| Pressemeldung | Nr. 016a

Forum „Hier beginnt die Zukunft – Perspektiven für Ehe und Familie“ mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen am 7. Februar 2006 in der Katholischen Akademie Berlin

Statement von Georg Kardinal Sterzinsky, Vorsitzender der Kommission Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Bundesministerin von der Leyen,

ich begrüße Sie sehr herzlich zu diesem Gesprächsforum, zu dem wir Sie heute Abend im Rahmen der Initiative „Hier beginnt die Zukunft: Ehe und Familie“ der Deutschen Bischofskonferenz eingeladen haben.

Ziel unserer Initiative ist es, das kirchliche Engagement für Ehe und Familie zu bündeln und zu einer starken Lobby für Ehe und Familie zu machen. Es soll deutlich werden, dass die katholische Kirche sich für Ehe und Familie tatkräftig einsetzt und daher ein kompetenter Ansprechpartner für alle ist, denen Ehe und Familie in ähnlicher Weise am Herzen liegen.

Nicht zuletzt deshalb ist es mir eine besondere Freude, Sie, verehrte Frau Bundesministerin von der Leyen, in unserem Kreis willkommen zu heißen. Sie haben diese Einladung, miteinander ins Gespräch zu kommen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt Ihrer Amtszeit angenommen und ich weiß, dass Sie dieser Veranstaltung die Präferenz vor einer langen Reihe anderer Einladungen und Termine eingeräumt haben. Wir fühlen uns dadurch geehrt und in unserem Anliegen ernst genommen. Zugleich hoffen wir, Ihnen auf diese Weise auch viel von unseren Anliegen mit auf den Weg geben zu können. Insbesondere jedoch wünschen wir uns, dass Sie den Eindruck mitnehmen, im Bereich der katholischen Kirche tatsächlich hilfreiche Unterstützung und kompetenten Rat zu finden, wenn es um die Belange von Ehe und Familie geht.

Sie werden nachher noch einige Worte zu Ihren Perspektiven für die zukünftige Familienpolitik sagen und wir werden sicher gut darüber ins Gespräch kommen. Vertreter verschiedener Bereiche der katholischen Ehe- und Familienarbeit werden mit kurzen Impulsen aus ihrer jeweiligen Perspektive das Gespräch ergänzen.
Eröffnen jedoch möchte ich den Abend damit, einige zentrale Anliegen der katholischen Kirche an die Familienpolitik zu formulieren, die uns derzeit besonders dringlich erscheinen. Genannt und knapp erläutert seien an dieser Stelle vier Stichworte:

  • Armutsprävention
  • Kinderfreundlichkeit und Generationensolidarität
  • Bildung und Erziehung
  • Ehe.

Armutsprävention
Wer Verantwortung für eine Familie trägt, weiß um die finanziellen Belastungen, die damit verbunden sind. Viele Familien leben unter schwierigen ökonomischen Bedingungen. Hohe Lebenshaltungskosten und Arbeitslosigkeit führen häufig zu einer Situation, in der es „hinten und vorne nicht reicht“. Nach Angaben des Kinderschutzbundes beziehen derzeit 1,53 Millionen Kinder unter 15 Jahren Grundsicherungsleistungen. Nimmt man die Jugendlichen bis 18 Jahre hinzu, dann ist davon auszugehen, dass rund 2 Millionen Kinder in Deutschland Leistungen nach Sozialgesetzbuch II und Sozialgesetzbuch XII beziehen. Die Hartz-Reformen haben hier die befürchteten Auswirkungen gezeigt. Der zur Kompensation eingeführte Kinderzuschlag ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem noch nicht aus. Gerade für Familien mit mehreren Kindern ist die Solidargemeinschaft besonders gefordert. Sie muss helfen, Armut zu verhindern. Die Gesellschaft ist um ihrer selbst willen darauf angewiesen, dass diese Kinder gute Entwicklungsbedingungen vorfinden.

Die Folgen der Kinderarmut reichen weit. Kinder, die in Armut groß werden, haben häufig schlechtere Lebensperspektiven. Viele wachsen vernachlässigt auf, manche in einem Umfeld von Gewalt, viele sozial isoliert und mit wenig Selbstvertrauen. Wer die Folgen der Kinderarmut bekämpfen will, muss Familien dabei unterstützen, eigene vorhandene Ressourcen zu aktivieren.

