalenz der Welt und die Zufälligkeit unserer Existenz,unserer Gesellschaftund unserer Kultur geleugnet habe. Alle Versuche, diesem Anspruch zuentkommen,haben zu einem Teufelskreis geführt und mitgeholfen, allesAmbivalente zu vernichten.Bauman erklärt auch den Nationalsozialismus und den Holocaustin dieserRichtung. Erstdie Postmoderne habe sich von dem Versprechen verabschiedet, eineübersichtliche Welt zu schaffen. Bauman versteht diePostmoderne als"illusionslose Moderne“, befreit von falschemBewusstsein, unrealistischenVorstellungen und Zielsetzungen. Diese Desillusionierung biete jedochdieChance zu einer "Neuverzauberung“ der Welt. In ihrhaben auch Gefühle und dasUnerklärbare eine Existenzberechtigung. Wer die Zweideutigkeitder menschlichenExistenz beheben will, raubt dem Menschen seine Freiheit undUnergründlichkeit.Tolerant kann nur der sein, der die Ambivalenz alles Menschlichenanerkennt.Dann können auch Fremdenfeindlichkeit, Rassismus undNationalismus vermiedenwerden. Das Unbehagen, das sich in der Moderne bekundet, stammt auseinerSicherheit, die zu wenig Freiheit zulässt; das postmoderneUnbehagen entstehtaus der Freiheit, die zu wenig Sicherheit garantiert.Dem Unbehagen kann mannichtentgehen. Nicht zufällig sieht Bauman immer wieder in dem"Ende derEindeutigkeit“ ein Kennzeichen der Postmoderne. Es gibt keineBilanz mehr ohneVerlustseite. Die "Umwertung der Werte“ muss immerwieder nüchtern auch dieRück- und Nachtseite allen so genannten Fortschritts bekennen.So bietet auchjede Entscheidung unabänderlich die Gefahr des Scheiterns. DiePostmoderne zeigtalso ein doppeltes Gesicht: Sie ist zugleich Fluch und Chance dermoralischenPerson. Die Verantwortung des Handelnden ist fundamentaler undgrundlegenderals jemals zuvor. Aber die Zerrissenheit des gesellschaftlichenKontextes undder unterschiedlichen Lebensinteressen stellen uns immer wieder vordieselbenAusweglosigkeiten. Bauman plädiert deshalb für denAbschied von den Prinzipien.Dies deckt sich mit anderen Postulaten, dass das Ende der altenGewissheitengekommen sei.Dieses Thema "Ambivalenz und Ambiguität“ergänzt ein anderes wichtiges Themades postmodernen Denkens, nämlich "Differenz undPluralität“.Hatte Descartes dasIdeal desDenkens im "clare et distincte“ gesehen, wie esdann vor allem in der modernenWissenschaft zum Höhepunkt gelangte, so erblickt daspostmoderne Denken eineeigene Fruchtbarkeit in der Anerkennung von Ambivalenz undAmbiguität. Sieseien nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Wissenschaft zutolerieren.Die Einschränkung der Eindeutigkeit entlasse auch eineproduktiveVieldeutigkeit. Dies sei ein Gewinn, um die Sinnfülle undMultidimensionalitätvon Wirklichkeit, damit auch den Reichtum der Geschichte zu erfassen. Es ist nichtmöglich, hier eineausreichende Auseinandersetzung zu führen. Aber es ist auchdeutlich geworden,dass diese Konzeption bei allen kritikwürdigen Details nichtunwichtigeAnknüpfungspunkte bringt für das Gesprächmit Religion und Theologie, auch wennBauman selbst wenig auf dieses Thema zu sprechen kommt. AlleidealistischenÜbersteigerungen werden gebrochen. Die Vielfalt undVieldeutigkeit dergeschöpflichen Wirklichkeit kann unverstellt an den Tagkommen. Die endlicheWirklichkeit erscheint in ihren Spannungen und Aporien. DieMehrdeutigkeitoffenbart bis zur Widersprüchlichkeit die dunklen Seitengerade auch dermenschlichen Realität. Dadurch zwingt Bauman das Denken, sichauch der Brüchigkeitdes menschlichen Lebens zu stellen. Dies muss man feststellen, auchwenn mandie Ethik Baumans, die eine radikale Individualisierung mit sichbringt,kritisch beurteilt. Er findet kaum mehr zur Anerkennung allgemeinverbindlicherMaßstäbe. Hier ergeben sich,gewiss nichtunmittelbar, Ansatzpunkte für das Gespräch mitreligiöser Erfahrung. DiePhänomene, um die es hier geht, haben durchaus etwas mit derBeschränktheit,der Kreatürlichkeit des Menschen und der Gebrochenheit seinerExistenz zu tun.Man kann unschwer auch die tiefe Zwiespältigkeit menschlichenTuns eruieren undauch in gewissen Grenzen verstehen. Zugleich wird die ganzeBrüchigkeit desmenschlichen Daseins erkennbar, das nicht zuletzt durch die EndlichkeitdesMenschen, aber eben auch durch seine Verwundung in Folge derUrsünde und durchsein inneres Zerfallensein gegeben ist. Hier sehen wir dieKreatürlichkeit desMenschen in allen Dimensionenund nicht zuletzt das, was die klassische theologische Anthropologie"Konkupiszenz“ nennt.Damit ist auch gegeben, dass es weniger undialektisch neutraleSituationengibt, sondern dass sie immer schon konkret spirituell und ethisch vonVorentscheidungenbestimmt sind. Darum werden Kategorien wie"Entscheidung“ und"Entschiedenheit“noch wichtiger als bisher. Schon das Konzil von Trient hatte bei derUmschreibung der "Konkupiszenz“ deutlich gemacht,dass sie nur im "Kampf“, imRingen mit den widrigen Kräften aus uns selbst und um unsherum bestandenwerden kann (vgl. DH 1515f.). "Es ist dem nachparadiesischenMenschen nichtvergönnt (und eigentlich auch nicht zugemutet), seine positiveEntscheidunggegen die ursprünglichen Tendenzen seiner Weltsituationadäquat durchzusetzen.Seine Entscheidung bleibt je gestreut, sich selbst in den letztenAuswirkungenverweigert und verhüllt, fragwürdig; ja, er wird indiesem ‚Kampf’ – ohneeigentliches Gnadenprivileg – auch immer wieder unterliegen,d.h. faktischsündig werden.“Freilich bedarf es dazu noch einer gewaltigen theologischen, aber auchphilosophischen Arbeit. Man kann gewiss indiesemPhänomenderAmbivalenz auch die anderen Zeichen der Zeit erkennen, von denen dieRede war.Alle Phänomene zeigen den Prozesscharakter und die Dialektikdes menschlichenWesens und des Weges in der Geschichte. Darum ist es wichtig, den"Ort“ und dieBewegungsform der Kirche in dieser Gegenwart zu umschreiben und darausweiterführende Imperative für das Handeln zugewinnen. ZweiterTeil: Grundlegung einer AntwortV.Gleichgewicht zwischen Wandel undBeständigkeitNatürlich ist diese Thematik dertheologischen Tradition nichtganz fremd. Vor einiger Zeit war das Bild von der pilgernden Kirchefreilicheher beschaulich und erbaulich. Es machte den trauten Eindruck, dieSchar derMenschen in der Kirche wandere durch die Mühsal und den Wandeldieser Zeit demUfer der Ewigkeit entgegen. Dieses Bild hatte geradezu etwasBeruhigendes ansich, denn es verband den geschichtlichen Weg mit einem festen Ziel,dem alleszustrebt. Die Unbeständigkeit des Wandels war einStück weit immer aufgehobenin den geschichtsmächtigen Gott hinein. Das wanderndeGottesvolk war darum auchvon einer unverlierbaren Hoffnungsgewissheit erfüllt, mitGottes Geist trotzaller Irrungen und Wirrungen auf dem wahren Weg zu bleiben.Übermut oder garTriumphalismus waren deshalb nicht angebracht.Wenn wir heute davon sprechen, dass Kircheunterwegs ist, dannhaben wir diese biblische Fundierung des wandernden Gottesvolkes gewissnichtvergessen oder gar hinter uns gelassen. Aber das Unterwegssein hat eineanderekonkrete Gestalt gewonnen. Kirche erscheint oft wie eine nie endenwollendeBaustelle, die stets im Umbruch ist. Das Ziel der Bewegungen istundeutlichgeworden. Das Woher und das Wohin verschwindet immer mehr unseremBlickfeld.Alles scheint sich immer wieder auf das Momentane undGegenwärtige zubeschränken. Es fehlt der Weg mit einem wirklichen Aufbruch,es fehlen diemarkierbaren Stationen, es fehlt am erkennbaren und auch gewolltenZiel. ZurZeit und zur Geschichte gehört dieser Weg, der sich von einemAnfang zu einerVollendung hin erstreckt.Darum leben wir oft auch in der Kirche vielzu heutig. Es gehtnicht mehr, wie in der Konzilszeit, um das"aggiornamento“, d.h. um dielebendige Vergegenwärtigung der geschichtlichenÜberlieferung in das Heute  hinein.Uns fehlt der lange Atem. Deswegenfehlen uns auch das beständige Wissen um die Herkunft auseiner gewesenenGeschichte, die nicht nur Vergangenheit ist, aber auch dieZukunftsfähigkeit,die ein Zeichen für geschichtliche Verantwortung darstellt.Wir treten ofthektisch auf der Stelle und befinden uns auf der Suche nach derGegenwart oftin einem flüchtigem Niemandsland. Es ist dann kein Wunder,dass wir im hohenMaß den gesellschaftlichen Strömungen ausgeliefertsind, uns an ihre Trendsverlieren und keinen eigenen Ort mehr gewinnen, der uns Stand gibt,standhaltenlässt und uns zum Widerstand befähigt.So wird man als Kirche am Ende ortlos. Wirtreiben im Meer derWelt und haben oft keine eigene Steuerung mehr. Wir sind stets imFortschritt,ja im Fortriss und entfernen uns von den Ursprüngen und werdenorientierungslos. Dies ist nicht zufällig. Wir habenfrüher oft ein Kirchenbildgefördert, das von einer großen Immobilitätgeprägt war. Die Kirche erschien imOzean des geschichtlichen Wandels wie ein fester Fels, der allemtrotzt. Alsnun entdeckt wurde, dass die Kirche in vielen Erscheinungen dochstärkerabhängig war und wurde von dergeschichtlich-gesellschaftlichen Welt, wurdedaraus beinahe ein Taumel, nur bloß nichts zuversäumen und immer aktuell zubleiben. Das Gleichgewicht zwischen Wandel und Beständigkeitist verloren gegangen.In Wirklichkeit ist nämlich dasVerhältnis der Kirche zum Wandelund gerade auch zum Fortschritt der Geschichte viel präziser.Die Institutionenund auch die Kirchen verändern sich im Verhältnis zurGeschichte nicht in dergleichen Weise. Es gibt verschiedene Bewegungsformen und Verlaufsweisenin derGeschichte. Aus vielen Gründen orientieren sich - wenigstensnach derAufklärung - viele reformatorischen Kirchen intensiv an dengeistigen und gesellschaftlichenVeränderungen der Zeit. In diesem Sinne haben sie eine hoheGeistesgegenwart.Sie reagieren schneller, büßen aufgrund dieserAnpassungsfähigkeit auch nichtselten rascher ihre Identität ein. Nicht seltenfördern und verstärken sie auchgewisse Trends. Es ist ganz selbstverständlich, dass sichdabei manches mischt,das im ersten Augenblick kaum recht zu unterscheiden ist: zwischenwirklichneuen Herausforderungen und einem mitunter riskanten Sich-Anpassen.DieseBewegungsform verwirft auch das momentan Angeeignete schnell wieder undöffnetsich Neuem. Die katholische Bewegungsform in derGeschichte wird dabei oftgrundlegend verkannt. Wir sind längst nicht so unbeweglich,wie es scheint, wiewir auch viel freier sind, als einer von außenmutmaßen kann. So verändert sichsogar die katholische Kirche viel mehr, als man denkt. DieVeränderungen erfolgenjedoch nicht so rasch. Sie treten eher zögerlich ein. Sieerscheinen oft miteiner gewissen Verspätung. Manches scheint dann gar nicht mehr"aktuell“ zusein. Dies ist sicher eine "konservativere“ Formder Aneignung von so etwas wieFortschritt. Die Mühlen mahlen langsamer. Ich will gar nichtausschließen, dassdabei manchmal eine historische Stunde und Herausforderung verschlafenwerdenkann. Viele Anverwandlungen von Neuem geschehen jedoch erst dann, wennsie sicheinigermaßen bewährt haben und Aussicht gewinnen,auch künftig Bestand zuhaben. Deshalb ist die Aufnahme von Neuem zwar zögerlicher,aber nachhaltiger,mühsamer, vielleicht gründlicher. Das Neuegehört nun wirklich zum bleibendenWesen der Kirche. Der Anschein, als bewege sich nichts,täuscht gründlich. Ichbin der festen Überzeugung, dass die Kirche überhauptnicht zwei Jahrtausendehätte überleben können, wenn sie nicht imMedium des Geistes eine solchelebendige Strategie von Beharrlichkeit und Wandel befolgthätte, oft gleichsaminstinktiv, nicht immer mit reflektierter Absicht. VI.Die Kirche in einer Zeit des ÜbergangsDaraus lässt sich vieles ableitenund lernen. Ich will hier nureine Sache deutlicher herausstellen. Die Kirche befindet sich in dieserPerspektive nicht nur in einem allgemeinen Sinne unterwegs. Siebegreift sichnicht nur als wanderndes Gottesvolk zwischen den Zeiten. Sie stehtimmer wiederan geschichtlichen Kreuzungen und Schnittstellen. Es sind besondereZeiten, indenen sich die Epochen ablösen, d.h. wo die Rahmenbedingungendes menschlichenVerstehens sich ändern. Wenn grundlegende, exemplarischeMuster sich ändern,sprechen wir von einem Paradigmen-Wechsel. Ein solcher geschieht nichtimmer.Aber es gibt gerade auch in der Kirche so etwas wie epochaleEinschnitte, dievon besonderen Umbrüchen begleitet sind. Die Zeiten, in denenein solcherWandel erfolgt, sind besonders schwierig. Sie sind nämlich, jenach Standort,vieldeutig. Man muss darum solche Situationen stets nach verschiedenenSeitenhin verstehen und lesen. Es sind Situationen des Übergangs. Esist nichtzufällig, dass diese neuen Konstellationen an denEpochenschwellen auftreten:von der Spätantike zum Frühmittelalter, vomSpätmittelalter zur frühen Neuzeitusw. Ich möchte annehmen, ohne dass wir unserengegenwärtigen Standortüberschätzen, dass wir doch in die Näheeines solchen Übergangs gekommen sind. Solche Übergänge sindimmer von mindestens zwei Seiten her zulesen, sie sind doppelköpfig, ob man sie nämlich vonder Vergangenheit und derbisherigen Situation her versteht, oder ob man sie mehr von ihrenzukunftsweisenden Tendenzen her begreift. Nun kann man nicht zugleichnachvorne und nach hinten schauen. Die Alten haben eine solche Kunst desRückblicksund der Vorschau in einem darum immer auch mit einemübermenschlichen Wesen inZusammenhang gebracht, wie er uns im Januskopf vertraut ist. Wirorientierenuns oft viel lieber träumerisch und nostalgisch an dem, waswar oder angeblichwar, oder utopisch an einer Vision, die kaum einen Anhaltspunkt in dergegenwärtigen Wirklichkeit hat, aber gerade deswegen soanregend wirken kann,auch wenn sie sich vielleicht als Täuschung erweisen sollte.Am besten kann man diese Situation desÜbergangs anschaulichmachen im Zusammenhang des Stichwortes"Volkskirche“. Dieses Schlagwort kannnatürlich nicht heißen, dass jeder, der in einerüberwiegend katholischenBevölkerung geboren wird, auch gleichsam automatisch in dieentsprechendemehrheitliche Kirche hineingetauft wird. Ein Minimum an Freiheit undEntscheidung war wohl - von Ausnahmen abgesehen - auch in homogenenreligiösenund konfessionellen Räumen notwendig, um verbindlich einerKirche anzugehören.Wenn jedoch hier und dort Reste einer solchen primärvolkshaften Zugehörigkeitexistieren sollten, dann sind sie in der Zwischenzeit weithingründlichvergangen. Dennoch ist das Konzept"Volkskirche“ nicht einfachhin derVergangenheit zuzurechnen. Die Kirche, die nicht identisch ist miteiner"Sekte“, kümmert sich um das Heil und Wohlder Menschen; dies gilt für eineganzheitliche Sorge um alle: nicht bloß um die Mitglieder derKirche, sondernum die Menschen aus allen Schichten; sie weiß, woSchwierigkeiten und Nöte dieMenschen bedrängen, und ist auch davon überzeugt,dass sie im Rahmen und in denGrenzen ihrer Kompetenz nicht schweigen kann bei der GestaltungzentralerLebensverhältnisse in der Gesellschaft. In diesem Sinne kannauch eineMinderheit repräsentativ werden, das"Volk“ vertreten und für es ihre Stimmeerheben. Wer sich in diesem Übergang bewegt,darf nicht nur nach einerSeite schauen. Blickt er in eine Vergangenheit, die oft auch nochromantischverklärt wird, so kann er die Gegenwart oft nur als Abfall undNiedergangbegreifen. Blickt man nur nach vorne, so setzt man einige gewissahnbare, abernoch nicht ausgereifte künftige Tendenzen absolut und fixiertsie. Man