Was hält die Gesellschaft im Innersten zusammen? Dieser Frage ging der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, am Mittwochabend (12. Mai) in einem Vortrag bei der Stiftung "Liberales Netzwerk" in Bielefeld nach. "Bei aller Anerkennung des faktisch vorhandenen Wertepluralismus in den modernen Gesellschaften, der auch und gerade in den Verfassungen Rücksicht erfordert, ist die Frage nach gemeinsamen Maßstäben des menschlichen Zusammenlebens unverzichtbar", betonte Kardinal Lehmann. Jede Gesellschaft brauche lebensnotwendig "Werte". Nur die innere Festigkeit einer Gemeinschaft könne dauerhaft das Überleben von Glaubensüberzeugungen und Lebensanschauungen gewährleisten.
Auch wenn der Staat nicht über das konkrete Ethos der Bürger befinden könne, so müsse er sich "für die Anerkennung besonders gefährdeter Grundwerte, zum Beispiel Leben als höchstes Rechtsgut, einsetzen und darf die sittlichen Grundüberzeugungen nicht schlechterdings dem Einzelnen überlassen". Er teile diese Aufgabe mit anderen gesellschaftlichen Kräften, wie zum Beispiel Medien, Verbänden, Parteien, Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen. Die Kirchen hätten dabei "keine Monopol-Verpflichtung" für die Sorge um die Grundwerte. Indem sie aber die Auseinandersetzungen in Staat und Gesellschaft verfolgen und sich bemühen, mitzugestalten und mitzubestimmen, sind die Kirchen "kritische Begleiter und Wächter, damit die sittlichen Maßstäbe und die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens nicht unter die Räder kommen." Angesichts eines sich wandelnden Wertbewusstseins habe die Kirche "als ein geschichtlich erfahrener Lebensraum, in dem sich immer wieder Altes und Bewährtes mit Neuem und Fremdem verband, hier zweifellos eine besondere Chance", so Lehmann.

Die Stiftung "Liberales Netzwerk" ist ein bundesweiter und parteiübergreifender Zusammenschluss. Aus der Grundüberzeugung, dass jeder Bürger sein Leben eigenverantwortlich bestimmen solle, setzt sie sich für eine Stärkung liberaler Positionen in Politik und Gesellschaft ein.