| Pressemeldung | Nr. PRD-063

"Gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden" - Veranstaltung aus Anlass von 40 Jahren entwicklungspolitischer Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen am 9. September 2002 in Bonn

Grußwort von Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau Bundesministerin Wieczorek-Zeul, Exzellenzen, meine Damen und Herren,
Herr Bundespräsident, Präses Kock, der Ratsvorsitzende und ich danken Ihnen mit allen für diese bemerkenswerte Rede.
Das Modell der Zentralstellen ist Ausfluss des in Deutschland über lange Zeiten gewachsenen und erprobten Verhältnisses von Staat und Religion. Es beruht auf einer Trennung von Staat und Kirche, ebenso aber auf der beiderseitigen Bereitschaft zur Kooperation im Interesse des einzelnen Bürger, aber auch öffentlicher Angelegenheiten. Im Hinblick auf die Arbeit der kirchlichen Zentralstellen bedeutet dies: Sie nehmen öffentliche Aufgaben wahr, Aufgaben also, die im Interesse des Gemeinwohls stehen und für die der Staat sich selbst in der Verantwortung weiß. Doch bleiben die Zentralstellen in der Auswahl der Projekte selbständig und werden nicht durch politische Auflagen gegängelt. Auf der Grundlage dieser Konstruktion hat der Bund den Kirchen in den zurückliegenden 40 Jahren über 4,2 Milliarden Euro für entwicklungspolitische Vorhaben zur Verfügung gestellt und damit mehr als 13.000 Projekte mitfinanziert. Dafür danken wir.
Wir können heute feststellen, dass diese Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen einen erfolgreichen Verlauf genommen hat. Über Jahrzehnte hinweg konnte im Süden, später auch im Osten unzähligen Menschen geholfen werden, die in unwürdigen Verhältnissen leben müssen und denen oft buchstäblich das "tägliche Brot" versagt wird. Die Zentralstellen haben sich aber auch insofern bewährt, als sie zu einem gut funktionierenden Mechanismus der Kooperation geworden sind - und zwar unabhängig von der politischen Farbe der jeweiligen Bundesregierungen. Schon bald konnten die von manchen anfänglich gehegten Befürchtungen zerstreut werden, dass die Kirchen durch dieses Instrument zu Handlangern der Regierung und politisch instrumentalisiert würden, und es entwickelten sich ein von Vertrauen getragenes Miteinander und ein tragfähiger Grundkonsens.
Zu diesem Grundkonsens gehört vor allem auch die Einsicht, dass Fortschritte in der Bekämpfung der Massenarmut auf das Zusammenwirken aller interessierten Kräfte in unserer eigenen Gesellschaft angewiesen sind. Wir nehmen dankbar in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass Deutschland in Johannesburg bereit war, sich für weitergehende Lösungen im Interesse der Armen einzusetzen. In jedem Falle dürfte jedem in diesen Tagen erneut deutlich vor Augen getreten sein, wie notwendig solche Allianzen der Solidarität sind, um die Belange der Armen im Spiel der Kräfte zu behaupten.
In diesem Kontext möchte ich darauf hinweisen, dass nach Auffassung der Kirchen auch in Zukunft ein eigenständiges Entwicklungsministerium erhalten bleiben muss. Alle anderen Lösungen, wie sie in zur Zeit da und dort diskutiert werden, laufen auf eine Abwertung dieses Politikbereichs und damit auf eine Schwächung der Interessen der weltweit Armen in der deutschen Politik hinaus. Wer Entwicklung und Armutsbekämpfung anstrebt, kann dies nicht wollen.
Wenn ich von der Notwendigkeit des gemeinsamen und partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Staat und Kirchen in der Entwicklungszusammenarbeit gesprochen habe, so muss dieser Gesichtspunkt noch etwas differenziert werden. Denn die Kirchen sind zwar durch die Zentralstellen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beteiligt, sie tun jedoch nicht einfach das Gleiche, was auch Staat bzw. Regierung mit deren eigenen Mitteln erledigen könnten. Durch ihre Partner vor Ort nämlich sind die Kirchen auf der Basis- oder Graswurzelebene nahe an Armengruppen, die auf dem Wege der Kooperation zwischen den Regierungen nicht oder nur sehr viel schwieriger in Entwicklungsprozesse einbezogen werden könnten. Die Kirchen sind bemüht, in ihren Projekten die Selbsthilfekräfte der Armen zu stärken und zu mobilisieren, damit diese selbst zu Trägern von Entwicklung werden können. Hier ist ein wichtiger Gesichtspunkt des christlichen Menschenbildes berührt; denn wir sind davon überzeugt, dass es zur Würde jeder menschlichen Person gehört, nicht bloßes Objekt anonymer und subjektloser Prozesse zu sein, sondern durch eigene Anstrengungen ihr Leben aufzubauen und zum Mitgestalter der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu werden.
Kirchliche Projekte unterstützen deshalb besonders auch die soziale und politische Selbstorganisation der Armen - eine Aufgabe, die bei den Privilegierten und Machteliten in vielen Entwicklungsländern auf verständlichen Widerstand stößt und deshalb im Rahmen der entwicklungspolitischen Regierungszusammenarbeit nicht oder nur schwer zu verwirklichen ist. Die Kirchen, die über ein weltweites Netz von Partnerstrukturen verfügen, haben auf diesem Feld des Aufbaus zivilgesellschaftlicher Strukturen besondere Chancen.
Die vier Jahrzehnte der Entwicklungszusammenarbeit haben gezeigt, dass der Einsatz dafür mühsam und langwierig ist. Aber es gibt keinen Grund zur Resignation, und es ist bekannt, dass die Kirchen über einen langen Atem verfügt. Dies hat mit unserem Glauben zu tun. Gerne versichere ich Ihnen allen, dass wir mit diesem langen Atem auch künftig wie bisher mit all jenen zusammenarbeiten wollen, die sich die Überwindung weltweiter Ungerechtigkeit und Friedlosigkeit auf ihre Fahne geschrieben haben.

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