| Pressemeldung

Die Akzeptanz des Religionsunterrichts in der Bundesrepublik

Prof. Dr. Anton Bucher
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Skizze einiger ErgebnisseAusdrücklich sei verwiesen auf die umfassendere Darstellung der Ergebnisse in der Monographie. Anton Bucher: Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart: Kohlhammer 2000 (ISBN 3-17-016691-3)
ProblemstellungIn den letzten Jahren wurde, geschürt zumal durch die Debatte um LER, der konfessionelle Religionsunterricht in der Bundesrepublik kontrovers diskutiert. Dabei wurde gelegentlich behauptet, dieses Fach stoße bei den Schülerinnen und Schülern, da diese kaum mehr religiös sozialisiert würden, überwiegend auf Desinteresse; seine Akzeptanz sei gering. Auch habe es seine eigentlichen religiösen Themen weitgehend aufgegeben und sei zu einem Laberfach geworden, in dem unverbindlich über aktuelle Gefühlslagen geredet werde, nicht aber mehr über Gott, Jesus, christliche Ethik etc.Solche pauschalisierenden Urteile über den Religionsunterricht speisen sich zumeist aus singulären Erfahrungen, sei es dem selber erlebten Religionsunterricht, der oft Jahrzehnte zurückliegt, sei es demjenigen eigener Kinder. Um die Diskussion zu versachlichen und zu einem einigermaßen gültigen Bild des Religionsunterrichts zu gelangen, befragte das Institut für Religionspädagogik der Universität Salzburg insgesamt 7239 Schüler aller Schularten, mehr als das Sechsfache der Enquete zum Religionsunterricht, die das demoskopische Institut Allensbach vor mehr als einem Jahrzehnt durchführte. Dabei interessierte:Ist Religionsunterricht akzeptiert?Wie wird er eingeschätzt: als friedlich, hilfreich, wichtig etc.?Welche Effizienz (für Bildung, Lebenshilfe etc.) bescheinigen ihm die Schüler?Wie ausgeprägt ist die Abmeldungsbereitschaft?In einem zweiten Schritt wurde geprüft: Wovon hängen diese vier Merkmale ab? Von:Schulart und Region?Geschlecht und Alter?Der religiösen Erziehung im Elternhaus?Binnengeschehen im Religionsunterricht, insbesondere den Methoden?Den Inhalten? Etc.
Grenzen einer empirischen Untersuchung zum ReligionsunterrichtSo aktuelle und bedrängende Fragen wie "Soll der Religionsunterricht der Zukunft ökumenisch sein?" können nicht empirisch beantwortet werden, sondern erfordern bildungstheoretische Reflexionen. Eine quantitative Studie zeigt allenfalls und stets in Ausschnitten, wie es um dieses Fach faktisch bestellt ist, nicht aber, wie es sein sollte. Um an neuen Konzepten des Religionsunterrichts zu schmieden, sollte aber vom Ist-Zustand ausgegangen werden.In die Stichprobe einbezogen wurden Schüler aus:Bayern (München sowie Oberbayern)Rhein-Main-GebietNiedersachsen (Hannover - Hildesheim und Umgebung)Sachsen (insbesondere Dresden und Umgebung)
Wesentliche Ergebnisse im GrundschulbereichDie Akzeptanz des Religionsunterrichts ist unerwartet hoch; für mehr als drei Viertel ist er ausdrücklich ein beliebtes Fach.Religionsunterricht ist für die Befragten das drittliebste Fach: nur Kunst und Sport - wo besonders viel Aktivität möglich ist - sind noch beliebter.Eine überwältigende Mehrheit der Schüler (um die 78%) stuft Religionsunterricht als etwas für ihr Leben wichtiges ein.Die häufigsten Themen sind theologischer Art: Gott, Jesus, Bibel; lebenskundliche Themen wie Probleme in Schule und Familie sind deutlich seltener.Die häufigsten Methoden sind schreiben, malen und zeichnen, das Erzählen (biblischer) Geschichten, was die Grundschüler sehr mögen, übrigens selbst beten; ,neuere' Ansätze wie Phantasiereisen oder Mandalas gestalten sind seltener.Vor Disziplinstörungen ist auch der Religionsunterricht in der Grundschule nicht gefeit (44% gestehen, sehr oft zu schwatzen, 8% nie); dennoch werden die Lehrerinnen und Lehrer überwiegend als freundlich erlebt.Religionsunterricht ist umso beliebter und wird als um so wichtiger empfunden, je aktiver sich die Schüler in ihm verhalten können.Zwar spricht Religionsunterricht Schüler mehr an, wenn sie (noch) aus einem religiösen Elternhaus kommen (85% kennen kein regelmäßiges Tischgebet); dennoch gelingt es Religionslehrer in einem beachtlichen Ausmaß, auch bei 49% der nicht religiös erzogenen Kindern auf Akzeptanz zu stoßen und Religionsunterricht als etwas für sie wichtiges zu vermitteln (begrenzte Kompensation für Ausfall der religiösen Erziehung).Die überwiegende Mehrheit der Grundschüler ist religiös unbefangen und interessiert; mehrheitlich akzeptieren sie Inhalte des christlichen Glaubens (93% die Kreation der Welt durch Gott).Mit steigendem Alter geht die Akzeptanz des Faches deutlich zurück.Die vier Regionen zeitigen keinen Effekt; Religionsunterricht wird zu Füssen des Watzmann ebenso gern besucht wie in der norddeutschen Tiefebene, sofern er gut gestaltet ist.