Kinderfreundlichkeit und Generationensolidarität
Der häufig genannte demographische Wandel beruht bekanntlich auf zwei Hauptfaktoren: einer zu geringen Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung. Die geringe Geburtenrate ist nicht nur wegen der negativen ökonomischen Auswirkungen eines Schrumpfens der Bevölkerung problematisch, sondern besonders, weil eine Gesellschaft ohne Kinder auch im allgemeinen und übertragenen Sinn verarmt. Beide Entwicklungen – steigende Lebenserwartung und Bevölkerungsrückgang – stellen eine Herausforderung an eine solidarisch ausgerichtete Gesellschaft dar.

Die Zahl der Geburten wird sich nur erhöhen, wenn Eltern mit mehr Zuversicht als bisher davon ausgehen dürfen, dass die Gesellschaft ihre Kinder mit deutlich spürbarer Sympathie aufnimmt – spürbar in den verschiedenen Bereichen des Lebens von der Arbeitswelt bis zur Wohnungssuche. Dass deutsche Gerichte die Schließung von Kindertagesstätten veranlassen, weil diese als unzumutbare Lärmbelästigung eingestuft werden, ist ein Alarmsignal, dass die Maßstäbe nicht stimmen.

Ein bedeutender Faktor für die Lebensqualität älterer Menschen ist der Kontakt zu den jüngeren Generationen und damit verbunden das Gefühl, dazuzugehören und eingebunden zu sein. Dabei gibt es auch eine Fülle von generationenspezifischen Interessen, die miteinander ausgeglichen werden müssen, angefangen vom Generationenvertrag in der Rentenversicherung bis zur Einrichtung einer Spielstraße. Es ist entscheidend für unsere Zukunft, hier nicht den Gedanken des Konflikts, sondern den Gedanken der Solidarität stark zu machen.

Bildung und Erziehung
Durch ihre Erziehungsleistung legt die Familie das Fundament für alle weitere Bildung des Menschen. Familie ist deshalb die erste und schlechthin fundamentale Erziehungs- und Bildungsinstitution.

Auch dies wird eine künftige Familienpolitik verstärkt in den Blick zu nehmen haben, und sie wird ihre Bemühungen darauf richten müssen, dass die Familien zur Erfüllung ihrer Aufgaben befähigt werden. Rücksicht auf die Tatsache, dass Familien gemeinsame Zeit brauchen, ist hier ebenso gefordert wie die Förderung und Weiterentwicklung niederschwelliger Angebote der Familienbildung. Wichtig ist hier nicht nur, neue Angebote zu entwickeln, sondern auch die bestehenden Angebote und Institutionen von der Kindertagesstätte über die Beratungsstellen bis zu den Familienbildungsstätten noch viel besser miteinander zu vernetzen.
Nicht zuletzt sollten Kindertagesstätten, Schulen und andere Bildungsinstitutionen die Eltern noch mehr als bisher als ihre Partner in die Erziehungs- und Bildungsprozesse einbeziehen.

Ehe
Während es mittlerweile kaum noch jemanden gibt, der die Bedeutung der Familie anzweifelt, wird die Ehe im gesellschaftlichen Diskurs nach wie vor unter Wert gehandelt. Wie eng etwa die verlässliche Partnerschaft und die Verwirklichung des Kinderwunsches zusammen hängen, hat zuletzt eine Umfrage des Allensbach-Instituts verdeutlicht. 84 Prozent der Befragten nannten als Voraussetzung, die unbedingt erfüllt sein sollte, bevor ein Kinderwunsch realisiert wird, dass die Partnerbeziehung stabil ist.

