| Pressemeldung | Nr. 094b

Grußwort von Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz, an Papst Benedikt XVI. bei der gemeinsamen Audienz der 1. Gruppe der Deutschen Bischöfe bei ihrem Ad-Limina-Besuch am 10. November 2006 im Vatikan

Es gilt das gesprochene Wort!

Heiliger Vater,

wir freuen uns und danken Ihnen, dass Sie nun die erste Gruppe der deutschen Bischöfe anlässlich unseres Ad-Limina-Besuches gemeinsam empfangen und einige Worte an uns richten. Wir konnten ja schon fast alle mit Ihnen jeweils persönlich sprechen.

Wir bilden die erste Gruppe. 34 Bischöfe, Diözesan- und Weihbischöfe (einschließlich des Diözesanadministrators von Görlitz), stammen aus vier Metropolien, nämlich Berlin (mit Dresden-Meißen und Görlitz), Freiburg (mit Mainz und Rottenburg-Stuttgart), Hamburg (mit Hildesheim und Osnabrück) und Paderborn (mit Erfurt, Fulda und Magdeburg). Außerdem ist das Bistum Limburg bei unserer Gruppe. Wir sind also 14 von 27 Bistümern, darunter ist Freiburg mit 2,1 Mio. Katholiken die größte (Erz-)Diözese und Görlitz stellt mit 32.000 Katholiken das kleinste Bistum dar. Unter uns sind die vier flächenmäßig größten Diözesen unseres Landes: Hamburg (33.000 qkm), Berlin (31.000 qkm) Hildesheim (30.000 qkm) und Magdeburg (23.000 qkm). Das Verhältnis der Einwohner bzw. Katholiken zur Größe ist sehr verschieden. So erstreckt sich z. B. das Bistum Görlitz mit »nur« 32.000 Katholiken auf eine große Fläche (9.700 qkm). Vergleichsweise hat Köln 6.100 qkm und Essen 1.800 qkm. Der Bereich der neuen Bundesländer (ehemalige Deutsche Demokratische Republik) gehört zu drei Erzbistümern, nämlich zu Berlin, Hamburg und Paderborn.

Wir dürfen gerade in den letzten Jahren auf manche Verluste, aber auch erfreuliche Entwicklungen zurückschauen. Wir haben sehr viele ehrenamtlich tätige Laien, die die Priester vor allem in den Verwaltungsaufgaben wirksam entlasten. Die Ständigen Diakone, Pastoralreferenten und Gemeindereferenten ergänzen auf fruchtbare Weise die pastorale Tätigkeit der Priester. Die organisierte Caritas gibt in allen gesellschaftlichen Feldern ein eindrucksvolles Beispiel der Nächstenliebe, nicht zuletzt auch mit anderen Trägern in den Kindergärten, Sozialstationen, Krankenhäusern, Altenheimen und vielen anderen Einrichtungen. Dazu gehört auch die intensive Sorge um die zahlreichen Katholiken einer anderen Muttersprache in unserem Land, die einerseits viele eigene Pfarreien haben, andererseits aber auch in weiten Teilen sich zugleich in unseren Pfarreien integrieren. Erwähnen möchte ich noch die Treue sehr vieler Katholiken zu den weltweiten Bischöflichen Hilfswerken und die große Nachfrage nach den anerkannten katholischen Schulen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch den hohen Einsatz vieler Religionslehrerinnen und Religionslehrer, aber auch die Leistungen der wissenschaftlichen Theologie mit ihren vielen Disziplinen.

Die Ökumene schenkt uns eine große christliche Gemeinsamkeit, ist jedoch auch schwieriger geworden. Das Gespräch mit dem Judentum und den nichtchristlichen Religionen, besonders dem Islam, ist intensiver geworden.