Ergebnisse im Sekundarbereich IDie in der Grundschule enorm hohe Akzeptanz des Faches lässt sich in der Sek. I nicht halten; hinsichtlich seiner Beliebtheit rangiert es im hinteren Drittel.Dennoch wird RU, übrigens in allen Schularten, von gut der Hälfte ausdrücklich gerne besucht:Die dam Fach zugeschriebene Effizienz vermindert sich deutlich; insbesondere wird ihm attestiert, viel über andere Religionen gelernt zu haben ("sehr richtig" / "richtig" 56%), sodann selbständiges Nachdenken über den Glauben (48%), Gottesbeziehung (37%). 22% attestieren ausdrücklich, das Fach habe ihnen die Kirche näher gebracht; 24%, das in ihm Gelernte sei brauchbar im Leben (55% "teils/teils").Nach wie vor sind die häufigsten Themen theologischer Art (Gott, Jesus); mit steigendem Alter werden diese jedoch seltener, anthropologische Themen hingegen häufiger.Das wichtigste Thema ist "Liebe/Partnerschaft" (72%), dicht gefolgt von "Gott" und "Drogen".Religionsunterricht ist umso akzeptierter und effektiver, je aktiver sich die Schüler verhalten können: Collagen gestalten, diskutieren (die ohnehin häufigste Tätigkeit), sich von einem Dilemma, einer Geschichte betreffen lassen, Lehrausgänge etc.Wird Religionsunterricht primär als relaxing erlebt (für 25% "immer"), als Nische der Erholung und des Nichtstuns - was von Religionslehrer mitunter bewusst intendiert wird -, sinkt seine Effizienz ebenso wie seine Akzeptanz.Ein schwerwiegendes Problem ist die relativ oft gestörte Disziplin: 25% sagen, den Unterricht in jeder Stunde zu stören.Religionsunterricht hat den Nimbus, friedlicher, gerechter und lockerer zu sein als die Schule; dafür wird letztere als signifikant wichtiger eingestuft.Religionslehrer indoktrinieren nicht; nur 5% der Schüler kritisieren an ihnen, sie würden stets ihre Meinungen aufzwingen; die überwiegende Mehrheit attestiert ihnen, zum selbständigen Nachdenken über den Glauben anzuregen; besonders zu schätzen wissen es die Schüler, wenn Lehrer bekenntnishaft aus ihrem Leben erzählen.Die Abmeldungsbereitschaft ist gering (ca. 16%); dem entsprechen die faktischen niedrigen Abmeldungsquoten (um die 5%).Bei allen Merkmalen sind die Unterschiede zwischen den vier Regionen überraschend gering.Auch bei Schülern in der Sek. I verstärkt Religionsunterricht die im Elternhaus bereits geleistete religiöse Sozialisation (10% gaben regelmäßiges Tischgebet an); dennoch gelingt es den Religionslehrern in einem beachtlichen Ausmaß, auch bei religiös nicht mehr erzogenen Schülern auf Akzeptanz zu stoßen und beispielsweise bei 40% von diesen Religion als etwas Lebensrelevantes zu vermitteln (begrenzte Kompensation).In der Adoleszenz verringert sich, auch entwicklungspsychologisch bedingt, die subjektive Religiosität in nur wenigen Lebensjahren dramatisch, insbesondere hinsichtlich der persönlich eingeschätzten Kirchennähe, die bei den 18jährigen noch zu 18% gegeben ist, bei den 10jährigen zu 48%.Obschon es den Befragten fast zu 100% egal ist, welcher (anderen) Konfession ihre Freundinnen und Freunde angehören, sind gut 40% ausdrücklich gegen einen gemeinsamen Religionsunterricht von evangelischen und katholischen Schülern.
