| Pressemeldung | Nr. 024a

„Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen“ (Hebr 13,3) – Der Auftrag der Kirche im Gefängnis

Pressegespräch zur Vorstellung des Wortes der deutschen Bischöfe zum Auftrag der Kirche im Gefängnis in Berlin am 8. März 2006 – Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort!

Die deutschen Bischöfe legen heute ein Wort zur Gefängnisseelsorge vor. Gefängnisseelsorge ist ein sensibles und anspruchsvolles Feld des pastoralen Handelns der Kirche. Denn es ist eine besondere Herausforderung, im Justizvollzug, hintern Gittern und bei Menschen, die teilweise schwere Schuld auf sich geladen haben, die Frohe Botschaft von der Erlösung und der Befreiung zu verkünden. In Deutschland gibt es derzeit 199 Justizvollzugsanstalten, in denen Strafgefangene, Untersuchungsgefangene oder Sicherungsverwahrte einsitzen. Dazu gehören auch Anstalten für Jugendliche und die des offenen Vollzugs. Dort befinden sich derzeit fast 64.000 Strafgefangene. Hinzu kommen etwa 16.000 Personen in Untersuchungshaft. Auffälligerweise handelt es sich bei Straf- und Untersuchungsgefangenen zu etwa 95 Prozent um Männer, von denen wiederum ein Drittel jünger als 25 Jahre ist.

In den Justizvollzugsanstalten arbeiten etwa 300 katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger. Der Seelsorgeauftrag gilt nicht nur den Gefangenen, sondern ebenso den Bediensteten in den Gefängnissen. In guter Zusammenarbeit mit den Leitern der Anstalten, den Fachdiensten und den Mitarbeitern des allgemeinen Vollzugsdienstes setzen sich die Gefängnisseelsorger für ein menschenwürdiges Miteinander im Strafvollzug ein. Eine wichtige Aufgabe ist es auch, den Gefangenen beim Kontakt zu ihrer Familie und ihren Angehörigen zu helfen. Darüber hinaus arbeiten sie eng mit den Fachdiensten der Kirche, besonders mit der Straffälligenhilfe der Caritas, den Beratungsdiensten und Bildungseinrichtungen zusammen, die ihrerseits weitere Hilfen bereitstellen, gerade im Blick auf die Entlassungssituation für Inhaftierte.

Einen Einblick in die konkrete Arbeit der Gefängnisseelsorge wird Ihnen gleich im Anschluss Bischof Dr. Joachim Wanke als Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz geben. Ich möchte noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Die Sorge um die Gefangenen ist eines der Werke der Barmherzigkeit und damit ganz selbstverständlicher Auftrag für die Kirche und die Christen. Aufgrund entsprechender Regelungen in den Staatskirchenverträgen und aufgrund unserer Verfassung kann die Kirche ihren Auftrag im Gefängnis im Einvernehmen mit dem Staat erfüllen.Mit ihrer Präsenz im Justizvollzug leistet die katholische Kirche einen unverzichtbaren Dienst für die ganze Gesellschaft: Die Kirche hält fest an der Schuldfähigkeit des Menschen, an seiner Berufung zur freien, verantwortlichen und sittlichen Selbstbestimmung, seiner Befähigung, sich zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen, sich aber auch bei Fehlentscheidungen seiner Verantwortung bewusst zu werden und umzukehren. Das schließt nicht aus, dass es gesellschaftliche Strukturen gibt, die den Menschen in eine Mittäterschaft hineinziehen und verstricken, so dass die Grenzen zwischen persönlicher Schuld und gemeinschaftlicher Mitschuld fließend werden können. Dies entbindet den Einzelnen aber nicht davon, sich mit seinem Tun auseinander zu setzen und seine Verantwortung ernst zu nehmen. Gefängnisseelsorge wendet sich jedem einzelnen Menschen mit seiner je eigenen Biographie und Straftat zu. Unabhängig davon, welche Tat vorliegt, besteht ihre Aufgabe in der Mitwirkung daran, dass sich der Gefangene mit dieser Straftat auseinander setzen und Umkehrbereitschaft entwickeln kann. Wegen der Gottebenbildlichkeit eines jeden Geschöpfes weiß die Kirche um die Fähigkeit jedes Menschen zur Umkehr, zur Buße und Versöhnung. Das pastorale Bemühen der Kirche im Gefängnis ist so als Dienst der Versöhnung zu begreifen. Bereits in unserer Schrift „Zur Sorge um die straffällig gewordenen Mitbürger“ von 1973 haben wir darauf hingewiesen, dass „das Bemühen, den Gefangenen zu resozialisieren, ihn wieder in die Gemeinschaft einzugliedern, im Strafvollzug im Vordergrund stehen sollte.“ Resozialisierung bleibt eine Notwendigkeit, unabhängig davon, ob sie stets erfolgreich ist und gelingt. Die Kirche widersteht daher auch allen Bemühungen, die Idee der Resozialisierung auf eine Sozialtechnik zu verkürzen. So tragen eine menschenwürdige Unterbringung oder beispielsweise auf den jeweiligen Gefangenen individuell abgestimmte Behandlungsmaßnahmen, die sich am Vollzugsziel der Resozialisierung ausrichten, wesentlich zu einem humanen Justizvollzug bei. In diesem Rahmen sieht es Gefängnisseelsorge auch als ihre Aufgabe an, zu einer konstruktiven Entlassungsvorbereitung auch im Rahmen von Vollzugslockerungen beizutragen. Indem die Kirche am Ziel der Resozialisierung, der Versöhnung des Schuldigen mit sich, mit den Opfern, den Angehörigen und seiner Umgebung und nicht zuletzt mit Gott festhält, leistet sie einen wesentlichen Beitrag zu einer wertgebundenen Ausgestaltung des Strafvollzugs. Wir machen in unserem Wort zum Auftrag der Kirche im Gefängnis auch deutlich, dass der Dienst der Kirche im Gefängnis ein Dienst der ganzen Kirche ist, der alle Getauften und alle Gemeinden angeht. Dankbar nehmen wir zur Kenntnis, dass viele Ehrenamtliche sich in Besuchsdiensten und anderen Arbeitsfeldern engagieren. Sie nehmen eine wichtige Brückenfunktion zwischen dem Leben in den Vollzugsanstalten und dem Leben „draußen“ wahr. Sie bereichern und ergänzen die Arbeit der haupt- und nebenamtlich vom Bischof besonders beauftragten Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger.

In einem eigenen Anhang zu diesem Wort haben wir uns mit der besonderen Situation der Abschiebehäftlinge befasst. Diese Menschen sind keiner Straftat beschuldigt oder verdächtig, sondern werden einzig und allein deswegen inhaftiert, weil befürchtet wird, sie würden sich einer bevorstehenden Abschiebung durch Flucht entziehen. In Deutschland sind davon jedes Jahr mehrere Tausend Ausländer betroffen. Wir halten daran fest, dass die Bedingungen, unter denen zur Zeit Abschiebehaft praktiziert wird, dringend überprüft und verbessert werden müssen. Noch immer werden in einigen Bundesländern Abschiebehäftlinge und Strafgefangene im gleichen Gebäude untergebracht und unterliegen denselben Einschränkungen. Dies ist angesichts des großen rechtlichen Unterschiedes kaum begründbar.Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle den Seelsorgerinnen und Seelsorgern im Justizvollzug von Herzen zu danken für ihren Dienst, den sie im Namen und im Auftrag der Kirche tun. In der Feier von Gottesdiensten, in der Zusage der Vergebung Gottes und im Gespräch mit Menschen im Gefängnis lassen sie die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes und das Geschenk der Erlösung durch Jesus Christus erfahrbar werden. Sie bauen Brücken zu Menschen, die der Kirche eher fern stehen und in der Situation des Gefangenseins eine neue Orientierung für ihr Leben suchen.

In den Dank einschließen möchte ich aber auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten, die in ihrem schwierigen und anstrengenden Dienst einen wesentlichen Beitrag zu einem menschenwürdigen Justizvollzug leisten. Ohne die verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen wäre die Arbeit der Gefängnisseelsorge in dieser Form nicht möglich.

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