kommtdann zu Idealen, die selbst eigentlich so nichtzukunftsträchtig sind. ImAnsatz sind dann immer wichtige Elemente enthalten, aber es fehlen auchüberzeugende Konzeptionen. Dies ist in etwa der Fall, wenn mander"Volkskirche“ antithetisch die"Freiwilligkeitskirche“ entgegensetzt, als ob esin der Vergangenheit nur Zwang gegeben hätte und in derZukunft nur pureSpontaneität geben könnte. Es gehört zurPhase des "Übergangs“, dass manBewahrenswertesbehält, es transformiert und dass man neuere, vielleicht inder Tat Gewinn bringendeEinsichten und Erfahrungen sich erst bewähren lässt.Dieses Ineinander vonVergangenheit, Gegenwart und Zukunft kann nur in einerdifferenzierteren Pastoralbewältigt werden, wie sie z.B. heute bei derHinführung zu den Sakramentengeleistet wird, angefangen von der Taufpastoral bis zur Ehevorbereitung.Eine solche Situation ist nicht einfachhinneutral. Auch sieverlangt Entscheidungen. So wird man im Zweifel eher einer personal undindividuell geprägten Hinführung zum Glauben denVorzug geben, ohne soziale undinstitutionelle Elemente in ihrem Gewicht zu verkennen. Man denke z.B.an dieDiskussion über das Firmalter, das vernünftigerweiseheute höher liegt alsfrüher. Wenn es zu hoch liegt, hat dies jedoch fürdie pastorale KonzeptionFolgen. So kann man auch zweifeln, ob auf die Dauer das Minimum anVorbereitungauf die Ehe genügt, das heute in der Regel für einechristliche Ehe verlangtwird. Die Sakramentenpastoral bewegt sich unvermeidlich zwischen denGefahreneines Rigorismus, der in hohen Anforderungen und in der Zahl derBeschränkungendas Heil sieht, und einem Laxismus, der die Zulassungsbedingungenniedrig hältund sich mit Mindestanforderungen begnügt.VII.Reaktionen auf die sich verändernde Situation Für die westlichen und zunehmendauch mehr für die osteuropäischenGesellschaften ist es fast selbstverständlich geworden, dasses sich um keinegeschlossenen Welten mehr handelt. Sie sind nicht nur faktischfür alleReligionen und Weltanschauungen offen, sondern sie sind prinzipiell,d.h.unaufhebbar, offen im Sinne eines weltanschaulichen undreligiösen Pluralismus.Die Herkunft und die Struktur dieses Pluralismus habe ich in anderemZusammenhangausführlicher erhellt.Dieser Pluralismus hat zur Folge, dass dieeinzelnen Welt- undLebensanschauungen gleichgültig nebeneinander stehen. Oftbilden sie nichteinmal mehr eine wechselseitige Konkurrenz, sondern gehen sich nichtsan.Unterschiedliche Auffassungen haben sich gegenseitig zu tolerieren,sodass derGegensatz von wahr und unwahr im Verhältnis dieserAuffassungen zueinanderkeine Anwendung finden kann. Für jede Religion ist dieseigentlich eine unzumutbareForderung, weil sie letztlich auf den Anspruch auf Wahrheit zuverzichtengebietet. Die Wahl des eigenen oder eines anderen Glaubens wird zurSache desindividuellen Geschmackes oder gar der Beliebigkeit. Es gibt leiderauch einesich weiter verbreitende Theologie der Religionen, welche die VielfaltderReligionen als legitime Pluralität unterschiedlicher Wege zudem einen Gottauffasst. Da der heutige Pluralismus milder und mit derAtmosphäre desfriedlichen Geltenlassens aller möglichen Auffassungenauftritt, wird die schleichendeErosion der Glaubensüberzeugungen gefährlicher, weilsie oft verdecktererfolgt.Im Grunde haben wir viel zu wenig erkannt,wie sehr das geistigeund kulturelle Bewusstsein unserer Zeit davon bestimmt wird und wiesehr einsolches Verständnis auch in die Selbstauffassung deskirchlichen Glaubenseinzudringen beginnt. Die "Freiheit“ der offenenGesellschaften ist darum inWirklichkeit zwiespältig, denn sie ist weitgehend eineFreiheit von Bindungenund nur in geringem Maße eine Freiheit zu Bindungen. UnsererVerfassung nachmuss das nicht so sein, aber faktisch bleibt es - wie auch TendenzendesKruzifix-Urteils zeigen - bei einer negativen Religionsfreiheit.Nun gibt es zweifellos auch in der Kirche imweitaus größeren Maßals früher eine Vielfalt der Auffassungen und Meinungen, dienicht nur mit derindividuellen Freiheit zusammenhängen, sondern auch Ausdruckeines geistigenund geistlichen Reichtums sowie der religiösen undspirituellen Freiheit in derKirche ist. Darüber hinaus ist auch offenkundig, dass diesesVerlangen nacheiner Vielzahl von Positionen und Rollen, Normen und Deutungen in derKircheselbst mehr Berücksichtigung verlangt. Die Kirche - oder besser: die Menschen inder Kirche reagieren aufeine solche Situation sehr verschieden. Wer die Offenheit derGesellschaft auchin der Kirche verwirklicht sehen möchte, verlangt in derKirche selbst nacheiner im Kern unverbindlichen Toleranz und übernimmt, ohne esimmer bewusst zuwollen, ein Kulturbewusstsein, das grundsätzlich bar jederTranszendenz ist. Sokann es auch im Raum der Kirche einen hohen Transzendenzverlust geben.VieleErsatzweisen treten an die Stelle eines wirklich religiösenGlaubens. Nichtwenige huldigen auch der Meinung, das Zweite Vatikanische Konzil selbsthabe imGrunde eine solche Sicht der Dinge angezielt, mindestens im Blick aufeinenschrankenlosen Pluralismus. Auf der anderen Seite gibt es dieVersuchung, die Religion und denGlauben zur einzigen, alles umfassenden Klammer zu machen und unterdiesem Dachgleichsam alles zu einer geistigen Einheit zusammen zu bringen. In derSituation eines oft selbstzerstörerischen Pluralismus istdiese Versuchungnicht gering zu schätzen. Zur Religion und zur Kirchegehört ja im Wesen auchdie Aufgabe der Integration. Aber hier geht es um den Irrweg einesfalschen Integralismus,der die Struktur einer pluralistischen Gesellschaft überhauptaufheben möchtezu Gunsten vormoderner Einheitspostulate. Es ist nichtzufällig, dass es in derKirche heute nicht nur an den Rändern beides gibt,nämlich einen ungehemmtenPluralismus und einen harten Integralismus. In der Verlängerung dieser Strukturlassen sich viele andereElemente des gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens verstehen.Gegenüber demunbegrenzten Pluralismus glaubt man, auf absolutunerschütterliche Gewissheitenpochen zu müssen, die nicht mehr befragt werdendürfen. Wir nennen eine solcheGesinnung, wenn sie sich haltungsmäßig versteift undsich intellektuell demwahren Dialog verweigert, Fundamentalismus.Aber man darf die Ursachen nicht verkennen, die hinter einer solchenHaltungstecken, nämlich die Suche nach letzten Gewissheiten, die beiallem Wandel undbei aller Komplexität unserer Welt sich im Leben und imSterben bewähren. DieUnübersichtlichkeit und die oft beklagteOrientierungslosigkeit der modernenGesellschaften erhöhen ein solches Verlangen. Man darf diesesPhänomen darumnicht einfach denunzieren, sondern muss seine Wurzeln erkennen. Diesesind oftlegitim, die gegebene Antwort greift meist zu kurz. Unter solchen Voraussetzungen ist die"Individualisierung“ in derGesellschaft außerordentlich hoch. Dabei kann durchaus vielPositives aufdieser Suche nach einer Selbstbestimmung stecken, die dieWürde und Freiheitdes Menschen wahrt. Aber vielleicht ist der Zenit auch schon erreichtoderüberschritten. Der Versuch, in sich selbst allein Grund undKraft, ja das Zielder Gestaltung der Welt und des eigenen Selbst zu finden, ist auchimmer wiedervom Scheitern bedroht. Wenn wir am Ende uns nur mit uns selbstherumtreiben, findenwir nur Flüchtigkeit und Trostlosigkeit, einen Geschmack vonBitternis undeinen unstillbaren, geradezu verzweifelten Lebenshunger. Wenn wir unsselbstsuchen, finden wir uns nicht in direktem Zugriff. Wir finden uns nurdurch denWeg zum Anderen, zum Nächsten und zu Gott. Darumkönnen wir nur in Gemeinschaftmit Gott und anderen menschlicher werden. Als bloße