| Pressemeldung

Erstes Grußwort des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender, an die Deutsche Bischofskonferenz

(Bensberg, 1. März 2004)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Herren Kardinäle, liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
Gern erinnere ich mich immer wieder an den Wahlspruch, den sich unsere Klasse am Gymnasium Johanneum in Ostbevern im Frühjahr 1959 für ihr Abitur gewählt hat. Er stammt von dem Dichter Gorch Fock und lautet: "Gottes sind Wogen und Wind; Segel aber, Segel und Steuer, dass ihr den Hafen gewinnt, sind euer."
Im Rückblick auf den Weg, den mein eigenes Lebensschiffchen bisher zurückgelegt hat, fällt es mir nicht schwer festzustellen, daß es mehr "Wogen und Wind" als eigene Steuerkünste gewesen sind, die es in Gegenden und zu Aufgaben geführt haben, die kaum Ziel persönlicher Planung und Kurswahl hätten sein können. Durch einen kürzlichen plötzlichen Windstoß erneut von seinem Kurs abgebracht, hat es nun zur Überraschung vieler als der wohl letzten Station vor der Einfahrt in den Hafen an heimatlichen Gestaden angelegt. Dadurch bin ich nun heute unverhofft hier in Ihrer Mitte!
Es schliesst sich damit gleichsam ein Kreis, der mich nach zwanzig-jähriger Tätigkeit in der deutschsprachigen Abteilung des Staatssekretariates über einen siebenjährigen diplomatischen Dienst im Sudan und in der Region des Roten Meeres, nach weiteren 4 Jahren in den drei baltischen Ländern und 2 Jahren in Tschechien wieder in den direkten Dienst für unsere Kirche in Deutschland zurückgeführt hat. Eine merkwürdige, wundersame Fügung: Der Titularerzbischof von Germania in Numidia ist nun noch Apostolischer Nuntius in Germanien geworden.
Bei unserer heutigen ersten Begegnung grüsse ich Sie alle sehr herzlich und danke dem Herrn Vorsitzenden und Ihnen allen für Ihr mitbrüderliches Willkommen, dass Sie mir vom Augenblick meiner Ernennung an zum Ausdruck gebracht haben. Ein Kommentar hat schon vor kurzem zu der heutigen Begegnung bemerkt: "Bei der kommenden Frühjahrsvollver-sammlung der Deutschen Bischofskonferenz wird er (der neue Nuntius) erstmals im Präsidium Platz nehmen und dabei in viele bekannte Gesichter blicken. Für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der Kirche in Deutschland und der Kurie kann das sicher nicht schaden." Ich füge noch den Wunsch hinzu, daß dieses sich sogar als besonders nützlich und vorteilhaft erweisen möge! Ich freue mich über die zahlreichen Bekannt-schaften, die schon unter uns bestehen und von denen einige bis zum Beginn meiner Mitarbeit im Staatsseketariat zurückreichen. Ich bin mir jedoch auch dessen bewußt, daß die neue Aufgabe für mich eine Rückkehr in die Heimat nach über vierzigjähriger Abwesenheit ist. Vom Abschlußbericht meines Vorgängers, Erzbischof Lajolo, weiß ich, daß allein während seiner Dienstzeit in Deutschland seit 1996 nicht weniger als 11 neue Diözesan-bischöfe und 20 Weihbischöfe ernannt worden sind. Denen unter Ihnen, die mir noch unbekannt sind, gilt heute mein besonderer Gruß in der Hoffnung, daß auch wir uns bald persönlich kennen lernen werden.
Ich war selbstverständlich sehr erfreut, aber auch fast ein wenig betroffen über das außergewöhnliche und einhellig positive Echo, das meine Berufung nach Berlin in unserem Land und darüber hinaus in den Medien und bei vielen Gratulanten hervorgerufen hat. Ich kann mich nicht erinnern, so vielen Menschen jemals auf einmal so viel Freude bereitet zu haben - wohl wissend jedoch, dass die große Aufmerkamkeit und die oft auch begeisterte Zustimmung weniger meiner Person als vielmehr dem über-raschenden Umstand gegolten hat, daß zum ersten Mal ein Deutscher in dieses Amt in seiner Heimat berufen worden ist. Denen von Ihnen, die mir ebenfalls durch ein persönliches Schreiben ihre freudige und ermutigende Anteilnahme bekundet haben, danke ich an dieser Stelle noch einmal aufrichtig.
Ich wiederhole mich, wenn ich hier noch einmal sage, daß ich diese mir vom Heiligen Vater so unerwartet anvertraute Aufgabe als eine große Herausforderung empfinde, eingedenk der Persönlichkeiten, die vor mir dieses Amt innehatten und auch der großen Bedeutung, die der Kirche in Deutschland auf europäischer Ebene und im Rahmen der Weltkirche zukommt. Dennoch habe ich nach einem anfänglichen kurzen Zögern auch diese vierte Mission dankbar und mit Freude angenommen. Als Vertreter des "Dieners der Diener Gottes" in diesem Land biete ich Ihnen nun meinerseits gern und ohne Vorbehalte alle Dienste an, die in meinen Kräften stehen und die Ihnen und der Kirche in Deutschland nützlich sein können. Zugleich bitte ich um Ihr Vertrauen und Ihre loyale Zusammenarbeit, um Ihre hilfsbereite und auch kritische Begleitung. Gern mache ich mir die Worte unseres Heiligen Vaters vom Tag seiner Wahl zu eigen, als er von der Loggia den Gläubigen auf dem Petersplatz zurief: "Se sbaglio, mi correggerete!" Dies im Geiste mitbrüderlicher und mitverantwortlicher Solidarität!
