| Pressemeldung

Deutschland und Frankreich - gemeinsam Verantwortung wahrnehmen

Gemeinsame Erklärung zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags am 22. Januar 2003

Mit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags am 22. Januar 1963 wollten Deutschland und Frankreich ihre enge Verbundenheit besiegeln. Unsere beiden Länder waren entschlossen, mit diesem Vertrag den Prozess der Versöhnung zu verstetigen, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen hatte. Mit Freude und tief empfundener Dankbarkeit begrüßen wir die Entschlossenheit unserer beiden Völker, in fester Überzeugung diesen Weg der Versöhnung einzuschlagen. Damit konnte eine jahrhundertlange Geschichte der Auseinandersetzungen und Kriege zwischen unseren beiden Ländern und Völkern beendet und das Fundament für ein geeintes Europa gestärkt werden, das im Inneren friedlich und nach Außen friedensstiftend ist.Mit dem Elysée-Vertrag wollten Deutschland und Frankreich sich ihrer Vergangenheit stellen. Und sie wollten gemeinsam ihre Zukunft gestalten. Um nachhaltig wirken zu können, hat der Vertrag Institutionen geschaffen. Sie zielen auf ein Doppeltes: auf die Verbindung der Staaten und die Verbundenheit der Menschen. In Form regelmäßiger Konsultationen haben sich die Regierungen zum Dialog auch in schwierigen Phasen verpflichtet. Beide Länder haben zugesichert, das Erlernen der je anderen Sprache zu fördern.. So haben zum Beispiel das Deutsch-Französische Jugendwerk, der Fernsehkanal ARTE und zahlreiche Partnerschaften vielfältige Begegnungen ermöglicht und das Verständnis füreinander gefördert. Durch viele menschliche Kontakte sind Deutsche und Franzosen einander näher gekommen.Wenn es anfangs eine Euphorie für die Wiederaufnahme freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen gab, so mag diese im Laufe der Zeit einer Art "alltäglichen Beziehung" gewichen sein, der die Begeisterung auch in bezug auf die Europäische Union abhanden gekommen ist. Der 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags möge deshalb Anlass sein, Deutschland und Frankreich noch stärker aneinander zu binden. Wir hoffen, dass es den Regierungen unserer beiden Länder gelingt, gemeinsam zukunftsweisende Lösungen zu finden. Wir wissen aber auch, dass es dafür mehr bedarf als offizieller Schritte. Alle Menschen, Institutionen und Verbände in unserer Gesellschaft müssen die bereits bestehenden Kontakte vertiefen und den Prozess gegenseitiger Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen fördern. Jede Generation muss verstehen, welch kostbares Gut diese wieder versöhnte Bruderbeziehung darstellt.Daher ermutigen wir unsere Regierungen, den Weg der gemeinsamen Abstimmung und der - in der Vergangenheit so erfolgreichen - gemeinsamen europäischen Initiativen fortzusetzen. Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich stehen oft stellvertretend für Unterschiede zwischen vielen europäischen Staaten. Vermögen es Deutschland und Frankreich, ihre Unterschiede produktiv zusammenzuführen, so werden viele andere europäische Staaten ebenfalls diesem Weg folgen können. Wir begrüßen insbesondere die enge Zusammenarbeit unserer Regierungen bei einem zentralen Reformvorhaben Europas: dem Konvent zur Zukunft Europas.Wir sind uns bewusst, dass es zwischen Deutschland und Frankreich viele Unterschiede gibt, die die jeweilige Identität prägen. Unterschiedliche Erfahrungen in der Geschichte, in den Beziehungen zu den Nachbarn und der Welt, Unterschiede in der Entstehung beider Staaten, der Sprache und wohl auch eine andere Lebensart dürfen nicht übergangen werden. Für uns sind diese Unterschiede eine Quelle der Bereicherung. Wo immer sich diese Sichtweise durchsetzte, haben Deutschland und Frankreich es vermocht, richtungweisend in der Europäischen Union zu wirken.Wir wissen auch, dass die Annahme des Evangeliums in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung eine gemeinsame Kultur begründet hat, die unsere Völker bis heute verbindet. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, die Anerkennung der Freiheit, der Wille, sich für Solidarität und Gerechtigkeit einzusetzen: diese Werte haben, so glauben wir, ihre Wurzeln darin, dass wir Geschöpfe Gottes sind, der sich uns in der Person Jesu Christi geoffenbart hat. Bis heute haben diese Werte das europäische Gesellschaftsmodell geprägt. Auf ihrer Basis können wir heute den Integrationsprozess fortführen. Die Europäische Union ist in der Tat vor allem eine Wertegemeinschaft.Europa muss dazu beitragen, dass die ganze Welt eine Ordnung entwickelt, die durch das Recht bestimmt ist, wie sie die Europäische Union selbst zu verwirklichen sucht. Für unsere Völker ist die Europäische Union ein Werk des Friedens. Den Frieden sollte sie auch für andere Teile der Welt befördern: durch eine gerechtere Handels- und Finanzpolitik, durch eine gemeinsame Außenpolitik, durch eine verstärkte Entwicklungspolitik und durch eine besser abgestimmte Sicherheitspolitik.Auch als Vertreter der katholischen Kirche wollen wir unseren Beitrag zur Versöhnung und zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft für die Völker Europas leisten. Die katholische Kirche unterstützt seit langem vielfältige, enge Kontakte, etwa zwischen den Nachbarbistümern an unserer gemeinsamen Grenze, aber auch zwischen Diözesen anderer Landesteile. Dies wollen wir intensivieren durch verstärkte Kontakte zwischen Gemeinden, Schulen, Bewegungen und Verbänden. Wir wünschen uns auch eine Vertiefung des theologischen Gesprächs in Anbetracht der neuen pastoralen Herausforderungen, vor die uns die Entwicklung der Gesellschaft stellt.In den letzten Jahrzehnten haben wir versucht, unseren Beitrag zu leisten im Bereich der internationalen Begegnungen, die eine entscheidende Voraussetzung für die Vertrauensbildung sind, sowie im Bereich der Entwicklungshilfe. Wir wollen nun überlegen, wie wir unsere Aktivitäten künftig gemeinsam entfalten können.
Nur gemeinsam können Deutschland und Frankreich ihrer großen Verantwortung gerecht werden - für die Bürger, für Europa und für die Welt.
Bonn / Paris, den 20. Januar 2003
Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Monseigneur Jean-Pierre Ricard, Erzbischof von Bordeaux Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz
Hinweis:
Dieser Text wird zeitgleich von der Französischen und Deutschen Bischofskonferenz verbreitet.

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