Subjektesind wir wedermenschlich noch haben wir eine Identität. Gerade deshalb istin der Kircheimmer wieder die soziale Dimension des Menschen betont worden. Dabeigeht esnicht nur um eine naturgegebene soziale Anlage, sondern um die KraftzurSolidarität und Hingabe aus dem Geist Jesu Christi. So müsste auchausführlicher die Rede davon sein, wie in vielenunserer Gesellschaften der Gemeinsinn abzusterben droht und der Bestandangemeinsamen Grundüberzeugungen immer geringer wird. Wirerleben täglich, wiedas Potenzial an Gemeinsamkeiten immer mehr dahinschmilzt. PluralismusundToleranz haben jedoch, wie leicht am Konsens über dieGrundrechte undGrundpflichten erkennbar wird, ihre Grenze. Allerdings ist dies imöffentlichenBewusstsein wenig grundsätzlich bedacht. Man verhältsich oft so und redet so,als ob in der Tat jede beliebige Möglichkeit der kulturellenSelbstverwirklichung freistehe.Damit ist endgültig deutlichgeworden, dass die Kirche in solchenoffenen Gesellschaften selbst zwar auch offen sein muss, aber dieseOffenheiteine andere und eine eigene Form hat. Dies hättenämlich letztlich zurKonsequenz, dass man sich den Forderungen des säkularenZeitbewusstseinseinfach anpasst. Es genügt aber m.E. nicht, sich z.B.bloß stärker abzugrenzengegen die herrschenden Lebensformen der säkularen Kulturwelt.Noch schlimmerwäre Anpassung. Es ist deutlich erkennbar, dass man auchdadurch die Menschennicht wirklich gewinnt. Im Gegenteil, diese Anpassung führtdazu, dass dieKirche ihre Anziehungskraft auf die Menschen verliert. Wenn die KirchedenMenschen keine Alternative mehr bietet zum säkularenBewusstsein, muss man sichdie Frage stellen, wieso man eine solche Kirche überhaupt nochbraucht. Esliegt auf der Hand, dass eine angepasste Kirche selbstüberflüssig wird, weilsie ja ohnehin nur die Verdoppelung dessen bietet, was schon ist. DritterTeil: Grundhaltungen VIII.Die Antwort der Kirche: Aufgaben der ZukunftAus einer solchen Situationsbestimmungfolgen einige Überlegungenzum Handeln der Kirche in dieser Zeit. Sie darf sich ja nicht einfachdendynamischen Kräften dieser Gesellschaft überlassen.Sonst gehört sie zum üblichenTreibsand dieser Zeit. Sie muss vielmehr die innere Kraft zum Dialogund zumWiderstand zugleich haben. Der Dialog selbst ist ja nicht einfach nureinfolgenloses Gespräch, sondern im wahrsten Sinne des WortesAuseinandersetzungüber eine gemeinsame Sache.Diagnosen gibt esvielleicht genügend, aber es nützt nichts, wenn vieleÄrzte am Krankenbettstehen, die eine verlässliche Diagnose stellen, aber keineTherapie anwendenkönnen. Ich möchte daher im Folgenden wenigstenseinige Richtpunkte für eineTherapie formulieren, die zum guten Teil auch an anderer Stelleausführlicherbegründet und entfaltet worden sind.Unter dieser Hinsichtscheinen folgende Verhaltensweisen zuImperativen zu werden:1.Die Situationerkennen: Wirleben nicht einfach in einer beliebigen Zeit, wo man mit allgemeinenWahrheitenauskommt, sondern wir müssen zuerst - auch unter ZuhilfenahmesozialwissenschaftlicherErkenntnisse - die konkrete geschichtliche Situation erfassen, in derdieKirche lebt. Ohne die Erkenntnis ihrer Lebensbedingungenkönnen wir auch diejeweilige genauere Chance nicht wahrnehmen, in eine bestimmte Zeit undSituation hinein unser ureigenes Wort zu sprechen. Hier brauchen wirein vielgrößeres Augenmaß für dieNöte der Zeit und für die Chancen des Glaubens. Manmuss diese Erkenntnisse nicht immer langatmig ausbreiten, aber man musssiemindestens gleichsam im Hinterkopf haben und behalten, umüberzeugend undtreffsicher reden und handeln zu können. 2. Anerkennung der pluralistischenGrundsituation und Mut zum eigenenStandort: Wir sind in einerPhase sein, wo man den gesellschaftlichenPluralismus zwar nicht mit besonderer Freudebegrüßt, aber ihn doch als Faktumund Aufgabe annimmt. Zum Jubel besteht kein Anlass, denn derPluralismus bringtauch viele Zerrissenheiten und Konflikte in die kleinen undgroßen Lebenskreiseder Menschen. Er ist auch wandlungsfähig, ohne dass man diekünftigen Gestaltenschon umschreiben könnte. Es ist auch nicht sicher, ob er derWeisheit letzterSchluss ist im Finden eines Schlüssels zum Zusammenleben derMenschen inFreiheit und Gerechtigkeit. Aber wir sollten davon ausgehen, dass sichauflängere Zeit keine anderenLösungsmöglichkeiten dafür abzeichnen.Wirhaben auch bis jetzt genügend Zeit gehabt, um uns in dieSpielregeln einesZusammenlebens mit Menschen anderer Grundüberzeugungen undReligioneneinzuüben. Toleranz, Dialogbereitschaft undArgumentationsfähigkeit sind inaller Munde. Dies gehört zum fastselbstverständlichen Handwerkszeug des Lebensin pluralistischen Gesellschaften. Aber bisher haben wir dies zu oftbloß imSinne eines gleichberechtigten Nebeneinanders verstanden und haben unsehergescheut, unsere eigene Stimme im pluralistischen Konzert deutlicherwerden zulassen. Absolutistisches und fundamentalistisches Gehabe ist ebensoschädlichwie Anpassung und blinde Gefolgschaft im Blick auf den Geist der Zeit.Wenn wirim Pluralismus überleben wollen, dann brauchen wir auch mehrMut zum eigenenPlatz und zum unverwechselbaren Profil des eigenen Standortes. Wenn wirwirklich katholisch, d.h. wenigstens potenziell universal sind undunseremGlauben sowie unserer Vernunft einiges zutrauen, gelangen wir dabeinicht ineine bornierte Enge. Wir müssen endlich heraus aus derSituation eines immernoch vorhandenen Minderwertigkeitsbewusstseins und brauchen zum ErweisunsererGeistesgegenwart nicht allen möglichen Tendenzen nachzulaufen.Wir kommen sonstohnehin immer zu spät und sind morgen schon von gestern.3. Mutund Strategie für eine geistige Offensive:Wenn wir unseren Ortund unsere konkrete Chance nicht bestimmen und nützen, geratenwir immer mehrin eine hoffnungslose Verteidigungsstellung. Der Rückzug istdann fast nur nochdie einzige Bewegungsform. Es ist deshalb unbedingt notwendig, nichtnur aufdie Situation der Zeit z.B. durch Beschreibung und Annäherungzuzugehen.Vielmehr müssen wir viel stärker bei allerAnerkennung von Demokratie undReligionsfreiheit, freier Ordnung und bürgerlicher Welt dereninnere Schwächenund Gefährdungen in den Blick nehmen. Dies braucht nicht auseiner erhabenenWarte und vom Standpunkt des ewigen Besserwissers her zu geschehen. Esgibtkeinen Grund zur Überheblichkeit. Wenn die Kirche vielmehr beialler EigenartTeil dieser Gesellschaft ist, dann kann ihr das Schicksal vor allem derMenschen nicht gleichgültig sein. Deshalb kann sie sich nichtintegralistischauf ihre eigene wirklich oder angeblich heile Weltzurückziehen und sich freihalten von dem bösen Äon. Um nicht missverstanden zuwerden: Damit ist nichtgesagt, dass die Kirche sich nicht rein erhalten sollte, dass sie nichtum ihreeigene Herkunft und ihr eigenes Ziel weiß. Sie darf sichnicht einfach anpassenund sich mit dem Geist dieser Zeit vermischen. Aber sie hat gerade auchaufgrund vielfacher Solidarität eine innere Nähe unddamit auch eine echteSorge im Blick auf das Schicksal der Menschen in dieser Zeit. Wegendieser Nähemuss sie sich auf die konkrete Situation einlassen, ohne ihr zuverfallen. Diesist ganz entscheidend. Davon hängt die wirkliche Gegenwart derKirche inunserer Welt ab. Die Schwächen undGefährdungen der freien Ordnung unsererGemeinwesen lassen sich nämlich nur genauer erkennen, wenn manversteht, dassdie Ursachen dafür in der Struktur der Gesellschaft selbstliegen: "ihrertiefen Gleichgültigkeit gegenüber der soleidenschaftlich erwarteten Antwortauf die Sinnfragen des modernen Menschen, ferner derÜberdehnung der Freiheitim Namen der Freiheit, dem Abbau der Normen und