Die Ehe als dauerhafter personaler Bund von Mann und Frau ist eine feste Institution, die den geeigneten Rahmen für eine verlässliche Partnerschaft und somit auch für die Familiengründung bietet. Sie steht daher völlig zu Recht unter besonderem staatlichem Schutz. Dafür sprechen auch nach wie vor die gesellschaftlichen Fakten. So war vor kurzem zu lesen: 85 Prozent der verheirateten und mit ihrem Mann zusammenlebenden Frauen zwischen 37 und 40 Jahren betreuten im März 2004 in den alten Bundesländern mindestens ein minderjähriges Kind. Bei den Frauen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft waren es 32 Prozent, bei den allein stehenden Frauen 18 Prozent. In den neuen Bundesländern ist die Familiengründung nicht so selbstverständlich mit der Ehe verbunden, der Zusammenhang ist aber immer noch signifikant. Dass Kinder überwiegend in Familien aufwachsen, die auf Ehen gründen, ist nicht als Relikt aus vergangenen Zeiten abzutun. Statt nach immer neuen Alternativen zur Ehe Ausschau zu halten, sollten wir uns öfter die Frage stellen, was wir und was auch die Familienpolitik zum Gelingen von Ehen beitragen können. Wenn die katholische Kirche sich für die Ehe einsetzt, dann tut sie das nicht aus einer nicht zeitgerechten Anhänglichkeit an überkommene Strukturen, sondern aus der festen Überzeugung, dass die Ehe eine Lebensform ist, die der Natur des Menschen zutiefst entspricht und eine großartige Chance bietet, dass sich Persönlichkeiten weiterentwickeln.

Die klaren persönlichen Bekenntnisse zur Lebensform der Ehe, die der aufmerksame Zuhörer in letzter Zeit deutlicher vernehmen kann – so etwa kürzlich von Herrn Bundespräsident Horst Köhler – sind in dieser Hinsicht ein erfreuliches Signal. Darüber hinaus muss jedoch auch darauf geachtet werden, dass der Schutz der Ehe nicht durch eine Reihe von rechtlichen Detailregelungen auf verschiedensten Gebieten allmählich immer mehr ausgehöhlt wird.

Nach diesen grundlegenden Ausführungen möchte ich abschließend noch auf ein konkretes Projekt der gegenwärtigen Familienpolitik zu sprechen kommen, an dem selbstverständlich auch im Bereich der katholischen Kirche reger Anteil genommen wird. Es handelt sich dabei um die Pläne zur Einführung eines Elterngeldes im Sinn einer Lohnersatzleistung für Eltern.

Als Instrument der Gleichstellungspolitik will es die wirtschaftliche Selbstständigkeit beider Elternteile stärken. In Verbindung mit einem quantitativ und qualitativ guten außerfamiliären Betreuungsangebot eröffnet es bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Positiv wird auch bewertet, dass das Elterngeld Familien in der für sie oft auch finanziell schwierigen Familiengründungsphase unterstützt.

Trotz dieser guten Gründe für ein Elterngeld sind aber auch kritische Anmerkungen zu dem in der Koalitionsvereinbarung skizzierten Elterngeldmodell zu beachten. Für das Elterngeld, das maximal 12 Monate bezogen werden kann, soll das bis zu 24 Monate zu beziehende Erziehungsgeld aufgegeben werden, das bisher als Familienleistung eigener Art anrechnungsfrei neben Sozialleistungen gewährt wird. Der Deutsche Caritasverband hat berechnet, dass Familien mit niedrigem oder keinem Erwerbseinkommen in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes wegen des Wegfalls der Anrechnungsfreiheit und wegen der kürzeren Bezugsdauer bei Einführung des Elterngeldes rund 7.200 EUR weniger an finanzieller Unterstützung zuteil würden als gegenwärtig.

Die Problematik einer sozialen Schieflage im Elterngeldmodell ist Grund zur Besorgnis. Es entsteht der Eindruck, dass der Fortfall des Erziehungsgeldes für die Bezieher niedriger Einkommen das Elterngeld für die Bezieher höherer Einkommen finanzieren soll. Familienpolitisch macht die Einführung eines Elterngeldes nur dann Sinn, wenn dadurch nicht ein Teil der Familien schlechter gestellt wird als vorher. Dies ist aus der Sicht der Kirche ein zentrales Anliegen. Daher erscheint es aus mehreren Gründen sinnvoll ist, das Elterngeld als eine Option neben dem Erziehungsgeld einzuführen.

So würde eine soziale Schieflage vermieden, da die Bezieher von niedrigen Einkommen Erziehungsgeld in Anspruch nehmen könnten. Das Elterngeld könnte als konsequente Einkommensersatzleistung gestaltet werden und das Elterngeldkonzept würde nicht durch soziale Komponenten in sich brüchig. Die weitere Entwicklung würde zeigen, welches Instrument in erster Linie in Anspruch genommen wird. Ich verrate Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen mitteile, dass katholische Verbände über ein derartiges Modell nachdenken. Ich würde mich freuen, wenn ein Austausch darüber uns heute auch im Rahmen dieser Diskussionsveranstaltung gelingen würde.

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