Wir spüren freilich auch viel Gegenwind. Ich möchte vor allem folgende Defizite nennen: 1.) Der Sinn für Gott, ja für die Transzendenz, ist bei vielen Menschen wie ausgetrocknet. Sie sprachen mit Recht bei Ihrer Münchener Predigt am 10. September 2006 von der „Schwerhörigkeit“ des Menschen gegenüber dem Dasein und Wirken Gottes. 2.) Die Wirklichkeit der Familie hat sich in Vielem grundlegend geändert. Ehe und Familie werden auseinandergerissen. Man spricht von „neuen familialen Lebensformen“, die mit Ehe nichts zu tun haben. 30 Prozent der Kinder werden bereits außerhalb der Ehe geboren. Die Kinderlosigkeit und die düstere demographische Zukunft bedrücken uns und schaffen schwere Probleme für die sozialen Sicherungssysteme. 3.) Trotz vieler Mühen ist der Gottesdienstbesuch in den letzten Jahren stetig gesunken. Er beträgt im Blick auf das Jahr 2005 14,2 Prozent, wenn auch die Unterschiede zwischen den Diözesen bzw. Regionen recht groß sind. 4.) Am meisten bedrückt uns die geringe Zahl der geistlichen Berufungen, sowohl zum Diözesanklerus, als auch zu den Ordensgemeinschaften, und hier besonders im Blick auf die Frauenorden, die besonders in den letzten 150 Jahren größte Dienste für die Menschen geleistet haben.

Wir stemmen uns mit unseren Kräften gegen diese Entwicklungen. Gegen alle düsteren Zeichen geben wir die Hoffnung nicht auf, dass unser Glaube auch in Zukunft immer wieder Menschen gewinnen kann. Wir haben dafür in den letzten Jahren auch einige wichtige gute Anzeichen. Wir haben einen Rückgang der Kirchenaustritte und einen verstärkten Wiedereintritt in die Kirche; die Zahl der Erwachsenentaufen ist, besonders auch in den neuen Bundesländern, beträchtlich gestiegen; die Zahl der Konversionen hat zugenommen. Wir verdanken diese Hoffnungszeichen auch dem eindrucksvollen Leiden und Sterben Ihres Hochverehrten Vorgängers, Papst Johannes Pauls II., Ihrer Wahl als einem Papst deutscher Herkunft, dem Weltjugendtag im August 2005 in Köln und nicht zuletzt auch Ihrem Pastoralbesuch in Bayern vom 09. bis 14. September 2006.

Wir danken Ihnen für diese Ermutigung. Sie hat wohl auch dazu geführt, dass die Zahl der Studienanfänger zum Priestertum in diesem Herbst in vielen Diözesen spürbar gestiegen ist. Es scheint auch, dass nicht wenige Menschen ein neues Bedürfnis nach einer Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens aus dem Glauben erwarten, so dumpf und unklar auch die „Wiederkehr des Religiösen“ in vieler Hinsicht sein mag. Sie führt nicht automatisch in die Kirche, aber wir öffnen uns weit im Sinne einer Einladung. Im übrigen suchen die Menschen nach verlässlichen Motiven für ihr individuelles und gesellschaftliches Handeln, gerade wenn ihnen oft viel an Verzicht und Neuanfang abverlangt wird (vgl. auch die Frage nach den „Werten“ und einer „Leitkultur“).

Wir wissen, dass dies alles verletzliche Zeichen sind. Wir wollen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Aber wir sind doch froh und dankbar für die positiven Anstöße, die wir erhalten und die wir weiterpflegen werden. Unsere Bemühungen um ein neues, vertieftes missionarisches Bewusstsein der Christen und der Kirche (seit 2000) ist ein wichtiger Weg dazu. Nochmals sagen wir Ihnen ein herzliches Vergelt's Gott für vielfache Unterstützung. Dadurch ist auch – und dies ist nicht die geringste Gabe – ein waches, auf seine Weise auch offenes Selbstbewusstsein unter den katholischen Christen gewachsen.

Nun wird der Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, noch einige Worte sagen zur Situation in der Bundeshauptstadt und in den neuen Ländern.

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