Verbindlichkeiten, auchder Ermüdungder Institutionen“.Es gibt in der modernen Gesellschaft diese Selbstgefährdung,die zugleich einewesensmäßige Ambivalenz der Moderne ausmacht. DieKirche wird ihrer Sorge umdie Welt nur gerecht, wenn sie diese innere Gefährdungaufsucht und nach Möglichkeitzu heilen versucht, nicht indem sie sie hämisch aufdeckt undsich abwendet. Wir stehen schon seitlanger Zeitmit dem Rücken an der Wand und müssen unsständig selbst verteidigen. DiesePosition ist nicht gut, weil der Spielraum immer enger wird. Anderebestimmendie Themen. Wir sind stets wie in einem Verhör. Wir habenjedoch eine wertvolleund hilfreiche Substanz einer vom Glauben erleuchteten Vernunft, um denAnspruch und den Trost des Evangeliums offensiver zu vertreten.Offensiv heißtnicht aggressiv. Aber es kommt darauf an, dass wir aufbrechen und mehrin einengeistigen Wettbewerb eintreten als bisher. Wir sollten andere auch mehrnachihren Konzepten und ihren Lösungen befragen. Wenn dabei dieGemeinsamkeit desHumanen oder Christlichen wächst, kann es nie ein Schadensein. Freilich dürfenwir dabei auch nicht bloß rückwärtsgewandtoperieren. Wir haben schon eineganze Reihe von Eigentoren geschossen, die unnötig sind. Wenndas Alte undBewährte wiederholt wird, dann muss es auch seineklärende und befreiende Kraftfür heute erweisen. Dies ist wahrhaft katholisch.Dies gilt besonders auch für die Theologie als Wissenschaftund alle ihreGespräche mit den Nachbardisziplinen. Man wartet viel mehr aufuns, als wir unszutrauen. Jetzt ist nicht die Zeit des Kleinmuts, freilich auch nichtgroßerSprüche. Alle großen Scheine müssen heuteohnehin in Münze eingelöst werden.4.Mut zur konkreten Alternative:Den Ortihres Wirkens kann die Kirche sich nicht aussuchen. Aber jede Zeit undjederOrt können spätestens seit der Ankunft Jesu Christiund der Sendung seinesGeistes in alle Welt zu einer Chance des Heils werden. Dies vermag dieKirchefreilich nur, wenn sie den Mut hat, inmitten der offenen Gesellschaftverbindlich und entschieden Zeugnis zu geben. Nur so kann dasEvangelium JesuChristi seine wahre Kraft entfalten. Nur wenn wir ein hohesMaß begründeterZuversicht zum Kerngehalt des christlichen Glaubens haben,können wirüberzeugen. Es genügt nicht, das Elend und denJammer, die Verführungen und dieVersuchungen der Welt zu wiederholen oder zu beklagen, sondern nur einealskonkrete Alternative bezeugte Herausforderung kann Aufmerksamkeiterfahren. Wirtrauen uns in vielem nicht mehr, die ganze Wahrheit des Evangeliums zusagen,weil wir dieser Botschaft selbst nicht trauen oder ohnmächtigvor ihrerVermittlung stehen (vgl. z.B. die Rede vom Gericht und von derSünde, aber auchvon Heil und Erlösung). Der Kern der christlichen Zuversichtist nicht eineHoffnung nur für dieses irdische Leben. Es ist das neue Lebenaus der AuferstehungJesu Christi. Man lernt die Belange des geschichtlichen Lebens anderszubetrachten, wenn man aus einer Hoffnung lebt, die über diesesLeben hinausgeht.Dies darf nicht in einem irrationalen Trotz geschehen, sondern ist ohneVerratdes Evangeliums im Medium einer vom Glauben erleuchteten undfür diechristliche Hoffnung offenen Vernunft möglich. SterileSelbstabschließung undFanatismus sind keine Antworten. Wir müssen auf alleGewaltsamkeiten desFundamentalismus verzichten. Wenn wir diese Offensive wagen, dann wird esuns auch gelingen,aus der bestimmten Alternative des Glaubens eine Einladung an allewerden zulassen. Eine Einladung ist nicht schon ihre Annahme. Dazwischen liegenvieleStufen der Einsicht und der Verantwortung, des Nachdenkens und derUmkehr. ImLichte der Wahrheit Gottes gewinnt diese Einladung jedoch anTransparenz undwird in den verschiedenen Sprachen und Kulturen wirklich universal,nämlich zuallen hin geöffnet. 5. Mut zum persönlichen Zeugnis: UnsereWelt verlangt schon gehörigdas persönliche Eintreten für die Sache Jesu Christiund der Kirche. An nichtwenigen Stellen bedarf es des Bekenntnisses, auch des Widerstands unddesWiderspruchs. Glaube hat von Anfang mit dem mutigen, gerade auchöffentlichenBekenntnis zu tun. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wirherausgefordertwerden und - hoffentlich immer mehr - auch selbst im guten Sinnprovokativwirken: Nämlich mit unserer Botschaft, nicht durch einfalsches Auftreten.Dennoch vertrauen wir noch zu sehr dem Amt und den Institutionenallein. Hiersind wir in unseren Ländern vielleicht sogar mehrgefährdet als anderswo, weilwir leichter nach verfügbaren Institutionen und Diensten rufenkönnen. Aberallein damit wird man noch nicht viel bewegen. Es kommt in Zukunft nochvielentschiedener auf das persönliche Zeugnis des Lebens und desGlaubens an, daswir indirekt, in der Tat, aber auch direkt, im Wort, bekunden. DerkünftigeChrist wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein.Als Zeuge vermittelt er und ist selbst jemand, der hinter seiner Sachezurücktritt, aber gerade dadurch wirkt. Es wird einmissionarisches Zeugnissein, das in viele Winkel unseres Lebens hineinleuchten kann, wo derArm desAmtes nicht hinreicht. Dann verwirklichen wir die vielzitierteMündigkeit desChristen und das gemeinsame Priestertum. Daran werden wirschließlich alleeinmal gemessen und gerichtet, nicht an den Funktionen undÄmtern, die wirhaben.6. Ökumene: Vertiefung desgemeinsamChristlichen nach vorne: DieÖkumene ist auch im 21. Jahrhundert einGeschenk des Geistes. Darum - so bin ich fest überzeugt - wirddie ÖkumenischeBewegung auch nicht mehr untergehen. Aber Krisen undRückschläge muss siegewiss durchmachen und überstehen. Wenn nicht allestäuscht, dann stehen wirvor einer solchen Bewährungsprobe. Wir haben - Gott seigedankt - in vielemzueinander gefunden. Vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbargroßeHindernisse konnten überwunden werden. Aber manchmal haben wiruns auch inunseren Schwächen angepasst und sind zueinandergeflüchtet wie Kinder, die beiKälte ein gemeinsames Nest aufsuchen. Jene Ökumene,die nur den Status quomeint anerkennen zu können, bei der keiner sichändern muss, ist für denChristen eigentlich schwer erträglich. Darum müssenwir sehr viel mehr inAuseinandersetzung mit der Stärke des Anderen wachsen unddürfen uns nicht mitdem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden geben.Dergelebte Glaube ist konkret und verrät oft erst im Vollzugseine innere Kraft.Abstrakte Formeln sind noch längst nicht gelebtes Zeugnis.Darum müssen wirauch viel mehr in die gemeinsame Tiefe dringen. ÖkumenischeAusrichtung alleinist zu wenig. Bei aller Offenheit müssen wir viel mehrvoneinander lernen, undsei es auch durch die Auseinandersetzung und manchmal den Streithindurch. Esversteht sich von selbst, dass damit nicht einer Wiedergeburt desKonfessionalismus das Wort geredet wird. Wir müssen nochoffener sein und nochmehr wagen, aber dies nur, wenn wir auch tiefer verwurzelt sind imGlauben undnäher bei Jesus Christus bleiben.7. Neues Miteinander aller katholischenChristen: Wir haben nach demZweiten Vatikanischen Konzil eine gute neueKonstellation von Laien, Ordensangehörigen und allen Dienstenund Ämtern in derKirche, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Wir sollten dieses Geschenknichtgering schätzen. Auch wenn wir noch stärker einegesellschaftliche Minderheitwerden sollten, so bleiben wir im Kern stark: intensiv nachaußen und nachinnen. Wir sind keine Sekte, sondern sind auch als Kirche der Diasporaan alleminteressiert, was die Menschen bewegt.Wir"machen“ nicht Kirche. Sie ist der Ort fürGottes Kommen in unsere Welt durchJesus Christus. Wir sind beansprucht, seine Zeugen zu sein