| Pressemeldung

Gemeinsame Konferenz: Hilfe für schwangere Frauen durch strafrechtlichen Schutz für das ungeborene Kind ergänzen

Die Gemeinsame Konferenz von Deutscher Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat auf ihrer Frühjahrssitzung am 19. April 1991 in Bonn eine Erklärung zur Diskussion um die rechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs abgegeben. Die Erklärung der Gemeinsamen Konferenz, der je 12 Vertreter von Deutscher Bischofskonferenz und ZdK angehören, hat folgenden Wortlaut:


Der Einigungsvertrag eröffnet die Chance, das Lebensrecht ungeborener Kinder in ganz Deutschland besser zu schützen und die Hilfe für Frauen und Familien, die durch Schwangerschaften in Notsituationen geraten sind, nachhaltig zu verbessern. Die Fristenregelung der ehemaligen DDR, deren Gesetz von 1972 ein eindeutiges Produkt des SED-Unrechtssystems ist, aber auch die Indikationenregelung der Bundesrepublik, die in der Praxis zu einer de-facto-Fristenregelung geführt hat, sollten im Sinne dieses Zieles abgelöst werden. Diese Chance darf jetzt nicht vertan werden. Es besteht die Gefahr, daß das Rechtsbewußtsein und die Rechtssicherheit in unserem Land an entscheidender Stelle und mit sehr tiefgehenden Auswirkungen getroffen werden. Die Tatsache, daß die Tötung eines Kindes Unrecht ist, darf nicht verdrängt werden.

Im Grundgesetz bekennt sich die Bundesrepublik Deutschland zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft. Unter allen Rechten des Menschen kommt dem Recht auf Leben eine besondere, fundamentale Bedeutung zu. Es ist unbestreitbar, daß dieses Recht auf Leben auch dem ungeborenen Kind zusteht. Der Rechtsstaat ist verpflichtet, das menschliche Leben in jeder Phase seiner Existenz zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat 1975 klargestellt, daß das Kind im Mutterleib ein Recht auf Leben hat und daß die Schutzpflicht des Staates gebietet, sich schützend und fördernd vor das ungeborene Kind zu stellen. Es hat auch festgestellt, dass dieser Lebensschutz grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren hat und nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden darf.

In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder versucht, den Abbau des Rechtsschutzes für das Leben des ungeborenen Kindes mit der Formel „Helfen statt Strafen“ zu rechtfertigen. Dies ist eine unzulässige Gegenüberstellung. Zwischen „Helfen“ und „Strafe“ darf kein Gegensatz hergestellt werden. Umfassende Hilfen bei Schwangerschaftskonflikten und zur Stärkung der Familie, sowie strafrechtlicher Schutz für das ungeborene Kind ergänzen einander. Beratung ist hierbei unverzichtbar und wird gerade von der Kirche nachhaltig unterstützt und selber geleistet.

Wir weisen auch heute wieder darauf hin, wie wichtig es ist, durch die Familien- und Sozialpolitik die Rahmenbedingungen für das Leben mit Kindern nachhaltig zu verbessern. Dazu gehören unter anderem das Erziehungsgeld und der Erziehungsurlaub mit Beschäftigungsgarantie, bedarfsgerechte und flächendeckende Angebote für unterschiedliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Kindergartenplätze. Hilfen zur Vermittlung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen sind genau so wichtig wie zur Vermittlung geeigneter Wohnungen, und die Wohnungsversorgung einschließlich der Wohngeldgewährung für Frauen, Alleierziehende und Familien in Notsituationen bedarf der Verbesserung. Auch der Ausbau der Müttergenesung, der Familienpflege und der Hilfe für Alleinerziehende sowie die Ausschöpfung der Möglichkeiten, die das Adoptionsrecht eröffnet, sind hier zu  nennen. Nachdrücklich bekräftigt die Gemeinsame Konferenz die Bedeutung der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ sowie der entsprechenden Landesstiftungen. Ihre Hilfen machen in Verbindung mit anderen familien- und sozialpolitischen Leistungen eine Ergänzung und Abstimmung von Unterstützungen auf den Einzelfall möglich. Erneut fordern wir auch eine entscheidende Verbesserung des Familienlastenausgleichs. Sie ist ein Gebot der Gerechtigkeit und eine der Voraussetzungen für eine kinderfreundliche Gesellschaft. Das Ziel, für jedes Kind in Höhe des Existenzminimums von zur Zeit etwa 500,-- DM Steuerfreiheit in der Lohn- und Einkommenssteuer oder eine vergleichbare Leistung staatlicher Förderung zu gewähren, muß bald erreicht werden. Es gilt aber immer wieder darauf hinzuweisen, daß weder familienpolitische und soziale Rahmenbedingungen allein noch die Mittel des Strafrechts allein dem ungeborenen Kind einen wirkungsvollen Lebensschutz sichern können.

Die Gemeinsame Konferenz ruft alle in unserem Land, die dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde dienen wollen, auf, sich dafür einzusetzen, daß der Rechtsschutz für die ungeborenen Kinder spürbar verbessert, nicht aber weiter verringert oder sogar völlig aufgehoben wird. Unser Appell richtet sich besonders an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und in ganz besonderem Maße an alle Abgeordneten und Parteien, die sich ausdrücklich unter einen christlichen Anspruch stellen. Wir verhehlen nicht unsere Enttäuschung darüber, daß aus diesem großen politischen Bereich statt einmütiger und entschlossener Abwehr aller Vorschläge für jede Art von Fristenregelung bislang vorwiegend Schweigen oder verwirrende und widersprüchliche Äußerungen zu dieser zentralen Aufgabe einer Gesellschaft, die sich zur Wahrung der Menschenwürde bekennt, zu vernehmen sind. Dies entspricht weder der Verantwortung, die wir den christlichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag nach Zahl und Bedeutung zumessen, noch dem Gebot der Verfassung, die den Parteien aufträgt bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Gemeinsame Konferenz hofft,  daß den ungeborenen Kindern das Menschenrecht auf Leben gesichert sowie den Frauen und Familien die notwendigen Hilfen zuteil werden.


Bonn, den 19. April 1991

Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz          
Pressestelle des Zentralkomitees der deutschen Katholien (ZdK)

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz