| Pressemeldung

"Der Entschädigungsfonds der Katholischen Kirche beginnt mit der Auszahlung von Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeiter"

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, zur Pressekonferenz am 7.11.2000 in Mainz

Ich freue mich, ihnen heute mitteilen zu können, dass aus dem Entschädigungsfonds der Katholischen Kirche in diesen Tagen die ersten Zahlungen an ehemalige Fremdarbeiter erfolgen, die während der NS-Zeit zwangsweise in kirchlichen Einrichtungen tätig waren.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat, wie ich in einer Pressekonferenz am 29.08.2000 der Öffentlichkeit mitgeteilt habe, nach einer intensiven Diskussion beschlossen, einen eigenen Weg zu beschreiten, um der kirchlichen Verantwortung für die Beschäftigung von Fremdarbeitern in katholischen Einrichtungen gerecht zu werden. Für diesen Zweck haben die deutschen Diözesen einen "Entschädigungsfonds" eingerichtet, der mit 5 Millionen DM ausgestattet wurde und für weitere Zustiftungen offen ist. Mit dieser Initiative leistet die Katholische Kirche einen weiteren Beitrag zur Wiedergutmachung und Aussöhnung mit den Opfern des nationalsozialistischen Regimes. Mit der Konzentration auf den Personenkreis, der während der Jahre des 2. Weltkriegs in katholischen Einrichtungen tätig war, wird jetzt ein schnelles und unbürokratischen Handeln erleichtert.
Die Verantwortung für die Durchführung aller Aufgaben und Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der kirchlichen Entschädigungsarbeit anstehen, hat der Deutsche Caritasverband übernommen. An dieser Stelle möchte ich den für diese Aufgabe verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und besonders dem Präsidenten, Prälat Hellmut Puschmann, herzlich danken, dass sie sich auf meine Bitte hin für dieses wichtige Anliegen zur Verfügung gestellt haben. Der Deutsche Caritasverband trägt die Gesamtkosten des Verwaltungs- und Personalaufwands für den Entschädigungsfonds, so dass der von den deutschen Bischöfen bereitgestellte Betrag von 5 Millionen DM (zuzüglich Zinsen) uneingeschränkt für das eigentliche Anliegen zur Verfügung steht.
Die Leistungen aus dem Entschädigungsfonds der Katholischen Kirche erfolgen nach Richtlinien, die der Deutsche Caritasverband auf Grund seiner Erfahrungen und anderer Organisationen entwickelt hat und die in der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 26.09.2000 verabschiedet wurden. Die Entschädigung besteht aus einer - von Zeit und Dauer des Arbeitseinsatzes unabhängigen - einmaligen Zahlung von 5.000 DM. Antragsberechtigt sind Personen, die als Zwangsarbeiter in Einrichtungen tätig waren, die zum Zeitpunkt der Tätigkeit in der Verantwortung der Katholischen Kirche standen. Darüber hinaus können auch ehemalige Kriegsgefangene, die nach ihrer Entlassung als Zivilarbeiter in einer Einrichtung der Katholischen Kirche tätig waren, einen Entschädigungsantrag stellen. Die Leistungen erstrecken sich auch auf das familiäre und persönliche Umfeld von ehemaligen Zwangsarbeitern, die nach dem 15. Februar 1999 verstorben sind (Ehegatten und Kinder, Enkel und Geschwister, testamentarische Erben).
Über weitere Details der Entschädigungsarbeit wird anschließend Herr Ferdinand Michael Pronold genauer informieren. Herr Pronold ist der Geschäftsführer des Suchdienstes der kirchlichen Wohlfahrtsverbände und hat ehrenamtlich die Leitung der vom Deutschen Caritasverband bei der Hauptvertretung in München eingerichteten Geschäftsstelle des Entschädigungsfonds übernommen. Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßt es dankbar, dass die intensive Arbeit der Geschäftsstelle in kurzer Zeit zu ersten Ergebnissen geführt hat. Wir freuen uns sehr darüber, dass bereits nach wenigen Wochen den ersten beiden Personen - einem Mann und einer Frau -, die als Fremdarbeiter in katholischen Einrichtungen tätig waren, die Summe von jeweils 5.000 Mark ausgezahlt werden kann.