bis an dieGrenzender Welt. Dabei wissen wir auch, dass die Kirche von Anfang an einesakramentale Struktur hat: sichtbare Gaben des Gottesgeistesfür die Kirche. InTaufe und Firmung gründet unser Christsein. Darauf bauen auchdie Dienste undÄmter auf. Aber die Sakramente der Ehe und der Ordinationzeigen auf ihre Weise,dass es keine Auswechselbarkeit zwischen ihnen gibt. Priesterkönnen nur durchPriester ersetzt werden; das Zeugnis von Ehen und Familien kann nur vondiesenerbracht werden. Hier dürfen wir uns bei allerEigenständigkeit auch nicht vomgemeinsamen Leben der Gesamtkirche entfernen.8. Zuerst Leidenschaft für Gott: Wirbeschäftigen uns mit vielem, allzu vielem. Deswegen sehen wiroft vor lauterBäumen den Wald nicht mehr. Es fällt uns schwer, unsauf das Eine Notwendige imSinne des Jesuswortes (Lk 10,42) zu konzentrieren. Wir haben dieRadikalitätund Einfachheit des Glaubens verloren und müssen siewiedergewinnen: alleHoffnung auf Gott zu setzen.Dannmüssen freilich Besinnung und Meditation, Gebet und Anbetungeinen ganz anderenRang bekommen. Wir sind versucht, Gott zu verwalten, wenn wir es dennkönnten;aber wir müssen ihn täglich von ganzem Herzen und mitallen Kräften neu suchen.Uns ist die Leidenschaft für Gott verloren gegangen. Wenn wirGott Gott seinlassen und er wirklich alles in allem ist, verlieren wir nichts, wennwir unsihm vorbehaltlos zuwenden. Die Bibel verspricht uns, dass uns dannalles anderedazugegeben wird. Dann wird das Gespräch mit dem Nachbarn unddem Kranken, mitdem Künstler und dem Wissenschaftler, dem Buddhisten und demAtheisten erstaufschlussreich. Wenn wir dann ein wenig wie die Narren Gottes indieser Welterscheinen, ist dies nur ein Gewinn. Wenn wir Gott allein anbeten undalleGötzen fahren lassen, schützen wir auch am meistenunsere stets gefährdete Freiheit.9. Zuerstdas Evangelium: ZurVerkündigung des Evangeliums gehört dasZeugnis der Liebe zum Nächsten. Das Neue Testament ist hiervon Matthäus überPaulus bis zum Jakobusbrief eindeutig. Die Suche nach Gerechtigkeit isteinintegrales, ja konstitutives Element der Verkündigung desEvangeliums. Aberdiese Ordnung gilt auch umgekehrt: Gerechtigkeit und Barmherzigkeitgründen inder ergangenen Frohbotschaft. Sie sind davon nicht ablösbar.Deshalb muss die Kirche besorgt sein, dassdie Menschen dieExistenzberechtigung von Glaube und Kirche nicht vorwiegend nach dersozialenNützlichkeit entscheiden. Unsere großen caritativenWerke können dies ebensonahe legen wie die zahlreichen Beschäftigten im Bereich vonCaritas. Wir dürfenunsere Priorität, den Ursprung im Evangelium, nicht selbstverdecken. Alle Werkeder Kirche müssen transparent bleiben auf ihren wahren Grundhin.Eine Kirche, der das Evangelium im Alltagganz vertraut war,konnte hier lange gelassen sein. Jetzt müssen wirdafür sorgen und zeigen, dasses Kirche zuerst als Botin des Evangeliums und als wirksames Zeichendes Heilsgibt und dass alles Übrige daraus entspringt. Wenn wir diesenVorrang nichtherausstellen, tragen wir selbst zur Verwirrung bei.10. DoppeltesSich-Überschreiten: DieKirche gerade unseres Raumes, dieviele institutionelle Strukturen hat, darf sich auf diesem Weg nie insichabschließen. Selbstgenügsamkeit ist für dieKirche der größte Sündenfall. IhrName sagt schon, dass sie von Gott berufen und herausgerufen ist in dieZerrissenheitder Welt hinein. Sie wird darum immer auch wie in der Fremde leben. DasZeltGottes unter den Menschen ist vielleicht ein besseres Bild als derBetonbunker.Darum muss sich Kirche immer wieder von ihren Sendungen her bestimmenlassen.Es gibt kein Wesen der Kirche, also keine Aussage über sie insich selbst, ohnedass von diesem Gesendet-Werden und Über-Sich-Hinausgehen dieRede ist. DieKirche darf nicht Angst haben, sich selbst zu verlassen oder sichselbstpreiszugeben. Freilich muss sie in der ständigenUnterscheidung der Geisterlernen, sich nicht selbst durch Anpassung und Konformität zuverlieren. Sie isteigentlich immer hingestreckt auf ihren Ursprung im dreifaltigen Gottundzugleich hingegeben an einen wirklich selbstlosen Dienst fürdie Menschen, besondersan alle, die um ihre - nicht nur materielle - Bedürftigkeitwissen. Das Geheimnis des Weizenkorns ist in derNachfolge ihres Herrn dasGesetz der Kirche (vgl. Joh 12,24f.). Wenn sie nicht in dem Sinnestirbt, dasssie ganz auf Gott in Jesus zeigt und sich zu den Menschen hin bewegt,verfehltsie sich selbst. Wenn sie in sich kreist, verriete sie sich. Wenn siesichverliert, kommt sie zu sich selbst. Erst diese doppelte Transzendenzerfülltihre Sendung, mag sie dann auch ärmlich erscheinen. Sie istdann im bestenSinne die Magd des Herrn.IX.Neuer Blick auf die "Zeichen der Zeit“:Unterscheidung der GeisterWir haben über neue Zeichen derZeit gesprochen und über unsereReaktion nachgedacht. Wir kommen am Ende nochmals daraufzurück.Es gibt noch vieleBeispiele fürmehr oder weniger bekannte "Zeichen der Zeit“. Ichdenke an die Erziehung zuFrieden und Versöhnung, an die immerwährende Aufgabeder Hilfe zur Entwicklungder Völker in der so genannten Dritten Welt. Dazugehören auch "Schlagworte“,die ja immer ein Stück weit Bezeichnungen fürzentrale Aufgaben sind, wie z.B."Globalisierung“. Hinter diesen Stichwortenverbergen sich Trends, die einegroße Suggestivkraft haben, in denen man aber zuerstkünftig Förderliches undmindestens Fragwürdiges unterscheiden muss. Manches kann auchals ein "Zeichender Zeit“ erscheinen, das einfach neu bedacht werden muss:Eine Gestalt desLebens entpuppt sich auf neue Weise. Das "Zeichen derZeit“ ist dann eher schonso etwas wie ein Paradigma, ein Muster des Lebens, das verschiedeneModelle insich enthält.Hat man sichfrüher eherbegeistert an der Suche nach "Zeichen der Zeit“beteiligt, so wollen heuteviele die tatsächlich nicht selten inflationärverbrauchte und missbrauchteRede von den "Zeichen der Zeit“ kaum mehrhören. Dennoch ist die damitverbundene Aufgabe unverzichtbar. Sie gehört zum zentralenVermächtnis desZweiten Vatikanischen Konzils.Wir müssen nochmals neu damit beginnen.Die Vermittlung zwischendenherausfordernden Zeichen und der Antwort des Glaubens bleibt schwierig.DieSignale der Zeit sind oft aufdringlich und laut. Sie drohen mit ihrenschrillenTönen alles andere niederzuschreien. Hinweise auf Gott undsein Wort sindjedoch leicht zu übersehen. Meist sind esunauffällige, mühsam zu entdeckendeSpuren. Das Spurenlesen im Acker der Zeit will also gelernt und immerwiederneu eingeübt sein.Der diagnostische Blick und die Gabe der Unterscheidungmüssen sich auf neue Weise ergänzen, ohne dass es zueiner Identität kommenkann.Es bleibt die vielschichtige und nie ganz auflösbare Spannung:Die Zeichen derZeit können auch manchmal neue Spuren des Heils enthalten.Aber es ist nichtzwangsläufig so. Deshalb ist dieses Spurenlesen eine zwarundankbare, aberlebenswichtige Aufgabe der Kirche. Man muss sich tief hineinbeugen inden Staubeiner Zeit, aber in dieser spannenden Gegenwart gibt es auch raschPfade, diesich freilich bisweilen auch als Holz-, Ab- und Irrwege erweisen.Später siehtman dies oft besser. Jetzt aber kann man die Karte unserer Zeit nur aufdieseWeise vermessen.Die Kirche muss dazu imStandesein, diese Spuren lesen, wahrnehmen und aufnehmen zu können.Sonst ist sie derdamit verbundenen Aufgabe und auch den damit gegebenen Risiken nichtgewachsen.Darum brauchen wir immer wieder eine vom Geist Gottes bewirkteErneuerung derKirche: "Neuen Wein füllt man in neueSchläuche.