| Pressemeldung | Nr. 063

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann,

zur Stellungnahme des Nationalen Ethikrates "Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende" am 13. Juli 2006

Wir begrüßen, dass der Nationale Ethikrat in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ wichtige Fragestellungen zum Thema Sterben und Umgang mit Sterbenden aufgreift, die seit einigen Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern kontrovers diskutiert werden.

Die Sorge um eine menschenwürdige Sterbebegleitung, die sich an den Grundsätzen von Leidminderung, Zuwendung und Fürsorge orientiert und jeder Form von aktiver Sterbehilfe, die ja Tötung ist, eine klare Absage erteilt, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie hat für die Kirchen allerhöchste Bedeutung.
Nach einem einleitenden Kapitel „Der Mensch und sein Tod“ analysiert der Text verschiedene gesellschaftliche, kulturelle und historische Aspekte im Blick auf Entscheidungen am Lebensende und beschreibt unterschiedliche Orte und Einrichtungen, in denen Menschen in unserer Gesellschaft sterben. Schwerpunkte der Stellungnahme bilden eine Problematisierung des heutigen Sprachgebrauchs im Zusammenhang von Sterbebegleitung und Fragestellungen im Kontext der Selbsttötung. Der Text endet mit abschließenden Empfehlungen sowie einem „Ergänzenden Votum“, das von Dr. Dr. Anton Losinger, Weihbischof in Augsburg, Dr. Peter Radtke, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien, sowie Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff, katholischer Professor für Moraltheologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., abgegeben wurde. Dieses klare Votum, für das ich den Autoren sehr dankbar bin, arbeitet besonders die Aspekte heraus, die in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zu kurz kommen oder nur unzureichend deutlich werden.

Wir begrüßen, dass sich der Nationale Ethikrat einmütig dafür ausspricht, die Strafbarkeit und damit das Verbot der Tötung auf Verlangen beizubehalten, jede Form der Anstiftung zur Selbsttötung als ethisch verwerflich zu verurteilen und alle gewinnorientiert betriebenen Formen der Sterbebegleitung abzulehnen.
Es fällt jedoch auf, dass es in vielen anderen grundlegenden Fragen offenbar keine Einigkeit unter den Mitgliedern gibt und auch die ethischen und rechtlichen Begründungen recht unterschiedliche Sichtweisen und Bewertungen zum Ausdruck bringen. So ist es außerordentlich befremdlich, wenn der Eindruck entsteht, dass das Verbot der Tötung auf Verlangen nach Meinung einiger Mitglieder des Nationalen Ethikrates lediglich aus Rücksicht auf die besondere historische Situation in Deutschland aufrechterhalten wird. Wir bedauern, dass in vielen wichtigen Fragen kein größerer Konsens erzielt werden konnte.

Insbesondere im Blick auf die Überlegungen zu Suizid, Suizidintervention und Beihilfe zum Suizid, die im Vergleich zu vielen anderen wichtigen Fragestellungen in der Stellungnahme merkwürdig ausführlich behandelt werden, weichen die Auffassungen und Voten zum Teil erheblich voneinander ab. Dies gilt auch im Blick auf die Aufgaben und Pflichten von Ärztinnen und Ärzten in diesem Zusammenhang.

Die Kirche, aber auch die Ärzteschaft selbst, haben immer wieder unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine Mitwirkung von Ärzten bei der Selbsttötung dem ärztlichen Ethos widerspricht. Das ergänzende Votum betont deshalb ausdrücklich: „Die Bereitstellung von Mitteln, die den Suizid ermöglichen oder die direkte Beteiligung an derartigen Handlungen sind mit dem ärztlichen Ethos unvereinbar. ... Im ärztlichen Ethos oder in standesrechtlichen Vorschriften verankerte Regelungen zur ärztlichen Suizidbeihilfe würden ... dem irrtümlichen Eindruck Vorschub leisten, es handle sich dabei um Tätigkeiten, die zum normalen Auftrag des Arztes gehören und denen er sich allenfalls durch die Berufung auf einen entgegenstehenden Gewissenszwang entziehen könne.“

Entschieden abzulehnen ist der Vorschlag einer öffentlichen Duldung oder Förderung institutionalisierter Suizidbeihilfe. Die Akzeptanz solcher Angebote würde den Schutzauftrag der Gesellschaft gegenüber suizidgefährdeten Menschen aushöhlen und dem Suizid den Anschein von Normalität und gesellschaftlicher Akzeptanz verleihen.

Im Blick auf die angeregte Debatte über den Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Sterbebegleitung halten wir fest: Auch terminologisch muss eine unmissverständliche Unterscheidung zwischen solchen Handlungen aufrechterhalten bleiben, die den Tod aktiv herbeiführen und deshalb ethisch entschieden abzulehnen sind, und solchen, die dem Sterbenden bei einem menschenwürdigen Sterben beistehen, ohne den Tod in irgendeiner Weise herbeizuführen.

Es ist eine Aufgabe aller, das Vertrauen der Sterbenden in den ihnen geschuldeten Beistand zu festigen. Dieser verlässliche Beistand für Sterbende muss auch durch die Rechtsordnung und durch die medizinische Gesundheitsfürsorge gewährleistet werden. Mit Nachdruck unterstützen wir deshalb den grundsätzlichen Hinweis des „Ergänzenden Votums“: Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit am Lebensende dürfen nicht ausgespielt werden gegen Fürsorge, Unterstützung und die Notwendigkeit ausreichender medizinischer Versorgung und pflegerischer Betreuung, mitmenschlicher Nähe und Zuwendung. Gerade in der genaueren Verhältnisbestimmung zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge, vor allem am Lebensende, liegt eine entscheidende Aufgabe, die über die „Stellungnahme“ hinausführen muss und für die das christliche Menschenbild noch zu wenig genützte Einsichten bereit hält.

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