| Pressemeldung | Nr. 179

Erzbischof Zollitsch beim Jahresempfang des Katholischen Büros Niedersachsen

Christliche Impulse für eine menschenfreundliche Gesellschaft

Im Rahmen des heutigen Jahresempfangs des Katholischen Büros in Niedersachsen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, einen Festvortrag mit dem Titel „Politik ist angewandte Liebe zur Welt“ im Alten Rathaus in Hannover gehalten.

Zum einen verband Erzbischof Zollitsch diesen Titel mit seinem letzten Besuch der Landeshauptstadt Niedersachsens – einer „nicht nur lebens- sondern auch liebenswürdigen Stadt mit Tradition“ – im September: Anlässlich des von den deutschen Bischöfen 2010 initiierten Gesprächsprozesses berieten in diesem Jahr rund 300 Gläubige unter dem Motto „Die Zivilisation der Liebe – Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft“ über die Rolle und Verantwortung der Kirche in einer säkularen Gesellschaft. Im Mittelpunkt hätte die Frage nach den Gestaltungsmöglichkeiten einer menschenfreundlichen, friedlichen und solidarischen Gesellschaft gestanden. Papst Johannes Paul II. hätte für eine solche menschenfreundliche Gesellschaft den Begriff der „Zivilisation der Liebe“ geprägt.

Zudem zeigte Erzbischof Zollitsch die Verbindung zwischen seinem heutigen Vortragstitel und der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau vor zehn Jahren bei den 5. Hannah-Arendt-Tagen in Hannover auf, in der Johannes Rau das Zitat von Hannah Arendt „Politik ist angewandte Liebe zur Welt“ aufgegriffen hätte. Johannes Rau sei von einer Zielbestimmung der Politik überzeugt gewesen, die weiter als von einer Wahl zur nächsten reiche. Erzbischof Zollitsch ermutigte zur Beschäftigung mit der Frage, was eine Politik mit einer angewandten Liebe zur Welt kennzeichne. Es ginge nicht um Machterhaltung sondern um die Mitgestaltung der Gesellschaft. Hannah Arendt sei für eine Politik eingetreten, die sich am Menschen orientiert und an deren Sorgen und Hoffnungen Anteil nimmt.

Eine solche Politik setze laut Erzbischof Zollitsch die Kunst des Zuhörens voraus: „Hören und Zuhören ist ein zentraler Ausgangspunkt angewandter Liebe zur Welt, zum Mitmenschen und zum Dialog. Nur so kann man verstehen, was den Anderen bewegt. Gerade im Zeitalter einer weit verbreiteten Talkshow-Mentalität und so mancher Worthülsen, in Zeiten, in denen nicht immer die besseren Argumente, sondern allzu oft die lautere Stimme und die aufwendigeren Inszenierungen zählen, lohnt es sich besonders, Gelegenheiten des aufmerksamen Hörens, des gehört und angehört Werdens zu schaffen und zu nutzen – gerade auch im politischen Bereich. Darin liegt eine großartige Chance“, so Erzbischof Zollitsch.

Der Wettstreit der Parteien um bessere Ideen und wirksamere Konzepte, der sich in Zeiten des Wahlkampfs meist verstärke, führe nur dann zu einem guten Ziel, wenn alle zuerst hören und es eine gemeinsame Vision für die Zukunft unserer Gesellschaft gebe, die über die Steigerung des Wohlstands hinausreiche und von ethischen Werten und der unantastbaren Würde des Menschen getragen sei.

Ein bedeutendes Thema sei heute unter anderem die Schaffung von Rahmenbedingungen für Familien Ehen als Orte der Liebe und Verlässlichkeit. Familien erbrächten durch ihre Sorge für nachwachsende Generationen den entscheidenden Beitrag zum Generationenvertrag: „Es ist notwendig, dass unsere Gesellschaft wieder kinder- und familienfreundlicher wird; dass wir junge Menschen fördern und dabei unterstützen, eine Familie zu gründen. Es ist eine gute Entwicklung, wenn Eltern die Möglichkeit haben, zwischen unterschiedlichen Familienmodellen zu wählen. Auf die aktuelle familienpolitische Diskussion bezogen, erscheint es durchaus plausibel, sowohl eine finanzielle Anschlussleistung an das Elterngeld als auch einen Anspruch auf Kindertagesbetreuung zu gewähren. Es geht um das Wohl der Kinder, um Ausbildung auch im sogenannten Soft-Skills-Bereich und um die Zukunft unserer Gesellschaft“, so Erzbischof Zollitsch.

Die größte Herausforderung in der Familienpolitik sei der vereinbarte Krippenausbau. Für Länder, Kommunen, aber auch die Träger solcher Einrichtungen, zu denen auch die katholische Kirche und ihre Caritas zählen würden, wäre dies eine große Verantwortung. Es ginge nicht nur um die Betreuung, sondern Kinder müssten sich angenommen, geliebt und wertgeschätzt fühlen. Eltern seien als Experten der Erziehung ihrer Kinder ernst zu nehmen und in die Arbeit der Kindertagesbetreuungsstätten einzubeziehen, denn Kindergärten könnten die Erziehungsleistung der Eltern nicht ersetzen. Verantwortung zu übernehmen, bedeute auch Arbeit und Zeit zu investieren, böte aber auch die Chance, Ideen zu verwirklichen und die Richtung mitzubestimmen. Freie Entfaltung dürfe uns nicht die Sorge um den Nächsten vergessen lassen. Erzbischof Zollitsch dankte den anwesenden Gästen, unter denen sich neben Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister weitere Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche befanden, dass auch sie an verschiedenen Stellen Standfestigkeit beweisen, Verantwortung tragen und die Gesellschaft mitgestalten und Brücken bauen würden. In einer dynamischen Gesellschaft seien alle, Politiker, Bischofe, Wirtschaftsvertreter und Bürger gemeinsam gefordert, verantwortungsbewusst zu handeln und die Schöpfung zu bewahren. Erzbischof Zollitsch sagte: „Wir sind nicht Zaungäste der Gesellschaft, sondern Gestalter einer Zivilisation der Liebe. Wir als Kirche – und dafür steht an der Schnittstelle zur Politik in besonderer Weise das katholische Büro – wollen uns diesem Diskurs stellen, weil wir glauben, dass gerade von uns erwartet wird, nicht Politik zu machen, sondern für eine Werteorientierung in der Politik einzutreten, in deren Zentrum die Würde jedes Menschen, die Achtung der Menschenrechte, die Ausrichtung am Gemeinwohl und die Verantwortung für die Schöpfung stehen.“


Hinweis:

Untenstehend finden Sie den Festvortrag von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch als pdf-Datei zum Herunterladen.

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