“ (Mt 9, 17)Dazu ausführlicher K.Lehmann, Hat das Christentum Zukunft? Glaube und Kirche an der Jahrtausendwende= Mainzer Perspektiven. Wort des Bischofs2, Mainz 2000, 19-28.Dazu auch H. Rahner, DieKirche ist immer jung, Innsbruck 1970, 39-43; H. U. vonBalthasar, Die Jugendlichkeit Jesu, in: Communio 12(1983), 301-305.Vgl. Enzyklika "Pacem interris“ vom 11.4.1963, in: Enchiridon delle Encicliche, Bd.7, Bologna 1994,399f. (Nr. 579-585); deutsche Ausgabe: KNA, München 1963, 13f.(damals gab esnoch keine Artikel-Zählung).Zur Sache vgl. A.Wollbold, Zeichen der Zeit, in: Lexikon für Theologie undKirche, Bd. X, 3.Aufl., Freiburg i. Br. 2001, 1403 (Lit.); H. Schützeichel, DieZeichen der Zeiterkennen. Fundamentaltheologische Überlegungen, in: TriererTheologischeZeitschrift 91 (1982) 304-313; K. Scholtissek,"Könnt ihr die Zeichen der Zeitdeuten?“ (vgl. Lk 12,56). Christologie und Kairologie imLukanischenDoppelwerk, in: Theologie und Glaube 85 (1995) 195-223; A. Wollbold,"Nach denZeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zudeuten“.Nachfragen zur Methode der Pastoraltheologie, in: Zeiten desÜbergangs.Festschrift für F. G. Friemel, Leipzig 2000, 354-366.Vgl.dazu umfassend denVersuch vor allem Karl Rahners im Handbuch der Pastoraltheologie, vgl.jetztSämtliche Werke. Bd. 19: Selbstvollzug der Kirche.Ekklesiologische Grundlegungpraktischer Theologie, bearbeitet von K.-H. Neufeld, Solothurn/Freiburg1995;P. M. Zulehner, Pastoraltheologie. Bd. 1: Fundamentalpastoral. KirchezwischenAuftrag und Erwartung, Düsseldorf 1989, II. Teil: Kairologie,140ff.; zumGanzen vgl. K. Lehmann, Karl Rahner und die Praktische Theologie, in:Zeitschrift für katholische Theologie, 126 (2004) Heft 1-2,Innsbruck 2004,3-15.Dazu K. Lehmann,Christliche Weltverantwortung zwischen Getto und Anpassung. 40 JahrePastoralkonstitution "Gaudium et spes“, in:Theologisch-PraktischeQuartalschrift 153 (2005), 297-310 (Lit.).Vgl. Säkularisation undSäkularisierung 1803-2003 = Essener Gespräche 38,Münster 2004 (Lit.).Zu dieser Geschichte vgl.mit vielen Literaturangaben K. Lehmann, Prolegomena. Zur theologischenBewältigungder Säkularisierungsproblematik, in: Ders., Gegenwart desGlaubens, Mainz 1974,94-108; M. Fischer/Chr. Senkel (Hg.), Säkularisierung undSakralisierung,Tübingen 2004; M. Jakubowski-Tiessen, Religion zwischen Kunstund Politik.Aspekte der Säkularisierung im 19. Jahrhundert,Göttingen 2004. Zur Verbindung desSäkularisierungsbegriffs mit anderen Kategorien der modernenZivilisation vgl.K. Lehmann, Gegenwart des Glaubens, 99ff. Vgl. ebd., 102ff. (Lit.).Vgl. dazu auch O. Schatz(Hg.), Hat die Religion Zukunft?, Graz 1971.Auf den Spuren der Engel.Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz,Frankfurt1970; vgl. auch die Beiträge von P. L. Berger, Th. Luckmannund A. Gehlen, in:O. Schatz (Hg.), Hat die Religion Zukunft?, 49-68, 69-82, 83-97. Dazuzusammenfassend und deutend: Gegenwart des Glaubens, 103ff.Vgl. schon K. Lehmann,Die Kirche und die Herrschaft der Ideologien. l. Wesen undStrukturwandel derIdeologien. 2. Die Herausforderung der Kirche durch die Ideologien, in:Handbuch der Pastoraltheologie, Bd. II/2, Freiburg i. Br., 2. Aufl.,1971,109-180.Vgl. dazu H. Freier, DieRückkehr der Götter, Stuttgart 1976; F.-W. Haack,Europas neue Religion, Zürich1991; V. Drehsen/W. Sparn (Hg.), Im Schmelztiegel der Religion,Gütersloh 1996;G. Schmid, Im Dschungel der neuen Religiosität,Zürich 1992; G. K. Nelson, DerDrang zum Spirituellen, Freiburg i. Br. 1991; O. Kallscheuer (Hg.), DasEuropader Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung undFundamentalismus,Frankfurt 1996.O. Schatz (Hg.), Hat dieReligion Zukunft?, 66.Dazu schon K. Lehmann,Der christliche Glaube vor der neuen Religiosität, in: Ders.,Signale der Zeit– Spuren des Heils, Freiburg 1983, 58-82, 183-185.Dazu auch R. Kramer, Diepostmoderne Gesellschaft und der religiöse Pluralismus, Berlin2004.Glauben und Wissen,Frankfurt 2001, auch in: Ders., Zeitdiagnosen, Frankfurt 2003, 249-262.Braucht der MenschReligion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz, Freiburg i.Br. 2004,122-128. Ebd., 124. Friedenspreis desDeutschen Buchhandels 2001, Frankfurt 2001, 46f.Ebd., 47.Ebd., 49. Vgl. J. Habermas/J.Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. ÜberVernunft und Religion, Freiburgi. Br. 2005, 15-37, bes. 31ff.Ebd., 33.Ebd., 35.Vgl. J. Habermas,Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze,Frankfurt 2005.Darin findet sich auch der in Anm. 22 genannte Münchener Text:106-118.Ebd., 9. Zu BöckenfördesThese vgl. K. Lehmann, Säkularer Staat: Woher kommen das Ethosund die Grundwerte?Zur Interpretation einer bekannten These von Ernst-WolfgangBöckenförde, in: S.Schmidt/M. Wedell (Hg.), "Um der Freiheitwillen...“ Kirche und Staat im 21.Jahrhundert. Festschrift für B. Reichert, Freiburg i. Br.2002, 24-30; Ders.,Recht braucht Freiheit und schützt sie, in: Die Erneuerung desVerfassungsstaates. Symposion aus Anlass des 60. Geburtstages von P.Kirchhof,hrsg. von R. Mellinghoff u.a. = Heidelberger Forum 121, Heidelberg2003, 91-102(Lit.). Ebd., 13.Ebd., 216.Ebd., 123ff., 152ff.,267ff., 289ff., 295f. Zu J. Rawls vgl. vor allem PolitischerLiberalismus,Frankfurt 1998, Taschenbuchausgabe (stw 1642): Frankfurt 2003, z.B.346f.,76ff.Glauben und Wissen(Friedenspreisrede), 41.Der Dialog JosephRatzingers mit den italienischen Senatspräsidentenkönnte noch anderePerspektiven beleuchten, M. Pera/J. Ratzinger, Ohne Wurzeln, DerRelativismusund die Krise der europäischen Kultur, Augsburg 2005 (M. Peraist Philosoph derWissenschaften). Der ErfurterSozialphilosoph und Soziologe H. Joas, dem wir schon eine wichtigeBesprechungvon Habermas´ "Glauben und Wissen“verdanken (Braucht der Mensch Religion?,122-128) hat mir freundlicherweise eine umfangreichere Besprechung desneuenBuches von Habermas "Zwischen Naturalismus undReligion“ zur Verfügunggestellt, die in der Wochenzeitung DIE ZEIT erscheinen soll(fünf Seiten). Vgl.auch grundlegend H. Joas/K. Wiegandt (Hg.), Die kulturellen WerteEuropas(Fischer-Taschenbuch 16402), Frankfurt 2005.Vgl. zur Analyse dasaufschlussreiche Buch von R. Sennett, Der flexible Mensch, 6. Aufl.,Berlin1998; Ders., Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 2005. Vgl. auchFreiheitoder Kapitalismus. Gesellschaft neu denken. U. Beck imGespräch mit J. Willens,Frankfurt 2000.Vgl. dazu H. Schmidinger,Der Mensch ist Person. Ein christliches Prinzip in theologischer undphilosophischerSicht, Innsbruck 1994. Dazu H.-P. Mathes (Hg.),Ebenbild Gottes – Herrscher über die Welt,Neukirchen 1998, Kl. Koch, Imago Dei– Die Würde des Menschen im biblischen Text.Berichte aus den Sitzungen derJoachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften, Jahrgang 18, Heft 4,Göttingen2000 (Lit.). Dazu W. Czapiewski (Hg.),Verlust des Subjekts?, Kevelaer 1979; Die Frage nach dem Subjekt, hrsg.von M.Frank u.a., Frankfurt 1988; H. Ebeling, Ästhetik desAbschieds. Kritik derModerne, Freiburg i. Br. 1989; H. Schrödter (Hg.), DasVerschwinden desSubjekts, Würzburg 1994; H. Ebeling (Hg.),Subjektivität und Selbsterhaltung.Beiträge zur Diagnose der Moderne, Frankfurt 1976 und 1996; D.Korsch/J.Dierken (Hg.), Subjektivität im Kontext. Erkundungen imGespräch mit DieterHenrich, Tübingen 2004.Vgl. knapp dazu G.Willke, Neoliberalismus, Frankfurt 2003; G. Gamm u.a. (Hg.), DieGesellschaftim 21. Jahrhundert, Frankfurt 2004. Vgl. K. Lehmann,Notwendiger Wandel der Sozialen Marktwirtschaft? =Ludwig-Erhard-Lectures,Berlin 2002; Ders., Das christliche Menschenbild in Gesellschaft undKirche,in: R. Biskup/R. Hasse (Hg.), Das Menschenbild in Wirtschaft undGesellschaft =Beiträge zur Wirtschaftspolitik 75, Bern 2000, 51-78 (Lit.). Vgl. W. Welsch, Unserepostmoderne