Doch wir sind uns auch bewusst, dass diese schwierige Aufgabe noch lange nicht gelöst ist. Nach den Schätzungen der Experten waren in Einrichtungen, die in katholischer Verantwortung standen, rund 10.000 Fremdarbeiter zwangsweise tätig. Von ihnen leben, wie man annimmt, heute noch zehn Prozent, d. h. ca. 1.000 Frauen und Männer. Sie gilt es möglichst schnell zu identifizieren und ihren Aufenthaltsort zu finden, um ihnen eine Entschädigungsleistung zukommen lassen zu können. Die Suche nach diesen Personen wird nicht allein von der Geschäftsstelle des "Entschädigungsfonds" in München durchgeführt. Es ist nach wie vor erforderlich, dass die zuständigen Mitarbeiter in den Diözesanarchiven, in den Archiven der Pfarreien und in den Einrichtungen selbst nicht aufhören, nach den Personen zu suchen, die vor 50 Jahren bei ihnen als Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Diese Recherche-Tätigkeit ist nicht immer leicht, da viele Archive während des Krieges beschädigt oder teilweise ganz zerstört wurden. Wir sind deshalb auch auf die Kooperation mit kommunalen Archiven und mit der Arbeitsverwaltung und den Krankenkassen angewiesen. Die bisherigen Kontakte zeigen, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung der kirchlichen Bemühungen besteht. Ich hoffe sehr, dass diese Ansätze der Zusammenarbeit sich im Fortgang der Ermittlungen weiter bewähren.
Die Entschädigungsleistungen, die jetzt mit Priorität vorgenommen werden, sollen dazu beitragen, erlittenes Unrecht wenigstens im Kleinen wieder gut zu machen. Der Deutschen Bischofskonferenz war es aber auch ein wichtiges Anliegen, über die Einzelfallleistungen hinaus die kirchliche Versöhnungsarbeit durch eine zusätzliche Initiative zu ergänzen und zu intensivieren. Für diesen Zweck haben die deutschen Diözesen einen weiteren Beitrag von 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Mit der Geschäftsführung dieses "Versöhnungsfonds" wurde die Aktion RENOVABIS beauftragt. Sie wird ihre Tätigkeit auf der Grundlage von Richtlinien, die wir in der nächsten Sitzung des Ständigen Rats am 20./21.11.2000 verabschieden wollen, in Kürze aufnehmen. Anfang Februar des kommenden Jahres wird ein Tageskongress in Mainz mit kirchlichen Einrichtungen, Vereinigungen und Gruppen stattfinden, bei dem die Ziele und Grundlinien dieser Versöhnungsinitiative näher konkretisiert und der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Eine wichtige Aufgabe bleibt schließlich auch die weitere Aufarbeitung der Quellen und die wissenschaftliche Forschung. Auf der Ebene der einzelnen Diözesen werden hierfür unter Einbeziehung aller in Frage kommenden kirchlichen Träger und Einrichtungen konkrete Maßnahmen unternommen, um eine möglichst genaue örtliche und regionale Erfassung sicherzustellen. Die Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, die in der Vergangenheit bedeutende Beiträge zur Aufarbeitung der NS-Diktatur und zur Rolle der Kirche in dieser Zeit vorgelegt hat, wird eine übergreifende wissenschaftliche Dokumentation der Quellenmaterialien vornehmen.
In den zurückliegenden Monaten gab es nicht nur Zustimmung, sondern auch Unverständnis und Kritik dafür, dass die Katholische Kirche sich nicht bereit erklärt hat, in den Entschädigungsfonds der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" einzuzahlen. Ich möchte die Gelegenheit heute nutzen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dies eine sehr bewusste Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz war. Nach wie vor hält die Deutsche Bischofskonferenz die in der öffentlichen Diskussion von verschiedenen Seiten geforderte finanzielle Beteiligung an der Stiftung nicht für den angemessenen Weg, um der spezifisch kirchlichen Mitverantwortung für die Beschäftigung von Fremdarbeitern in katholischen Einrichtungen jetzt zügig gerecht zu werden. Abgesehen davon, dass die Stiftung mit ihren Hilfen nicht in erster Linie den Personenkreis erreicht, der durch Zwangsarbeit in kirchlichen Einrichtungen geschädigt worden ist, hat sie offensichtlich nach wie vor Schwierigkeiten, in der geplanten Weise ihre Tätigkeit aufzunehmen. Wir nehmen dies mit Bedauern zur Kenntnis. Es ist zu wünschen, dass diese große und wichtige Initiative der deutschen Wirtschaft bald die angestrebte und mit den ausländischen Partnern vereinbarte Zielsetzung erreicht. Vielleicht können wir auf diesem unseren eigenen Weg wenigstens indirekt dazu ermutigen.
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