| Pressemeldung

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, zum Abschluß der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland vor zwanzig Jahren (23.11.1975)

Am 23. November dieses Jahres sind es zwanzig Jahre, daß die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg ihren Abschluß gefunden hat. Diese Synode hatte das Ziel, Aufbrüche und Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils in die deutschen Diözesen hinein wirksam werden zu lassen und zu konkretisieren. Die Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke in der ehemaligen DDR, auch am 30.11.1975 abgeschlossen, versuchte auf ihre Weise und nicht ohne eine tiefere Übereinstimmung dasselbe, übrigens ebenso wie die entsprechenden synodalen Beratungen in Österreich und in der Schweiz.

Viele jüngere Mitchristen haben diese Aufbruchstimmung nach dem Konzil, wie sie in vielen Teilen der Welt spürbar wurde und Auswirkungen hatte, nicht miterlebt. Es geschieht deshalb nicht nur aus historischem Interesse, daran zu erinnern, auf welche Weise Ende der sechziger Jahre die Idee einer Gemeinsamen Synode für Deutschland entstand und umgesetzt wurde. Die damaligen säkularen Turbulenzen und herausragende kirchliche Ereignisse der Nachkonzilszeit haben mindestens die Anfänge der Suche nach einer geeigneten Gestalt von Synode und die ersten Beratungen mitgeprägt: die Kriege in Biafra und Vietnam, der Einmarsch russischer Truppen in die damalige Tschechoslowakei, die Studentenrevolten in vielen Städten Europas und der USA, das Pastoralkonzil der Niederländischen Kirche, der Essener Katholikentag, die Reaktion auf das Erscheinen der Enzyklika "Humanae vitae" mit dem Verbot der künstlichen Empfängnisregelung.

Die Anregungen einiger katholischer Laienverbände für eine Synode wurden von der Deutschen Bischofskonferenz ziemlich rasch positiv aufgegriffen, weil man sich einig war, daß eine gemeinsame Sammlung, Sichtung und Klärung der verschiedenen Vorschläge zu Reformen und der kritischen Ideen sich immer mehr als notwendig und unabdingbar erwies.

Ohne auf eine entsprechende kirchenrechtliche Vorgabe zurückgreifen zu können, gelang es, mit dem Apostolischen Stuhl die Struktur einer Gemeinsamen Synode abzustimmen, die den Laien ein beschließendes Stimmrecht zuerkannte und gleichzeitig der Verantwortung der Bischöfe Rechnung trug.
Die l8 Synodenbeschlüsse zu den verschiedenen Themen des Glaubens und Lebens der Kirche sind in einem zum Teil zähen Ringen und in manch harter Diskussion entstanden, sind aber auch Ausdruck der hohen Bereitschaft aller Mitwirkenden zum Dialog und zum Konsens.

Viele Synodenbeschlüsse prägen bis heute das kirchliche Leben in den Diözesen, Gemeinden und Verbänden. So schuf die Gemeinsame Synode z.B. den Rahmen für die Beratungs- und Mitverantwortungsgremien sowie für die pastoralen Dienste. In anderen Bereichen haben die Beschlüsse der Synode wichtige Impulse gegeben, die in der gebotenen Auseinandersetzung mit der veränderten Situation in Kirche und Gesellschaft auch heute nach zwanzig Jahren weiterhin hilfreich sind. Einige Dokumente prägten vor allem auch eine neue Einstellung der Kirche zu gegenwärtigen Aufgaben. Nicht alle Wünsche und Hoffnungen, die sich in den Synodenbeschlüssen widerspiegeln, konnten in den vergangenen zwanzig Jahren verwirklicht werden; dies betrifft beispielsweise den Bereich Ehe und Familie sowie Ökumene. Erinnert sei auch an die Bedeutung der sogenannten Arbeitspapiere der Sachkommissionen, die zwar längst nicht das Gewicht der Beschlüsse, in einzelnen Feldern dennoch eine starke Wirkung hatten.

Der Abschluß der Gemeinsamen Synode fiel bereits in die Zeit der intensiven Vorbereitung des neu zu fassenden kirchlichen Rechts. Die vielen Voten der Synode an den Heiligen Stuhl wurden nur zu einem geringen Teil beantwortet (u.a. auch zur Frage des Diakonats der Frau). Nicht zuletzt durch die Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 wurden einige der seit dem Synodenbeschluß "Die Beteiligung der Laien an der Verkündigung" in Deutschland geltenden Regelungen zur Predigtbefugnis eingeschränkt.

Die wertvollen Erfahrungen und Ergebnisse der Gemeinsamen Synode, die nicht nur durch die verabschiedeten Dokumenten, sondern als geistliches Ereignis wirkte, haben gewiß zu einer Vertiefung und Erneuerung des religiösen Lebens in den Bistümern, Pfarrgemeinden, Orden sowie Geistlichen Gemeinschaften und Verbänden geführt. Es ist nicht leicht zu sagen, wie es heute damit bestellt ist. Nicht die Synode selbst mit ihren Beschlüssen war jedoch das Ziel der Bemühungen. Die Beschlüsse bleiben unwirksam, wenn hinter den Texten keine Menschen stehen, die die Inhalte der Beschlüsse leben, sie in die Tat umsetzen und durch die Dynamik der Umsetzung fortwährend an der Entwicklung der Beschlüsse mitarbeiten. In diesem Sinne möchte ich auch heute dazu aufrufen, die Beschlüsse der Synode mit den Verlautbarungen des Konzils nochmals vom gegenwärtigen Standort aus zu lesen und zu deuten.

Die Erinnerung an den Abschluß der Gemeinsamen Synode vor zwanzig Jahren ruft uns dazu auf, getreu dem Leitwort der letzten Vollversammlung der Synode "Die Synode endet - die Synode beginnt" die synodalen Prozesse, die es auf allen Ebenen der Kirche gibt, zu fördern, weil ohne sie unser Glaube verkümmert und das kirchliche Leben erstarrt.

Dankbar gedenken wir dabei des Präsidenten der Gemeinsamen Synode, Julius Kardinal Döpfner, dessen plötzlicher Tod sich im kommenden Jahr zum zwanzigsten Mal jähren wird.

Bonn/Mainz, 22.11.1995
Bischof Karl Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

 

HINWEIS
Die Verlautbarungen sind in einer zweibändigen Offiziellen Gesamtausgabe ge-sammelt: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland:
-    Offizielle Gesamtausgabe I: Beschlüsse der Vollversammlung, Freiburg 1976 u.ö.;
-    Offizielle Gesamtausgabe II (Ergänzungsband): Arbeitspapiere der Sachkom-mis¬sionen, Freiburg 1977 u.ö.
Die Bände enthalten nicht nur die Texte, sondern eine Allgemeine Einführung, Kommentare zu den Beschlüssen und Arbeitspapieren sowie zahlreiche Übersichten sowie Register.

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