Moderne, 3. Aufl., Hamburg 1992; Ders., Wege aus derModerne,Weinheim 1988; Ders., Vernunft, Frankfurt 1995; P. Koslowski, DiePrüfungen derNeuzeit, Wien 1989.Zum gesamten Komplex vgl.auch D. Pollack, Säkularisierung – ein modernerMythos?, Tübingen 2003; F.Heidenreich, Mensch und Moderne bei Hans Blumenberg, München2005.Dazu u.a. P. Wagner,Soziologie der Moderne. Freiheit und Disziplin, Frankfurt 1995; H.Veith, DasSelbstverständnis des modernen Menschen. Theorien desvergesellschaftetenIndividuums im 20. Jahrhundert, Frankfurt 2001; vgl. auch dieTextauswahl:Geschichte schreiben in der Postmoderne, hrsg. von Chr. Conrad/M.Kessel,Stuttgart 1994.Moderne und Ambivalenz.Das Ende der Eindeutigkeit, Hamburg 1992 (auchFischer-Taschenbuchausgabe,Frankfurt 1995); Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust,Hamburg1992 (Taschenbuchausgabe, Hamburg 2002); Postmoderne Ethik, Hamburg1995;Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen,Hamburg1997; Unbehagen in der Postmoderne, Hamburg 1999. Zu Bauman vgl. dasArbeitsbuch: M. Junge/Th. Kron (Hg.), Zygmunt Bauman. Soziologiezwischen Postmoderneund Ethik = UTB 2221, Opladen 2002 (Lit.).Vgl. W. Lech/G. Schwind(Hg.), Das Ende der alten Gewissheiten. Theologische Auseinandersetzungmit derPostmoderne, Mainz 1973.Vgl. dazu den wichtigenDiskussionsband: P. Koslowski/R. Schenk (Hg.), Ambivalenz –Ambiguität – Postmodernität.Begrenzt Eindeutiges Denken = Collegium Philosophicum 5, Stuttgart 2004.Vgl. dazu K. Lehmann,Glauben bezeugen, Gesellschaft gestalten, Freiburg i. Br. 1993, 43ff.,142ff.u.ö.Vgl. dazu E.Schockenhoff, Art. Konkupiszenz, in: Lexikon für Theologie undKirche, Bd. VI.,3. Aufl., Freiburg i. Br. 1997, 271-274; dazu außer denbekannten Arbeiten vonK. Rahner, J. B. Metz, B. Stoeckle, H. Hoping, Freiheit im Widerspruch.EineUntersuchung zur Erbsündenlehre im Ausgang von I. Kant,Innsbruck 1990; Chr.Böttigheimer, Der Mensch im Spannungsfeld von Sündeund Freiheit. Dieökumenische Relevanz der Erbsündenlehre, St. Ottilien1994; immer noch wichtigist G. Siewerth, Die christliche Erbsündenlehre, Einsiedeln1964, 51ff., 74ff.J. B. Metz, Konkupiszenz,in: Handbuch Theologischer Grundbegriffe, hrsg. von H. Fries, Bd. I,München1962, 843-851, hier 848.Vgl. dazu auch dasSonderheft "Wirklichkeit. Wege in dieRealität“ der Zeitschrift"Merkur“ 59(2005), Heft 9/10.In diesem zweiten unddritten Teil sind nur wenige Anmerkungen angebracht, die das Gesagteweitgehendvon eigenen umfangreicheren Arbeiten her zu den jeweiligen Themengenauerbeleuchten können und auch wiederum viele Literaturhinweiseenthalten. ZurGesamtsicht vgl. immer noch K. Lehmann, Neuer Mut zum Kirchesein,Freiburg i.Br. 1982 u.ö.; Evangelium und Dialog, in: E. Kleindienst/G.Schmuttermayr(Hg.), Kirche im Kommen. Festschrift für Bischof JosefStimpfle, Frankfurt-Berlin1991, 401-422.Dazu K. Lehmann, ZurSakramentalität der Ehe, in: F. Henrich/V. Eid (Hg.), Ehe undEhescheidung,München 1972, 57-71; K. Rahner, Über die Sakramenteder Kirche, 2. Aufl.,Freiburg i. Br. 1991; K. Lehmann, Was ist uns ein Sakrament wert? ZurNot dergegenwärtigen Pastoral der Sakramente zwischen Laxismus undRigorismus, in:Klerusblatt. Zeitschrift der katholischen Geistlichen in Bayern und derPfalz71 (1991), 219-223; auch in: Pastoralblatt für dieDiözesen Aachen, Berlin, Essen,Hildesheim, Köln, Osnabrück, Heft 2, Februar 1992,34-44; D. Emeis u.a. (Hg.),Grundriss der Gemeinde- und Sakramentenkatechese, München2001; F.-P.Tebartz-van Elst, Handbuch der Erwachsenentaufe, Münster 2002. Vgl. K. Lehmann, Die Kirchein der pluralistischenGesellschaft, in: Renovabis faciem terrae. Kirchliches Leben in Mittel-undOsteuropa an der Jahrtausendwende (Festschrift für  P.Eugen Hillengass SJ), hrsg. v. G. Albertund J. Oeldemann, Trier 2000, 19-28; "Wächter, wielange noch dauert die Nacht?“Zum Auftrag der Kirche angesichts verletzlicher Ordnungen inGesellschaft undStaat = Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 18, Bonn 1998.Dazu M. N. Ebertz,Erosion der Gnadenanstalt? Zum Wandel der Sozialgestalt von Kirche,Frankfurt1998.Vgl. K. Lehmann,Religionsfreiheit und staatliche Neutralität, in: FreiburgerUniversitätsblätter 40 (2001), 5-13 (Heft 154);Ders., Das Kreuz alsHerausforderung, in: H. Maier (Hg.), Das Kreuz im Widerspruch. DerKruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes in der Kontroverse =Quaestiones disputatae 162, Freiburg i. Br. 1996, 109-120. Vgl. dazu K. Lehmann, DerFundamentalismus alsHerausforderung für Theologie und Kirche, in: FundamentalismusalsHerausforderung an Staat, Kirche und Gesellschaft = EssenerGespräche 33,Münster 1999, 63-85 (Lit.); Fundamentalismus als Versuchung,in: Gerhard Schick(Hg.), Wirtschaftsordnung und Fundamentalismus. Dokumentation zurgleichnamigenTagung der Stiftung Marktwirtschaft am 12. und 13. Dezember 2002 inHinterzarten(Schwarzwald), Berlin 2003, 19-37 (Lit.).Dazu K. Lehmann, Glaubenbezeugen, Gesellschaft gestalten, 101-136.Vgl. K.Lehmann, Vom Dialog als Form der Kommunikation undWahrheitsfindung in der Kirche heute = Der Vorsitzende der DeutschenBischofskonferenz17, Bonn 1994; Dialog, in: Lexikon neuer religiöser Gruppen,Sekten undWeltanschauungen, Freiburg i. Br. 2005, 239-245.J. Fest, Dieschwierige Freiheit, Berlin 1993, 11.DazuK. Lehmann, Die Herausforderung des Katholischen. Über eineFehlanzeige imökumenischen Dialog, in: Kirche Kultur Kommunikation. PeterHenrici zum70.Geburtstag, hrsg. v. U. Fink und R. Zihlmann, Zürich 1998,109-121;Katholizismus, in: Lexikon Theologie, Stuttgart 2004, 170-174 (Lit.).Vgl. Dazu K. Lehmann, Glaubenbezeugen, Gesellschaft gestalten, Freiburg i. Br. 1993, 531ff.; SignalederZeit – Spuren des Heils, Freiburg i. Br. 1983, 130-149. Dazu ausführlich K.Lehmann, "Gott ist größer als derMensch“ = Der Vorsitzende der DeutschenBischofskonferenz 20, Bonn 2005 (Lit.). Vgl. K. Lehmann, Kircheals "Sinnstiftungsagentur“? Zur Aufgabe von Glaubeund Kirche in Gesellschaftund Staat heute, hrsg. von der Kath. Akademie in Berlin, Leipzig 1994,20-37. Vgl. K. Lehmann,"Wächter, wie lange noch dauert dieNacht?“ Zum Auftrag der Kirche angesichtsverletzlicher Ordnungen in Gesellschaft und Staat = Der Vorsitzende derDeutschen Bischofskonferenz 18, Bonn 1997. Vgl. K. Lehmann, SpurenGottes in der pluralistischen Gesellschaft, in: Regnum.Schönstatt international– Reflexion und Dialog 36 (2002) Nr. 3, 99-106.Vgl. K. Lehmann, DieZeit, die uns davonläuft. Zur Unterscheidung der Geister amBeispiel derZeiterfahrung, in: F. Bitz / M. Speck (Hg.), Im Mittelpunkt: Respublica,München 2002, 288-292; auch: Die Zeit, die unsdavonläuft. Erläuterung einerDimension in der Signatur unserer Gesellschaft, in: Hesse (Hg.),Zukunftsfragender Gesellschaft. Vorträge des Symposions vom 16. Februar2001, Stuttgart 2001(Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse/AkademiederWissenschaften und Literatur Nr.2/2001), 11-15. Zur Unterscheidung derGeistervgl. als erste Hinführung D. Mieth, Art. Unterscheidung derGeister, in: Lexikonfür Theologie und Kirche, Bd. X, 3. Aufl., Freiburg i. Br.2001, 444f. (Lit.).Vgl. dazu viele Studienzur Überlieferung und Interpretation der Unterscheidung derGeister, z.B. Chr.Benke, Unterscheidung der Geister bei Bernhard von Clairvaux,Würzburg 1991; G.Summa, Geistliche Unterscheidung bei Johannes Cassian,Würzburg 1992; C. Roth,Discretio spirituum, Würzburg 2001 (alle in der Reihe Studienzursystematischen und spirituellen Theologie, Bd. 4, Bd. 7, Bd. 33).Ausführlicher dazu K.Lehmann, Hat das Christentum Zukunft?, 38-50.

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