Ergebnisse in der Sekundarstufe 2In der Oberstufe des Gymnasiums nehmen die Abmeldungen vom Religionsunterricht zu, wohl nicht zuletzt, weil die faktische Wahlsituation zwischen Religionsunterricht und Philosophie bzw. Ethik den philosophisch interessierten Schülern keine andere Möglichkeit lässt. Der Religionsunterricht behält den Nimbus, ein lockeres, friedliches, gerechtes Fach zu sein, in dem nun häufiger auch philosophisch-ethische Themen diskutiert werden. Nur 14% besuchen ihn ausdrücklich "nicht gern", 43% gern, ebenso viele "teils/teils". Die stärksten Effekte werden im Bereich Allgemeinbildung, andere Religionen, Anregungen zur selbständigen Glaubensentscheidung wahrgenommen. Die Lebensrelevanz des Faches wird wesentlich geringer angesetzt
Religionsunterricht an Berufsbildenden SchulenDieser hat insgesamt einen schwierigeren Stand (bis zu 40% Unterversorgung). In der Rhein-Main-Gegend, wo die Stichprobe gezogen wurde, sind die Klassen konfessionell heterogen: 48% katholisch, 34% evangelisch, 3% orthodox, 5% islamisch, 10% ohne religiöses Bekenntnis. Dennoch kann Religionsunterricht hinsichtlich seiner Beliebtheit mit anderen Fächern mithalten:Der Religionsunterricht behält den Ruf, vor allem friedlich (6%), locker, gerecht zu sein; aber nur 36% sagen ausdrücklich, er sei wichtig.Am meisten Effizienz wird ihm hinsichtlich der anderen Religionen attestiert ("sehr richtig / richtig" 45%, "teils" 35%), sodann der Allgemeinbildung (30% bzw. 44%); am wenigsten hingegen bezüglich der Hinführung zur Kirche (4% bzw. 16% teils/teils).Die häufigsten Themen sind lebenskundlicher Art: Tod ("oft": 62%), Drogen (57%), Probleme in Schule, Familie, Arbeitsplatz (56%); theologische Themen wie Bibel (19%) und Gott (32%) sind vergleichsweise selten und werden auch als signifikant weniger wichtig eingestuft (Gott 39%) als die stärker anthropologischen Themen, speziell Drogen (76%).Wiederum entscheidet das Binnengeschehen des Unterrichts am stärksten über seine Akzeptanz und Effizienz; Disziplinstörungen sind - vergleichen mit der Sek. I - deutlich seltener.Die subjektive religiöse Selbsteinschätzung ist wesentlich niedriger als in der Sek. I sowie der gymnasialen Oberstufe: Von Gottes Existenz ausdrücklich überzeugt sind 49%; höhere Zustimmung finden Glaubensitems bei den orthodoxen Schülern, die stärkste bei den islamischen."Insgesamt: Religionsunterricht ist keine vergebliche Liebesmühe, trotz der vielen Schwierigkeiten, die ihn behindern, sei es schulintern (organisatorische Schwierigkeiten mit Kleingruppen), sei es schulextern (säkulares Umfeld, lädiertes Kirchenimage). Dass auch heutige Schülern mit Namen wie Moses, Kain, Jesus und nicht zuletzt Gott etwas anfangen können, dass etliche der Zehn Gebote nach wie vor bekannt sind und mitunter handlungsleitend werden, dass sie über eine Semantik verfügen, um mit den letzten Fragen umzugehen, das ist angesichts der geringer gewordenen religiösen Sozialisation in den Familien ein wesentliches Verdienst der abertausend Religionslehrern, die sich in ihrem Beruf Tag für Tag engagieren."
Einige Schülerstimmen:Was mir am Religionsunterricht am besten gefällt"Wieder gemeinsam zu singen, Meditationsübungen zu machen, um zu relaxen""Es ist gut, dass die Lehrer so locker sind und versuchen, einem Reli nahe zu bringen, ohne Druck. Sie akzeptieren die Meinung der anderen.""Ich finde es gut, dass uns Gott nähergebracht wird, und ich finde es auch gut, im Unterricht etwas zu hören, malen oder selbst Geschichten zu schreiben. Wenn der Unterricht abwechslungsreich gestaltet ist, hat es mir immer Spaß gemacht und ich bin sehr gerne zur Stunde gegangen und habe mich darauf gefreut.""Man kann im Unterricht nachdenken, über sich selbst klar werden und man lernt kennen, wie andere Leute denken, die anderen Bekenntnissen angehören.""Dass wir in den letzten zwei Jahren sehr spannende Themen bearbeitet haben, wie zum Beispiel Sekten, Drogen, Satanismus, Hexenjagd. Es ist ein Fach, wo man viel Gruppenarbeit macht, nicht wie z.B. Mathe oder Chemie, wo man nur für sich selber arbeitet.""Freundliche, verständnisvolle Lehrerin, interessante Themen (Bibelgeschichten), für das Allgemeinwissen wichtige Themen (Gott)"Was mir am Religionsunterricht nicht gefällt"Alte biblische Geschichten, weil ich an diese nicht glaube und keiner beweisen kann, dass sie wahr sind. Langweilige Gespräche über alte biblische Schriften. Zu viele Themen über Gott.""Dass wir nicht mehr mit Gott, Bibel, Meditationen machen und dass wir nicht beten und singen.""Dass unser Lehrer so laut schreit. Und die Klasse so laut ist.""Wenn unser Lehrer droht, dass wir die Schulordnung abschreiben sollen""Dass wir kaum über andere Themen reden, als fast immer über Sekten und Drogen."Die wenigen Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Religionsunterricht von den Schülerinnen und Schülern beurteilt wird, und wie unstatthaft es wäre, subjektive Eindrücke zu verallgemeinern.Autor:Prof. Dr. Anton BucherInstitut für ReligionspädagogikUniversität SalzburgUniversitätsplatz 1A - 5020 SalzburgTel. 0043 662 8044 2800, e-mail: anton.bucher@sbg.ac.at

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