Während meines letzten Besuches in Rom Anfang Dezember hat mich der Heilige Vater selbst bei einer kurzen Audienz zu dieser neuen Mission ermutigt. Erzbischof Lajolo hat mir in zwei längeren Gesprächen von seinen reichen Erfahrungen während seiner achtjährigen Dienstzeit in Deutsch-land berichtet. Ich war sehr angenehm berührt von dem positiven Grundton seiner Schilderungen und Anmerkungen. Er würde mir gewiß zustimmen, wenn ich daran anschliessend hier sage, dass bei einer seriösen Beurteilung der kirchlichen Lage in unserem Land grundsätzlich alle gängigen Klischees und Verallgemeinerungen sorgsam vermieden werden sollten. Von Journalisten, die mich in meinen ersten Wochen in Berlin mit Interviews reichlich strapaziert haben, wurde ich z. B. verschiedentlich auf "Konfliktsituationen" angesprochen, die es, wie sie es fomulierten, "zwischen Deutschland und dem Vatikan" gebe, oder auch auf den so viel zitierten "antirömischen Affekt". Solche 'Konfikte' bestehen jedoch offenkundig nicht "zwischen Deutschland und dem Vatikan", sondern vielmehr zwischen einzelnen Personen oder Gruppen und bestimmten Verlautbarungen oder Maßnahmen bestimmter vatikanischer Ämter. Pauschale Behauptungen dieser Art sind nicht dazu geeignet, das zwischen der Kirche in Deutschland und dem Heiligen Stuhl tatsächlich bestehende Verhältnis zu beschreiben oder zu charakterisieren. So bedauerlich und abträglich Konflikte sein mögen, sie dürfen uns niemals den Blick dafür verstellen, auch und vor allem das viele Positive und Ermutigende zu sehen, das das religiöse und kirchliche Leben in unserem Land tatsächlich trägt und prägt, auf das die Kirche in Deutschland trotz aller vorhandenen Mängel und negativer Begleiter-scheinungen zurecht stolz sein darf und welches auch das Verhältnis zu Rom in einem weit positiveren Licht erscheinen läßt.
Wenn Schwierigkeiten, Mißverständnisse oder unterschiedliche Be-wertungen in einzelnen Fragen oder Teilbereichen auftreten - und wen könnte es wundern, daß es solche mitunter tatsächlich gibt? -, sollten diese niemals zu einer offenen Konfrontation führen, sondern vielmehr in einem unvoreingenommenen Dialog zwischen allen Beteiligten und in einem ehrlichen gemeinsamen "sentire cum ecclesia", d.h. mit der Weltkirche, die erforderliche Klärung und Lösung finden - zuerst in der Ortskirche selbst und dann auch mit den zuständigen vatikanischen Stellen. Wir haben erst kürzlich von der erfreulichen Feststellung aus berufenem Munde im Vatikan erfahren, daß der Dialog zwischen dem Vatikan und den Ortskirchen durchaus "lebhaft und fruchtbar ist". Kardinal Ratzinger schloß daran die Anmerkung an, daß bei Konflikten mit Theologen über Fragen der Glaubenslehre die Glaubens-kongregation die Ortsbischöfe und die Bischofskonferenzen ermutige, die Dinge "selbst in die Hand zu nehmen". Warum sollte diese ermutigende Einladung nur auf den Bereich der Glaubenslehre beschränkt bleiben?
Nach meinen langjährigen Erfahrungen im Staatssekretariat scheint mir die Zusammenabeit zwischen dem Vatikan und den Ortskirchen am harmonischsten und effektivsten bei den gemeinsamen Vorbereitungen und der Durchführung der Pastoralreisen des Papstes in die verschiedenen Länder zu gelingen. Ich selbst bin bei sechs solcher Reisen direkt beteiligt gewesen. Durch eine rechtzeitige intensive und vertauensvolle Zusammen-arbeit konnte manche komplexe und kontroverse Situation schon im Vorfeld geklärt werden und ist auch für Reisen unter schwierigen Umständen ein fruchtbarer Verlauf und guter Erfolg ermöglicht worden. Ich würde mir wünschen, daß diese wertvollen Erfahrungen mitverantwortlicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit bei den Pastoralreisen des Heiligen Vaters auch in anderen Bereichen angemessen mitberücksichtigt werden.
Verehrte Mitbrüder, ich bitte um Nachsicht, daß mein erstes Grußwort an Sie, das eigentlich 'kurz' sein sollte, nun gleich schon ausgeufert ist. Wovon das Herz voll ist, davon fließt bekanntlich der Mund über. Bevor ich aber schließe, möchte ich Ihrer Bischofskonferenz bei unserer heutigen ersten Begegnung als der neue Hausherr in der Apostolischen Nuntiatur noch meine hohe Anerkennung und meinen Dank für das herrliche Gebäude bekunden, das Sie der Päpstlichen Vertretung in diesem Land beim Umzug nach Berlin geschenkt haben. Es gereicht nicht nur dieser Vertretung, sondern auch der Kirche in Deutschland zu großer Ehre. Ich habe auf meinen Reisen viele Nuntiaturen in den verschiedenen Ländern und Kontinenten kennengelernt. Es dürfte schwerlich eine zu finden sein, die mit der unseren in ihrer architektonischen und funktionalen Gestaltung in Konkurenz treten könnte. Nachdem ich inzwischen selbst meine ersten 6 Wochen darin verbracht habe, kann ich Ihnen auch aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen, daß es eine Freude ist, nicht nur darin zu wohnen, sondern auch darin zu arbeiten!
Möge unsere künftige Zusammenarbeit von Gott gesegnet sein und unserer Kirche und unserem ganzen Land zum Heil gereichen! - Ich danke für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

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